Gandalfs Rückzug hatte mich doch irgendwie verunsichert. Nervös löffelte ich meine Suppe. Nicht mal der Gedanke an die paar Tafeln Schokolade, die noch in meinem Rucksack lagerten, konnte mich beruhigen. Aber vielleicht lag es auch daran, dass ich von den Trollen wusste, die hier bald auftauchen würden. Sollten wir die Zwerge nicht eigentlich warnen? Ich warf Anna einen fragenden Blick zu, doch die schüttelte den Kopf. Anscheinend hatte sie den gleichen Gedanken wie ich. Wir konnten einfach viel zu viel mit unserem Handeln beeinflussen.
Es könnte ja auch total nach hinten losgehen. Was wäre, wenn wir vor den grillen fliehen und dafür einer Horde Orks in die Hände fallen würden?
„Will jemand Schokolade?", fragte ich irgendwann, doch seltsamerweise nahm niemand mein Angebot an.
Bofur hielt Bilbo jedoch zwei randvoll gefüllte Schlalen hin.
„Tu mir den Gefallen und bring das den Jungs", meinte er, worauf Bilbo nickte und ging. Mein Puls beschleunigte sich. Fuck, ich gab es einfach ungern zu, aber ich hatte Angst vor Trollen! Ich wollte nicht in einen Sack gesteckt und gegrillt werden!
Meinen Freundinnen ging es wohl genauso, denn Yara stand nun auf und sagte: „Wir bringen Fili und Kili noch ein bisschen Schokolade, okay? Die fanden sie ja ziemlich gut. Aber passt auf wegen der wilden Tiere und so."
Die anderen Zwerge waren einverstanden (oder froh, dass wir weg waren. Dann konnten sie endlich mal wieder Männergespräche führen).
So folgten wir also Bilbo, der eben Fili und Kili die Schüsseln hinhielt.
„Wir haben Schokolade für euch!", rief Yara und wedelte mit einer Tafel Erdnussschokolade, meiner aktuellen Lieblingssorte.
Allerdings reagierten die beiden nicht. Sie starrten erschrocken an uns vorbei, sodass Bilbo besorgt fragte: „Was ist los?"
Scheiße, dann war es jetzt wohl soweit.
„Eigentlich sollten wir uns um die Ponys kümmern", sagte Kili tonlos.
„Nur sind wir da auf ein kleines Problem gestoßen...", fuhr sein Bruder fort.
„Wir hatten 16."
„Jetzt sind es 14."
Wir drehten uns um und schauten uns um.
„Margerite und Bungo fehlen", stellte Kili besorgt fest und Bilbo lachte nervös.
„Also, das ist nicht gut. Und das ist ganz und gar nicht gut. Sollten wir das nicht Thorin sagen?"
Fíli winkte schnell ab: "Äh, nein, belasten wir ihn nicht damit. Als unser verbürgter Meisterdieb könntest du der Sache doch nachgehen."
Bilbo schien mit der Aufgabe ein wenig überfordert, er meinte unsicher: „Oh, äh, sieht nach irgendetwas Großes hat diese Bäume aus der Erde gerissen."
„Haben wir uns auch gedacht", fügte Kili, der Fachmann, hinzu. Ich flüsterte: „Vielleicht sind es Trolle, die soll es hier in der Gegend geben..."
Die Brüder tauschten angespannte Blicke und Fili erwiderte schließlich: „Das haben wir auch schon befürchtet. Schaut mal, da hinten scheint ein Licht zu sein. Wir sollten wohl nachsehen!"
So schlichen wir uns vorsichtig näher. Mein Herz klopfte wie verrückt und ich zuckte heftig zusammen, als plötzlich das dröhnende Lachen der Trolle ertönte.
„Bergtrolle", stieß auch Kili hervor, „sie sind langsam und dumm. Und du Bilbo, bist so klein. Die sehen dich nie!"
Es dauerte ein wenig, bis die Nachricht zu dem Hobbit durchgedrungen war und er verstand, was von ihm erwartet wurde.
„Ich? Nein, nein, nein!", fauchte er, doch Fili schob ihn vor, „Wenn's Ärger gibt, mach zwei Mal Schuhu wie eine Schleiereuer und ein mal wie eine Schneeeule!
Die beiden Zwerge verschwanden, und wir blickten uns fragend an. Was tun? Runter zu den Trollen würden wir auf keinen Fall gehen, die würden uns sicher im Nu fertigmachen... Aber es war klar, dass wir den Zwergen auch irgendwie helfen mussten. Nur wie?
Bilbo duckte sich gerade in ein Gebüsch, das vielleicht in seiner Größenordnung ein gutes Versteck bot. Ich mit meinen 1,75 m brauchte da schon größeres.
„Lasst uns auf einen Baum klettern", wisperte ich, „von da haben wir einen guten Überblick und können planen, was wir tun!"
Meine Freundinnen blickten mich kurz kritisch an, seufzten dann synchron und nickten schließlich.
„Vielleicht kommt uns da oben ja ein Geistesblitz oder so", meinte Yara, jedoch wenig zuversichtlich, und marschierte auch schon auf einen imposanten Baum zu, der am Rand des Abhangs stand und mit seinen dicken Ästen recht stabil wirkte.
Ein Glück, dass wir auf unserem Spielplatz früher einen großen Baum gehabt hatten, sonst wäre unsere Kletterrei wohl kaum erfolgreich ausgegangen. Keine zwei Minuten später hockten wir nebeneinander auf einem fetten Ast. Wir waren von einem dunkelgrünen Blättermeer bedeckt, hatten gleichzeitig jedoch eine gute Sicht auf die Trolle. Perfekt.
Wir sahen Bilbo, wie er sich immer weiter an die Meute heranpirschte, und natürlich auch die armen Ponys. Wobei, wir Menschen aßen ja auch Fleisch und da heulten wir nicht, wenn Tiere starben. Dann hatten die Trolle eigentlich auch ihr Recht auf ein Steak... und ich war mir sicher, dass diese Ponys im Gegensatz zu den Schweinen, Hühnern und Rindern in der Massentierhaltung ein schönes Leben gehabt hatten... Oh Gott, ich saß in einem Baum, in Mittelerde und stalkte ein paar Trolle, die gleich die Zwerge verspeisen wollten... und mein Hirn begann über ein Recht dieser Viecher auf Fleisch zu philosophieren. Als ob ich gerade keine größeren Probleme im Leben hatte...
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Im Pyjama durch Mittelerde
De TodoUm ihren bestandenen Schulabschluss zu feiern, zelten die drei Freundinnen Charlie, Anna und Yara in einem Schrebergarten am Rand ihrer Heimatstadt. Am nächsten Tag wachen die Mädchen jedoch nirgendwo anders auf als im Auenland. Ausgehungert und ung...