Part 8

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Abermals hob ich meine Arm, versuchte meine ganze Kraft zu zentralisieren. Ich ignorierte den Schmerz, der durch meine Armmuskeln zuckte, eine Reaktion darauf, dass ich die Bewegung schon viel zu oft gemacht hatte. Meine Hand schoss nach vorne und wie nicht anders zu erwarten, prallte das Messer an der abgenutzten Ziegelsteinmauer ab. Ich hatte nicht einmal die Wurfscheibe getroffen. Das Messer kam mit einem lauten Klirren neben all den anderen misslungenen Versuchen am Boden auf. 

Jason hinter mir stöhnte genervt auf, mal wieder. Wann würde er endlich verstehen, dass ich die Scheibe nie treffen würde? Ich war nie besonders sportlich gewesen und zielen war auch nie eine meiner Stärken gewesen. 

Jason war für mich ebenso ein Rätsel, wie die Wurftechnik, die ich seit Stunden erfolglos übte. Er verwirrte mich. Seine Stimmungsschwankungen waren unausstehlich, geschweige denn, seine völlig undurchschaubare Persönlichkeit. 



"Das glaub ich jetzt nicht." entfuhr es Jason genervt, als mein Arm wieder einmal weggezuckt war. 

"Du wurdest vor kurzem, von einem wildfremden Typen verprügelt, und stellst dich so an, wenn es um eine kleine Spritze geht?" mit einem amüsierten Funkeln in den Augen raffte er sich seine Haare. Jason und auch Liam hatten gerade von meiner Bauchverletzung erfahren, nun lag ich ohne T-Shirt auf einem provisorischem OP-Tisch. 

Es war nicht so, dass ich Liam nicht vertraute, der mich zu behandeln versuchte. Ich zweifelte keinen  Moment daran, dass er sich bestens auskannte. Jeder seiner Handgriffe war sicher, gezielt, er schien nie auch nur einen kleinen Moment zu zögern. Vielmehr lag es daran, dass ich schon immer eine große Phobie gegenüber Nadeln gehabt hatte. Es war lächerlich, fast kindlich und trotzdem konnte ich es einfach nicht abschütteln. Außerdem, war es eine Art Narkose Spritze. Ich hatte - obwohl ich es nie zugegeben hätte -  wahnsinnig Angst davor schlafend bzw. unter Narkose völlig ausgeliefert da zu liegen. 

"Liam, lässt du uns kurz allein?" Liam nickte kurz und verlies ohne jeglichen Wiederstand den kleinen sterilen Raum. Mit Jason allein zu sein machte mich nervös, hauptsächlich deshalb, weil ich halb nackt am OP-Tisch lag. Mit meinem Arm versuchte ich, so viel wie möglich von meiner Haut zu verdecken. 

"Lass das, Eve." Meinen Namen aus seinem Mund zu hören war wie Musik in meinen Ohren. 

"Was?" nervös biss ich mir auf die Lippen. 

"Glaubst du, ich hab noch nie eine Frau nackt gesehen?" amüsiert hob er eine seiner Augenbrauen. Ich spürte wie sich meine Wangen rot verfärbten, trotzdem löste ich den Griff um meinen Körper nicht. 

"Eve. Ich werde nicht...Es interessiert mich nicht ob du halb nackt bist. Entspann dich." Seine Worte gab mir einen kleinen Stich. Es interessierte ihm nicht, ICH interessierte ihn nicht. Fand er mich nicht attraktiv? Ich schüttelte meinen Kopf. Wurde ich langsam völlig verrückt? Wieso dachte ich über solche Sachen nach? 

"Es ist nicht so dass...Ich will dich nicht nackt sehen, nicht so. Verstehst du? Nicht unter diesen Umständen." offenbar hatte er den leichten Schmerz in meinen Augen gesehen. Ich nickte. In meinen Kopf herrschte ein Durcheinander. Mein Hirn schien seine Worte nicht ganz aufnehmen zu können. Trotzdem gab ich den Wiederstand auf und löste meinen Griff. 

"GUT." lächelte er. Ihm schien es zu gefallen, dass ich ihm gehorchte. 

"Wo wir dann beim nächsten wären. Wieso zierst du dich so gegen die Spritze? Wovor hast du Angst?" Es hätte so vieles gegebne, das ich ihm in diesem Moment gerne a den Kopf geworfen hätte, ich hielt aber meinen Mund. 

"Hey, sieh mich an." Jasons' Finger legten sich unter mein Kinn, er drehte es, sodass ich ihn ansah. 

"Ich werde hierbleiben, verstehst du? Du wirst nicht allein sein." Seine Finger verschränkten sich mit meinen. Meine Hand schien perfekt in seine zu passen, die Berührung fühlte sich gut an, auf irgendeine komische Weise total vertraut.

Die Finger seiner freien Hand griffen nach der Narkose-Spritze, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, injizierte er die Flüssigkeit in meine Blutbahn. Mein Arm, hatte sich dabei kein einziges Mal gewehrt.  

Er war tatsächlich geblieben, er war der erste gewesen, den ich gesehen hatte, als ich meine Augen aufgeschlagen hatte. Meine Hand war immer noch in seiner gelegen, er hatte sich keinen Zentimeter bewegt. Ich hatte das Gefühl gehabt, ihn etwas zu bedeuten, aber das heute, bewies wieder genau das Gegenteil, er war einfach nur genervt von mir. 

"Du wirst es wohl schaffen, die verdammte Wurfscheibe zu treffen." knurrte er mich an. 

"Mach es doch selbst, wenn es dir so wichtig ist." gab ich bissig zurück. Jeden Tag eingesperrt zu sein hatte sich bereits auf mich ausgewirkt. Teilwiese, wenn ich am Abend allein im Bett lag bekam ich richtige Panikzustände. Ich drehte hier wirklich noch durch. 

Binnen weniger Sekunden stand ich ungefähr zehn Meter weiter hinten an der Mauer gepresst. Jasons' Arm drückte mich brutal gegen die kalte Wand. Jeder seiner Muskeln angespannt. Seine Augen waren dunkler als sonst, fast schwarz. Ich spürte seinen beschleunigten Atem, unwillkürlich spürte ich, wie sich mein Körper, obwohl ich wusste wie gefährlich er war, automatisch durch seine Nähe entspannte. 

"Wie redest du mit mir." zischte er. Normalerweise hatte ich verdammt große Angst von ihm, bekam keinen Ton heraus, wenn er mich direkt ansprach. Aber nicht an diesem Tag. Die Wut und Verzweiflung waren viel zu groß, um sie noch länger zu verstecken. 

"Wieso lernst du mir das alles? Wieso glaubst du, dass ich das alles können werde? Und wieso ich? Wieso haltest du mich hier gefangen?" Meine Stimme zitterte. Jasons' Miene blieb ausdruckslos, er hatte nicht vor auf meine Fragen zu antworten. Enttäuscht wendete ich meinen Blick ab. 

"Wieso bringst du mich nicht einfach um. Es wäre so viel leichter. Du müsstest dich nicht mehr um mich kümmern und ich wäre endlich hier weg." eine einzelne Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel, die ich sofort wegwischte. Während ich sprach, spürte ich, wie Jason die Luft anhielt.

"Oder, wenn du dich nicht selbst darum kümmern willst, wieso lässt du es nicht jemand anderen machen?" Wieder blieb er still.

"Bring mich um! bitte." Meine Stimme bebte vor Verzweiflung. Ich war wirklich so weit, dass ich das als einzige Möglichkeit sah. Vielleicht würde ich Glück haben, es würde alles ganz schnell gehen. Ich blinzelte die Tränen in meinen Augen weg und im nächsten Moment spürte ich einen stechenden Schmerz an meiner linken Wange. Mein Kopf hatte sich um 90 Grad gedreht, wäre fast gegen den harten Beton hinter mir geknallt. 

"Das sagst du nie wieder. Hast du mich verstanden? Ich werde dich nicht umbringen." Seine Worte hallten in meinem Kopf, verzweifelt sank ich die Wand hinter mir hinunter. Ich würde hier bleiben. Vielleicht für immer. Diese Tatsache traf mich so heftig, dass ich kaum richtig Luft holen konnte.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sich Jason vorne über beugte. Eine Hand ausgestreckt, als wollte er mich trösten, wüsste aber nicht wie. Seine schönen,geformten Lippen bewegten sich stumm. Selbst jetzt, leicht verzweifelt, sah er immer noch nahe zu perfekt aus. Für einen kurzem Moment glaubte ich, er würde mich in den Arm nehmen, mich trösten. Aber ich irrte mich. 

Sein Blick härtete sich, wie wenn jemand einen Schalter umgelegt hätte wurde seine Miene ausdruckslos. Ruckartig zog er seine halb ausgestreckte Hand zurück und verließ fluchtartig den Raum. 

R e b e l ∞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt