Im Pyjama durch Mittelerde

5. Ein Hobbit in Panik

Gandalf deutete auf Schriftzeichen am Rand der Karte und erklärte: „Diese Runen beschreiben einen geheimen Durchgang zu den unteren Hallen."

„Es gibt noch einen Eingang!", stieß Kili atemlos hervor, doch Gandalf bremste ihn mal wieder ein wenig aus.

„Wenn wir ihn finden. Geschlossen sind Zwergentüren unsichtbar. Die Lösung ist irgendwo in dieser Karte verborgen, nur besitze ich nicht die Fähigkeit, sie zu finden. Aber... Es gibt andere in Mittelerde, die das können. Die Tat, die ich mir vorstelle, beruht auf Heimlichkeit und braucht ein gewissen Maß an Mut. Aber wenn wir vorsichtig und klug sind, glaube ich, dass wir es schaffen", erklärte er.

„Und darum brauchen wir einen Meisterdieb", sagte Ori und brachte damit Bilbo ins Spiel. Der dachte jedoch noch nicht einmal im Traum daran, dass er das sein würde. Er war ja schließlich ein anständiger Hobbit.

Er nickte nur und meinte zustimmend: „Und zwar einen guten. Den Besten, möchte ich meinen!"

„Und seid ihr das?", fragte Gloin und blickte den Hobbit erwartungsvoll an.

„Bin ich was?", erkundigte sich Bilbo stirnrunzelnd. Genauso lost war ich immer in Biologie gewesen, wenn meine Lehrerin etwas von Glykolyse und Fotosynthese und dem endoplasmatischem Ritikulum erzählt hatte...

„Er hat gesagt, er ist der Beste. Hehey!", jubelte Oin, und jetzt verstand Bilbo endlich.

Empört rief Bilbo: „Ich? Nein, nein, nein! Ich bin kein Dieb! Ich habe in meinem Leben noch nie was gestohlen!" Er blickte nun fast schon ein wenig beleidigt drein.

Auch Balin sah in Bilbo wohl nicht wirklich einen Gangster, er meinte resigniert: „Ich fürchte, da muss ich Herrn Beutlin zustimmen, er ist nicht aus Diebesholz geschnitzt."

Dwalin, den ich früher immer für einen Riesen gehalten hatte, polterte: „Ach, die Wildnis ist kein Ort für feine Leute, die weder zu kämpfen noch sich zu wehren wissen!"

Nun entbrannte ein Streit unter den Zwergen, ob Bilbo es nun packen würde oder nicht. Der arme Hobbit... Ich hasste es wie die Pest, wenn in meiner Anwesenheit in der dritten Person über mich geredet wurde, da fühlte ich mich irgendwie bevormundet.

Anscheinend reichte es Gandalf jetzt auch, er erhob sich und sorgte dafür, dass es plötzlich dunkel wurde. Er rief wütend: „Genug! Wenn ich sage, dass Bilbo Beutlin ein Meisterdieb ist, dann ist er ein Meisterdieb!Hobbits sind bemerkenswert leichtfüßig. Im Grunde kommen sie an fast jedem ungesehen vorbei, wenn sie wollen. Und während der Drache Zwerge ohne weiteres wittern kann, ist der Geruch eines Hobbits so gut wie unbekannt für ihn, was uns einen entscheidender Vorteil bringt."

Der Zauberer setzte sich und fuhr fort, ohne Bilbo zu Wort kommen zu lassen: „Ich sollte das vierzehnte Mitglied für diese Unternehmung finden und ich habe mich für Herrn Beutlin entschieden. In ihm steckt mehr als ihr erraten könnt und auch einiges mehr als er selber ahnt."

„Ihr müsst mir vertrauen!", wandte er sich schließlich eindringlich an Thorin. Und wenn man jemandem in Mittelerde trauen konnte, dann war das wohl Gandalf. Auch der Zwergenkönig war machtlos gegen den Charme des Zauberers und verkündete nun:

„Also gut. Machen wir es auf deine Art. Gebt ihm den Vertrag! Und die Damen unterschreiben auch!" Wow. Er sagte nicht Weiber, sondern Damen. Ich fühlte mich wirklich geehrt.

Balin erklärte: „Ist nur das Übliche. Zusammenfassung der Reisekosten, Arbeitszeiten, Vergütung, Begräbniskosten und so weiter." Das mit den Begräbniskosten hätte er sich wirklich sparen können, aber egal. Thorin reichte Bilbo den Vertrag, der entsetzt „Begräbniskosten?" hervorstieß. 

Der Hobbit tat mir wirklich leid, am liebsten würde ich ihm direkt sagen, dass er in diesem Haus noch seinen 111. Geburtstag feiern würde er und er sich um Beerdigungskosten keine Sorgen machen müsse, aber das ging wohl kaum. Er würde uns wohl oder übel für wahnsinnig halten, wenn wir behaupteten, seine Zukunft voraussagen zu können. Oder noch schlimmer, aus einer anderen Welt zu kommen, in der er nicht Bilbo Beutlin, sondern Martin Freeman heißt.

Nun ging er den Vertrag durch und las vor: „Bedingungen. Zahlung bei Lieferung. Gewinnbeteiligung maximal ein Vierzehntel des Gesamtprofits, so fern anfallend. Hm, scheint angemessen. Wobei wir eventuell mit einem Siebzehntel rechnen müssen.. Äh, die Unterzeichner sind nicht haftbar für zugefügte beziehungsweise sich aus dem Verlauf ergebende Verletzungen. Einschließlich aber nicht ausschließlich... Platzwunden? Ausweidung? Verbrennungen? Er warf einen entsetzen Blick zu den Zwergen, die das Vorgelesene jedoch nicht erschrak.

"Na ja", meinte Bofur leichthin, „er schmelzt einem im Handumdrehen das Fleisch von den Knochen."

Bilbo ließ stöhnend den Vertrag sinken, während Gandalf, der Psycho, leise vor sich hin gluckste.

„Alles klar, Kleiner?", erkundigte sich Balin besorgt. Warum erinnerte er mich manchmal einfach an einen zuckersüßen alten Opa?

„Hä?", fragte Bilbo, der schnell ein und aus atmete, „ Ja, mir ist nur...Etwas schwummrig.

Bofur, zu dessen Stärken definitiv nicht Einfühlungsvermögen gehörte, fuhr fort: „Stell dir einen geflügelten Schmelzofen vor. Ein grelles Licht, ein glühender Schmerz und puff, ist man nur noch ein Häufchen Asche!"

Das war nun doch zu viel für den armen, armen Bilbo. Mit einem leisen Stöhnen kippte er um und wäre sicher volle Kanne auf den Boden geknallt, wenn Yara nicht blitzschnell aufgesprungen wäre und ich aufgefangen hätte. „Macht ihm mal einen Tee oder so", rief sie den Zwergen zu, die bedröppelt um den bewusstlosen Hobbit und sie herumstanden.