Part 18

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Clarks?"

Für einen kleinen Moment schien sich die Welt nicht mehr zu drehen. Mein Körper schien völlig erstarrt zu sein, eingefroren in meiner Position. Ein Art Schockzustand, der meine Muskeln hinderte sich weiter zu bewegen.

Natürlich ging sie an das Handy, das war auch meine Absicht gewesen, aber dass mich ihre Stimme so umhauen würde, hätte ich nie gedacht. Es lag nicht daran, dass ich meine Mutter beziehungsweise meine Eltern über Wochen hinweg nicht gesehen hatte. Es lag auch nicht dran, dass ich, seit ich entführt wurde, schon unzählige Male tatsächlich geglaubt hatte ich würde sterben, meine Eltern nicht mehr zu Gesicht bekommen. Vielmehr schockierte mich, dass ihre Stimme noch genau den gleichen Klang hatte, dieselbe Tonlage, die sie immer benutzt hatte. Irgendetwas in mir drinnen hatte geglaubt, sie hätte sich - ebenso wie ich - verändert. Ich war nicht mehr dieselbe Person, wie vor der Entführung und jetzt meine Mutter unverändert zu hören verstörte mich dermaßen, dass ich kein einziges Wort heraus brachte.

"Clarks?" drang ihre Stimme erneut durch die Lautsprecher des Handys.

Unwillkürlich drängte sich ein Bild in mein Bewusstsein. Meine Mutter, wie sie, lässig an die Holztheken der Küche gelehnt, völlig im Gedanken versunken die grobe Maserung des Holzes mit ihrem Zeigefinger nachzeichnete. Wie sie, fragend ihr perfekt gezupften Augenbrauen hob. Wieder einmal wurde mir klar, wie wenig ich in diese Familie gepasst hatte. Ich war kein Teil mehr von ihr, ob nun freiwillig oder unfreiwillig, ich würde nie wieder meinen alten Platz einnehmen.

"Hallo?!" riss mich die Stimme aus meinen Gedanken. Es war ein Fehler gewesen anzurufen.

Als die Verbindung mit einem Klicken unterbrochen wurde, überrollte mich die Einsamkeit wie noch nie zuvor. Ein Schluchzen entkam meinen Lippen, dicht gefolgt von heißen Tränen, die sich einen Weg über mein Gesicht bahnten.

Ich hörte seine Schritte hinter mir nicht. Seine tiefen, wütenden Atemzüge. Erst als ich nach hinten gerissen wurde und mit voller Wucht gegen die kahle Wand prallte, dämmerten mir die Folgen, die mein Anruf haben würde.

Ängstlich und völlig ausgeliefert presste ich mich an die kalte Wand. Noch nie hatte ich solche Angst gehabt. Zitternd schloss ich die Augen, wollte sein wutverzerrtes Gesicht nicht sehen. Aber seiner Stimme konnte ich trotzdem nicht entkommen.

"Was sollte das huh?!" Die Wände schienen unter seiner Stimme zu beben. Sie hallten durch den Raum, ließen mich erschaudern.

Bevor ich zu einer Antwort ansetzen konnte, bevor ich überhaupt meine Augen öffnen konnte und das Ausmaß meines Fehlers begutachten konnte, hatte sich Jasons Hand um meinen Hals gelegt. Er drückte zu, nahm mir jegliche Luft zu atmen. Ich verursachte vergeblich seinen Griff um meinen Hals zu lösen, aber ich hatte keine Chance. Panik und Todesangst machten sich in mir breit und ehe ich mich versah hatte er mich, an meinem Hals hochgehoben. Er schleuderte mich, als hätte ich praktisch kein Gewicht quer durch das Wohnzimmer direkt an die gegenüberliegende Wand. Der Aufprall war weitaus heftiger als der zuvor.

Instinktiv fuhr meine Hand an die schmerzende Stelle zwischen meinen Rippen. Bei jedem Atemzug durchfuhr mich ein so durch-dringlicher Schmerz, dass ich mir wünschte, er würde mich gleich umbringen.

"Sieh mich an." Knurre er. In einer Millisekunde stand er neben mir, zog mich an meinen Haaren hoch.

Zögernd öffnete ich meine Augen.

Noch nie in meinem Leben, hatte ich so viel Wut auf einmal gesehen. Jasons Gesicht wirkte unnatürlich verzerrt, seine Lippen zornig aufeinander gepresst. Seine Stirn glänzte leicht vom Schweiß und jeglicher Muskel seines Körper hatte sich angespannt, nur drauf wartend mich tot zu prügeln. Das alles war nichts, nichts im Vergleich zu seinen Augen, die ein wildes Flackern angenommen hatten. Es gab keine Spur des flüssigen Silbers, das ich an ihnen so liebte, stattdessen waren sie fast schwarzgrau.
Trotz des Zornes den er ausstrahlte sah er noch unheimlich sexy aus, seine Anziehung hatte keineswegs nachgelassen.

"Jason, ich..."

"Halt deinen Mund." Keifte er.

"Weist du, was ich normalerweise mit Schlampen wie dir mache?" stieß er durch seine zusammengebissenen Zähne hervor.

"Ich quäle sie." flüsterte er, bevor er ausholte und mir sein Knie genau in meinen leeren Magen rammte. Schmerzerfüllt kreischte ich auf. Jason schien zu merken, dass ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, denn er stützte mich.

"Ich verprügle sie." fuhr er fort, wieder traf sein Knie gewaltvoll auf meinen Bauch auf, ließ mich abermals kreischen.

"Ich töte sie." hauchte er, nahe an meinem Ohr, bevor er ein letztes Mal sein Bein zurückzog um mich endgültig am Boden zusammen sacken zu lassen.

Er ließ mir keine Zeit tief durchzuatmen, mich von meinen körperlichen Schmerzen zu erholen, oder mich wenigstens damit abzufinden. Stattdessen hievte er mich hoch.

"Du machst mich so unheimlich wütend." Enttäuschung klang in seiner Stimme mit. Er wirkte, ebenso wie ich kraftlos und ausgezehrt. Seine heiße klebrige Stirn lehnte sich gegen meine. Alles, das zu hören war, waren unsere unregelmäßigen und tiefen Atemzüge. Meine Hand hatte sich auf seiner Brust abgestützt, sodass ich das Pochen seines Herzens spüren konnte. Der Sturm war vorbei, ich wusste, er würde mich, wenigstens heute nicht mehr schlagen, genau deshalb wich ich nicht zurück. Unser Atem vermischte sich, während wir unsere Augen schlossen, immer noch Stirn an Stirn, und die Morgenröte völlig im Tageslicht verschwand.

R e b e l ∞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt