Beorn hatte sich sogar so weit beruhigt, dass er uns alle zum Frühstück einlud. Nun saßen wir also an dem großen Tisch in seiner Hütte und die Zwerge zeigten sogar, dass sie ansatzweise etwas wie Tischmanieren besaßen. Niemand schrie, sang oder warf mit Lebensmitteln um sich. Aber vielleicht waren sie mittlerweile einfach alle etwas erwachsener und reifer als noch vor ein paar Wochen in Bilbos Höhle.
Der Hautwechsler war ein höflicher Gastgeber und wollte uns allen Milch in riesige Becher gießen. Nur ich musste leider ablehnen, da ich laktoseintolerant war. Zumindest war das in Deutschland so gewesen. Keine Ahnung, ob sich die Unverträglichkeit samt meiner Autoimmunerkrankung nach unserer Ankunft in Mittelerde ebenfalls aus dem Staub gemacht hatte. Aber ich wollte lieber kein Risiko eingehen, nicht an so einem wichtigen Tag. Wenn alles glatt ging würden wir demnächst in den Düsterwald kommen... am Ende würde ich die Milch doch nicht vertragen und Legolas vor die Füße kotzen. Die Vorstellung war einfach höchst peinlich und der Elb würde mich wohl für den Rest meines Lebens absolut abstoßend finden.
Deshalb verzichtete ich und trank lieber einen Becher frisches Quellwasser.
Als alle versorgt waren (Beorn hatte noch jede Menge frisches Brot, Käse, Obst und Gemüse hervorgezaubert) wandte er sich schließlich an Thorin.
„Also, du bist der, den sie Eichenschild nennen", begann er mit ruhiger Stimme, „sag mir, warum macht Azog der Schänder Jagd auf euch?"
Damit war das gemütliche Frühstück vorbei. Die Anspannung, die sonst immer auf uns allen lag und heute morgen kurz verschwunden war, kehrte zurück. Selbst Fili hörte für einen Moment auf zu essen.
Thorin hatte sich nicht gesetzt, er lehnte wie der größte Bad Boy mit verschränkten Armen an einem Pfahl. Ganz im Sinne des Bad Boys blieb er distanziert und fragte nur nüchtern: „Du weißt von Azog? Woher?"
Der Hautwechsler wirkte mit einem Mal traurig. Und natürlich wussten wir Fangirls weshalb.
Und jetzt sollten es auch die anderen erfahren, denn unser Gastgeber fuhr fort: „Mein Volk war das erste, das in den Bergen lebte, bevor die Orks aus dem Norden kamen. Der Schänder hat fast meine ganze Familie umgebracht. Doch einige hielt er sich als Sklaven. Nicht zum Arbeiten, zum Zeitvertreib. Hautwechsler einzusperren und sie zu foltern, schien ihn zu belustigen."
Nun war es mucksmäuschenstill, das Schicksal ging wohl allein nahe. Selbst Thorin musste kurz schlucken und Dwalin war ziemlich blass geworden.
Nur Bilbo fragte vorsichtig: „Gibt es noch mehr wie dich?"
„Einst gab es viele von uns", antwortete Beorn, „jetzt gibt es nur noch einen. Ihr müsst den Berg vor den letzten Herbsttagen erreichen?"
Gandalf war kurz überrascht über den abrupten Themenwechsel, doch dann erwiderte er: „Ehe der Durinstag zu Ende geht, ja."
„Ihr habt nicht mehr viel Zeit", stellte der Hautwechsler fest, und der Zauberer nickte.
„Darum müssen wir durch den Düsterwald."
Düsterwald! Meine Freundinnen und ich tauschten vielsagende Blicke. Das bedeutete, die Spinnen waren nicht mehr weit. Dafür aber auch Legolas, Tauriel und Thranduil! Die drei waren heißer als die Polizei erlaubt und wir hatten schon längst besprochen, was wir uns im Waldlandreich alles gönnen wollten: erst einmal wollten wir Legolas ärgern, der Hobbit-Legolas schien sehr reizbar zu sein und es machte sicher Spaß, ihn ein bisschen zu provozieren. Wobei wir es natürlich nicht übertreiben durften, am Ende hatte er einen schlechten Tag und rammte uns einen Pfeil zwischen die Augen...
Ich wollte mich unbedingt mit Tauriel anfreunden, da ich sie ziemlich cool fand und sie eventuell auch mit Legolas verkuppeln. Aber natürlich nur, wenn beide wollten.
Und eventuell würden wir uns auch Zugang zum Weinkeller verschaffen und dort ein paar Sorten probieren, aber ob das geschehen würde, stand noch in den Sternen.
Zunächst einmal mussten wir die Spinnen und die Tücken des Waldes hinter uns bringen. Und überhaupt erst mal den Weg durch den Düsterwald einschlagen. Denn Thorin sah gerade nicht sonderlich begeistert aus.
„Eine Dunkelheit liegt über diesem Wald", wandte auch Beorn ein, „Grausame Wesen kriechen im Dickicht umher. Nur in größter Not würde ich mich dort hineinwagen."
„Wir werden den Elbenweg nehmen. Er ist noch sicher", meinte Gandalf, worauf Thorin noch einmal angepisster dreinschaute und sich ein Stück vom Tisch entfernte. Er hatte wieder die Arme vor der Brust verschränkt und starrte missmutig drein. Klar, er wusste wer der König dieses Reiches war. Niemand anderes als Elbendiva Thranduil persönlich.
Auch der Hautwechsler fand die Eisprinzessin und ihr Gefolge wohl nicht sonderlich sympathisch, denn er hob besorgt eine seiner monströsen Augenbrauen und fragte: „Sicher? Die Waldelben des Düsterwalds sind anders. Sie sind weniger klug. Dafür gefährlicher."
„Aber Elbenweg klingt doch ganz nett", warf Yara ein, worauf Beorn abfällig schnaubte.
„Dummes Kind", meinte er unwirsch, „in dieser Gegend wimmelt es von Orks und es werden stetig mehr. Und ihr seid zu Fuß unterwegs. Ihr erreicht diesen Wald niemals lebend."
Warum waren denn alle immer so optimistisch hier?
„Acht kommt schon!", jammerte Yara, „Wir sind schon so weit gekommen! Wir sind mit Trollen fertiggeworden, mit Wargen und auch ein paar Orks. Da können wir doch nicht kurz vorm Ziel aufgeben!"
„Sie hat recht", stimmte Fili zu und warf Beorn und seinem Onkel einen vorsichtigen Blick zu, „wenn wir jetzt kehrtmachen, war alles umsonst. Wir werden unsere Heimat nie zurückerobern."
Alle Zwerge sahen Thorin fragend an, nur Bofur schob eine Maus von seinem Ärmel. Unser Gastgeber griff nach dem Tier und hob es vorsichtig hoch. „Ich mag keine Zwerge. Sie sind gierig und blind", verkündete er und streichelte die Maus zärtlich, „Blind für das Leben derer, die sie für geringer halten als ich selbst. Doch Orks hasse ich noch mehr."
Nun blickte er Thorin eindringlich an. „Was braucht ihr?"
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Im Pyjama durch Mittelerde
DiversosUm ihren bestandenen Schulabschluss zu feiern, zelten die drei Freundinnen Charlie, Anna und Yara in einem Schrebergarten am Rand ihrer Heimatstadt. Am nächsten Tag wachen die Mädchen jedoch nirgendwo anders auf als im Auenland. Ausgehungert und ung...