Part 22

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Ich kann nicht mehr zurück." 

Unsere Augen funkelten sich an, führten einen stummen Kampf. Es war Jason anzumerken, dass er sie den Verlauf unseres Gespräches völlig anders vorgestellt hatte und er ganz und gar nicht zufrieden mit dessen Verlauf war. Gerade als ich meine Augen abwenden wollte, seufzte Jason gequält auf, er ließ  sich fast ergeben neben mich auf den Badewannenrand nieder. Sein Gesicht vergrub er in seinen Händen, sah völlig verzweifelt aus. 

Ich verwarf den Gedanken ihm beruhigend über den Rücken zu streichen, wartete stattdessen stumm. Er schien zum wiederholten mal an diesem Tag nach den richtigen Worten zu suchen.

"Ich kann das nicht Eve." Seine Stimme war kaum ein Flüstern, sodass ich seine Worte nur mit Mühe verstehen konnte. 

"Was?" Seine muskulösen Hände legten sich verkrampft auf den Badewannenrand. Das Spiel seiner Sehnen unter seiner makellosen Haut raubte mir unerklärlicherweise kurz den Atem. Sein Gesicht drehte sich dem meinem zu. Jasons Stirn zierte eine tiefe Sorgenfalte, seine Augen enthielten keine Spur des silbernen Glitzerns, sie waren grau , eine unheimlich Einsamkeit spiegelte sich darin, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Ich unterdrückte den Drang ihn in meine Arme zu schließen, ihn zu trösten. Es war so ungewohnt ihn so verletzlich zu sehen. Seine Lippen bewegten sich stumm, bevor er tief Luft holte und endlich zu sprechen begann. 

"Ich werde dir nur weh tun. Ich tu' es jetzt schon." Seine Hand streifte kurz meinen Bauch. Erinnerungen seineTritte blitzten auf, Erinnerungen seines wutverzerrten Gesichts. Automatisch zuckte mein Körper vor seiner Berührung zurück. Meine Reaktion ließ er unkommentiert nahm sie jedoch als Bestätigung seiner Vermutungen. 

"Ich hab in all den Jahren nie jemanden an mich rangelassen, nie mit jemanden richtig geredet, mich immer distanziert vor allen und jeden." Seine Schneidezähne bissen sich an seiner Unterlippe fest, er wich meinem Blick aus, starrte stur auf den weißen Fliesenboden. 

"Und dann kamst du, du hast alles zu Nichte gemacht, all meine Vorsätze..." das Lächeln, das für einen kurzen Moment erschienen war verrutschte zu einer nicht überzeugenden Maske. 

 "...du hast das Schlimmste in mir geweckt und gleichzeitig das Beste." Endlich sah er mir direkt in mein Gesicht, ein ungewohntes Blitzen durchzog seine Augen. 

"Ich..." Ich hatte keine Ahnung was ich darauf erwidern sollte. Ich war überrumpelt, völlig überrascht von Jasons Worten. 

"Nein, sag nichts." Jasons Hand streifte ein letztes Mal kurz meinen Unterarm bevor er hinter der Türe verschwand. 

Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich aufgehört hatte zu atmen, erst als sich ein unangenehmer Druck in meiner Brust breit machte, holte ich tief Luft. In meinem Kopf herrschte ein völliges Chaos, immer wieder hallten seine Worte durch meinen Kopf. War er wirklich ehrlich gewesen? Hatte er jedes Wort ernst gemeint? Konnte ich ihn in dieser Hinsicht vertrauen? Ich hatte keine Antwort darauf. 

Es gab unzählige Gründe mich endlich von Jason abzuwenden, aber sie alle schienen für ich nicht zu zählen, sie waren völlig bedeutungslos. Stattdessen schien es, als würde sich mein Körper nur noch mehr zu ihm hingezogen fühlen. Ich musste wirklich den Verstand verloren haben. 

Die Stimmen von Jason und Dan rissen mich aus meinen Gedanken. Sie redeten so laut, dass ich nicht einmal näher an die Türe treten musste um jedes Wort genau zu verstehen. 

"Hast du sie davon überzeugt sie wieder nach Hause zu bringen?" In Dans Stimme klang Neugier mit. Er schien seine Abneigung gegen mich teilweise abgelegt zu haben. 

"Nein." Jason klang immer noch niedergeschlagen. 

"Verdammt Jason, sie erschwert die ganze Sache nur unnötig." 

"Was hast du ihr erzählt?" bohrte Dan weiter. Jasons Stimme wurde leiser, er murmelte etwas, das ich nicht verstand, Dan jedoch schien es sehr wohl gehört zu haben.

"Was?" Ein sarkastisches Lachen ertönte. "Du hast selbst gesagt wie sehr sie dich nervt Jason, was für ein großer Fehler es war sie herzubringen, ein Mittel zum Zweck, mehr nicht."

Mein Körper schien die Worte eher zu begreifen, als mein  Gehirn, denn Tränen bahnten ihren Weg über mein Gesicht noch bevor ich wirklich die Bedeutung von Dans Worte erfasst hatte. Ich verschloss meine Ohren, wollte nichts mehr hören, ich hatte genug gehört. Wie konnte ich nur annähernd geglaubt haben, dass ihm etwas an mir lag? Wie konnte ich so dumm und naiv gewesen sein. Ich hätte sein Angebot von Anfang an annehmen sollen, die Chance sofort ergreifen müssen von ihm wegzukommen. Stattdessen hatte ich ihn regelrecht angefleht zu bleiben. Ihm jedes gelogene Wort geglaubt. 

Meine Tränen verschleierten meine Sicht während ich mich mühsam aufrappelte und begann sämtliche Badezimmerschränke zu durchsuchen. Ich hatte einen Entschluss gefasst, ich würde mich nicht mehr von Jason kontrollieren lassen. Ich würde jetzt ganz bestimmt nicht zusammenbrechen deshalb. Nicht jetzt und nicht hier. Zuvor musste ich hier verschwinden. 

Die Enttäuschung Jasons und der Schmerz, der durch meine Brust fuhr und mich leicht lähmte, gab mir auch den Mut, meinen Plan umzusetzen. Meine Finger schlossen sich um das kalte Metall einer kleinen Nagelschere. Natürlich wäre mir etwas anderes lieber gewesen, aber ich hatte bestimmt nicht mehr viel Zeit, bevor mich Jason wieder aufsuchen würde, die Nagelschere war meine einzige Möglichkeit. 

Ohne zu zögern rammte ich mir das spitze Metall in die Hand. Ein leichtes Déjà-vu Gefühl benebelte mich. Ich unterdrückte einen Schmerzensschrei, versuchte mich nur darauf zu konzentrieren, den Ortungschip aus der blutenden Wunde zu buhlen. Sobald ich den Ortungschip losgeworden war, konnte Jason mich nicht mehr finden und das war es doch das er wollte, er wollte mich nicht mehr sehen. Ich achtete darauf, meine Zähne gut zusammenzubeißen keinen Mucks von mir zu geben, sodass Jason und Dan im Nebenraum keinen Verdacht schöpften. 

Es war einfacher als gedacht, es aus meinem Fleisch zu entfernen, der blutverschmierte Chip landete in der Toilettenschüssel, ich würdigte dem Ding, das mich die letzten Wochen oder auch Monate - ich wusste es nicht - begleitet hatte keinen letzten Blick. 

So leise wie möglich kletterte ich, darauf bedacht die verletzte Hand so wenig wie möglich zu bewegen, auf die Anrichte des Waschbeckens, gleich darüber war ein kleines Fenster, das gerade so groß war um mich durchzuquetschen. Eine dunkelrote Blutspur zog sich durch das Badezimmer, ich musste eine Vene getroffen haben. 

Ein irres Lachen kam über meine Lippen als meine Füße den weichen Boden unter dem Fenster berührten. Angetrieben durch Dans Worte und der Hoffnung, es würde alles besser werden, bewegten sich meine Füße fast von selbst durch den dunklen, angrenzenden Wald. 

R e b e l ∞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt