Vorsichtig ergriffen meine Fingerspitzen den Saum meines T-Shirts. Ich sog scharf die Luft ein, als der Stoff leicht an der verletzten Stelle rieb. Außer Dan, der eine kleine Platzwunde an der Stirn hatte, waren alle unversehrt. Sie hatten nicht einmal einen Kratzer. Bei mir war ich mir da nicht so sicher, schließlich konnte ich mich kaum ohne Schmerzen bewegen. Ich fixierte mein Spiegelbild, während ich den Stoff etwas anhob, ich konnte es nicht ewig vor mir herschieben, irgendwann musste ich einen Blick darauf werfen.
Mein Bauch war überseht von blauen, fast lilafarbenen Flecken. Ganz leicht strich ich darüber, bereute es aber sofort, sie taten höllisch weh. Sollte ich nicht wenigstens Jason die Hämatome zeigen? Oder Liam um Schmerztabletten bitten? Nein, entschlossen schüttelte ich den Kopf. Sei nicht so ein Weichei.
Wahrscheinlich hätte es sie sowieso nicht interessiert. Entschlossen drehte ich meinem Spiegelbild den Rücken zu. Bevor ich mich auszog, versicherte ich mich, dass die Badezimmertüre verschlossen war. Nicht, dass Jason oder ein Andere hineinspazieren konnte, während ich mich duschte.
Mit dem warmen Wasser kamen auch die unterdrückten Tränen wieder hoch. Ich betet dafür, dass man meine Schluchzer über das Wasser hinweg nicht hören konnte. Ich hätte alles dafür gegeben, wieder zu Hause zu sein. Meine Familie zu sehen. Ob sie mich vermissten?Ob sie bereits nach mir suchten?Wieso war ich an diesem verfluchten Abend so lange in der Bibliothek geblieben? Wäre ich nie entführt worden, wenn ich nicht dort gewesen wäre? Tausend von Fragen wirbelten in meinem Kopf herum. Würde ich meine Familie je wieder sehen? Bei diesem Gedanken brach ich ab. Wenn ich noch länger darüber nachgedacht hätte, wäre ich unter der Dusche zusammengebrochen, das hätte mir auch nicht weitergeholfen.
Ich presste meine Fäuste auf meine tränenden Augen. Seit kurzer Zeit, hatte ich damit begonnen, meine Tränen wie Verletzungen zu behandeln. Wie bei einer blutenden Wunde so lange Druck auszuüben, bis es aufhörte. Natürlich funktionierte es nicht, aber ich versuchte zumindest, es mir einzureden.
Nachdem ich aus der warmen Dusche gestiegen war, band ich meine Haare zu einen nachlässigen Dutt, genau so, wie ich es früher immer gemacht hatte. Zum Schlafen, diente ein viel zu großes T-Shirt von einen der Jungs, das mir fast bis zu den Knien ging. Ich sah nicht in den Spiegel, während ich mir die Zähne putzte, ich wusste, was ich sehen würde. Ein Mädchen mit leeren Augen, von denen nur die dicken Augenringe ablenkten, die aussahen, als würden sie für immer dort bleiben.
Mein Herzschlag setzte für einen kleinen Moment aus, als ich mein Zimmer betrat, nur um dann, doppelt so schnell weiter zu schlagen. Jason lag, als wäre es das normalste der Welt, auf meinem Bett und starrte auf die Decke. Er sah mich nicht an, während ich mich - mit einem Abstand von mindestens einem Meter - neben ihm auf die Matratze legte. Ich achtete besonders darauf, meine Bauchmuskeln nicht zu sehr zu belasten, meine Angst vor den Schmerzen, war viel zu groß. Ich ignorierte die Tatsache, dass es für mich das erste Mal war, neben einem Typen im Bett zu schlafen. Ein ziemlich kindlicher Gedanke, wenn man bedachte, dass ich entführt worden war.
Jason sah in seinem weißen, enganliegenden T-Shirt verdammt gut aus. Fast irgendwie harmlos, wenn man die Tattoos nicht beachtete. Nichts an seiner Körpersprache signalisierte, dass er vor hatte etwas zu sagen. Also beschloss ich, seine Anwesenheit einfach so gut es ging zu ignorieren. Ich drehte ihm den Rücken zu, machte es mir etwas bequem und versuchte einzuschlafen.Vergebens, denn obwohl ich hundemüde war, bekam ich kein Auge zu. Immer wieder kreisten meine Gedanken um Jason, um meine Familie, oder um Riley und seine Männer.
Die Zeiger der Wanduhr bewegten sich immer weiter ohne, dass sich etwas daran änderte. Immer wieder wechselte ich die Schlafposition, lag mal so, dann so. Ab und zu, wenn ich mich wieder umdrehte, stieß Jason einen genervten Seufzer aus.
"Geht's dir gut?" Durchbrach Jasons' Stimme die Stille, als ich meine Schlafposition zum gefühlten hundertsten Mal geändert hatte. Verwundert darüber, dass er überhaupt mit mir sprach drehte ich mich zu ihm. Er lag immer noch gleich da wie vor Stunden.
"Ja. Sind nur die Nerven." murmelte ich. In dem Moment, in dem ich es aussprach, wurde mir klar, wie viel Wahrheit in meiner Antwort lag.
"Das dachte ich mir bereits, du hast geweint." Sein Blick löste sich endlich von seinem T-Shirt und musterte mein Gesicht. Ich wusste nicht, was er in meinem Blick sah, jedenfalls reichte es aus, seinen genervten Ton, der kurz davor noch in seiner Stimme zu hören gewesen war, verschwinden zu lassen. Seine grauen Augen bohrten sich in meine und machten es schier unmöglich woanders hin zu sehen. Ganz langsam hob er seine Hand, berührte eine Millisekunde meine Wange, bevor er sie wieder fallen ließ.
"Ich war wirklich..."er schien um Worte zu rangen "...beeindruckt." Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht ab, während ich ungläubig meinen Kopf schüttelte. Er war beeindruckt? Von mir? Unmöglich.
"Wirklich...ich meine...du warst mutiger als ich gedacht hatte." für einen kleinen Moment verzogen sich seine vollen Lippen zu einem kleinen Lächeln, das mir den Atem raubte.
"Danke." flüsterte ich. Ich spürte schon wieder die dummen Tränen in mir aufsteigen. verstohlen wischte ich sie mir schnell ab und beschloss das Thema zu wechseln.
"Wer ist dieser Riley?" flüsterte ich. Ich hatte Angst, dass meine Stimme brechen würde, wenn ich lauter sprach.
"Riley ist..." seufzend atmete er aus. "ein alter Bekannter." Ich spürte, dass da noch mehr war, beließ es aber dabei, schließlich wollte ich ihn nicht reizen. Es war offensichtlich, dass Jason nicht darüber reden wollte.
"Hast du vor heute noch zu schlafen?" lenkte er diesmal ab. Belustigt hob er die Bettdecke neben sich etwas an. Da mir ziemlich kalt war, schlüpfte ich breitwillig darunter. Sanft legte sich seine Hand für einen kleinen Moment auf meine. Zuerst dachte ich, dass es nur Zufall war, doch als ich auf meine Hand blickte, lag darin eine kleine weiße Tablette.
"Was ist das?" Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte ich sie.
"Eine Schlaftablette." Jasons' Augen waren auf mein Gesicht gerichtet, um jede kleinste Gefühlsregung wahrzunehmen.
"Woher wusstest du...?" Beeindruckt ließ ich den Satz in der Luft hängen. Woher hatte er die denn jetzt her?
"Das spielt keine Rolle. Nimm sie einfach."
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R e b e l ∞
Teen FictionR e b e l - "Manche Rätsel waren nie dazu da gelöst zu werden." Kidnapping. Etwas, von dem man hauptsächlich in den Medien hört. Für die schüchterne und unerfahrene Eve Clarks wird dieser Albtraum wahr. Sie wird unwiderruflich in eine Welt voller W...