Kapitel 35

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Lilith hatte es gewusst. Nachdenklich ließ sie sich wieder einmal auf dem Dach ihrer Fabrik nieder. Sie kam in letzter Zeit immer öfter her, einfach um in Ruhe nachdenken zu können. Meist ließ sie sogar Justin unten um wirklich für kurze Zeit vollkommen ungestört sein zu können. Auch heute war wieder einer dieser Tage wo sie sich einfach nur vor der Welt verstecken wollte. Einfach einmal allein mit ihren Gedanken, Wünschen und Träumen zu sein, dass hatte ihr am Meisten gefehlt als sie in die Stadt gezogen war. Es war einfach immer jemand da. Allein gab es in einer Stadt wie New York nicht, nicht so wie es in kleinen Städten oder gar Dörfern war. Du bist wie Luft für andere Leute und trotzdem bist du nicht allein. Es sind immer Stimmen um dich herum, es ist immer laut.
Immer wieder wanderten Lilith‘ Gedanken zu ihrem Professor. Dieser verfluchte Mann hatte sie tatsächlich durchfallen lassen, obwohl sie alle Antworten gewusst hatte. Dabei hatte sie ihm nie einen Grund dafür gegeben.
Total in Gedanken versunken hörte sie die Repulsoren nicht, die typisch für Ironman waren.
„Lilith? Was machst du hier oben? Ich dachte du wärst Blade Knight. Ich hätte dich fas angegriffen. Ist alles ok bei dir?“, erst jetzt war ihm aufgefallen, dass Lilith sich nicht bewegt hatte obwohl sie immer eine, und war es eine noch so kleine, Reaktion zeigte. Er machte sich ernsthafte Sorgen um seine ‚Assistentin‘, erstrecht, wenn sie so sehr in Gedanken versunken schien wie grade.
Lilith wusste nicht was sie sagen sollte, vielleicht half es ja, wenn sie ihn einfach ignorierte. Doch als er sich nicht von der Stelle rührte und sie stattdessen das typische Geräusch des sich öffnenden Anzugs hörte schüttelte sie einfach mit dem Kopf. Sofort legte sich eine Hand auf ihre Schulter und aus dem Augenwinkel heraus nahm sie war, wie sich jemand neben sie setzte. Sobald Tony neben ihr an der Kante saß lehnte sie sich gegen ihn. In dem Augenblick indem ihr Kopf seine Schulter berührte versteifte er sich doch nach wenigen Sekunden entspannte er sich wieder. Sie saßen einige Minuten in angenehmer Stille bevor diese erneut von Tony unterbrochen wurde.
„Lilith, willst du mir nicht erzählen was los ist?“, in seiner Stimme lag ehrliche Sorge und beinahe hätte sie geantwortet, doch die Gefühle in seiner Stimme riefen nur uralte Wunden wieder hervor.

„Mom? Wo ist mein Daddy?“
Galene hatte ihre Tochter aus der Schule abholen müssen, da diese auf der Mädchentoilette gefunden wurde, total verheult und nicht in der Lage auch nur ein Wort zu sprechen. Es konnte noch nicht geklärt werden warum Lilith sich auf der Toilette eingesperrt hatte, doch für Galene stand fest, es war nichts Gutes und ihre Tochter war in keinster Weise dafür verantwortlich. Sie konnte sich nicht dazu bringen ihrer kleinen Tochter in die Augen zu schauen. Wie erklärte man einem kleinen Kind, dass es keinen Vater hatte? Galene war bewusst, dass sie dieses Thema nicht für immer verhindern konnte und dennoch wollte sie es so weit nach hinten verschieben wie es nur möglich war.
„Mummy?“ Lilith‘ Stimme füllte das Auto mit Leben, sie war das einzige Geräusch außer denen des Autos. Verzweifelt suchte die Mutter nach Ausreden um das Thema wechseln zu können doch ihre Tochter kam ihr zuvor.
„Mummy, willst du nicht darüber reden? Es ist alles gut Mummy. Ich will nur wissen wo Daddy ist. Die anderen Kinder reden immer über ihre Daddys und dann schauen sie mich so komisch an.“ Galene kamen die Tränen. War sie der Grund warum ihre Tochter so stark geweint hatte, wenn auch nur indirekt? Das würde sie nicht verkraften können.
„Schatz, kannst du mir sagen warum du nicht in den Unterricht gegangen bist, sondern dich auf der Toilette versteckt hast?“ Sofort war der Mutter bewusst, dass ihre Tochter das Thema nicht mochte, doch sie musste unbedingt wissen was vorgefallen war. Langsam versuchte sie dem Ganzen auf die Schliche zu kommen. „Lilith sieh mich an.“, Kurz wartete Galene bevor auch sie kurz die Augen von der Straße nahm. Es war eine einsame Landstraße und es war weit und breit keiner zu sehen. „Hat es etwas mit deinem Daddy zu tun? Fragst du mich deshalb plötzlich ach ihm?“
Schüchtern nickte Lilith und ihrer Mutter war sofort bewusst, dass noch mehr hinter dieser Sache steckte. Doch sie hakte nicht weiter nach. Sie wusste, dass Lilith ihr alles sagen würde. Vielleicht brauchte sie nur noch ein wenig Zeit um selbst darüber nachzudenken.
„Mummy,“, begann Lilith leise und schaute dabei aus dem Fenster. „die anderen Kinder behaupten Daddy wollte mich nicht. Sie haben gesagt er ist gegangen damit er mich nicht sehen muss. Mummy, warum ist Daddy nicht hier? Warum habe ich keinen Daddy wie alle anderen?“
Lilith saß auf ihrem Kindersitz und sah aus dem Fenster, dabei hatte sie sich fast hinter ihren Knien versteckt, wie um die Welt einfach auszusperren. Eine dicke Krokodils Träne bahnte sich den Weg über die Wange des Kindes und die Mutter beschloss anzuhalten. Das war kein Gespräch das man im Auto führen sollte. Sie waren an einer großen Wiese und die Sonne schien. Am Straßenrand stand ein großer Baum der dem Fahrzeug ein wenig Schatten spendete.
Galene schaltete den Motor aus und löste ihren Gurt bevor sie sich um das Auto herumbewegte. Vor Lilith angekommen ging sie in die Hocke um mit ihrer Tochter auf Augenhöhe zu sein.
„Hör mir zu Süße. Egal was die anderen Kinder gesagt haben, es ist nicht deine Schuld. Es gibt viele Kinder ohne Mummy oder Daddy. Das ist vollkommen ok. Du musst dich nicht dafür schämen, dass du keinen Daddy hast. Du kannst nichts dafür. Es ist meine Schuld, dein Daddy weiß nicht das du hier bist.“ Langsam wischte Galene eine weitere Träne aus dem Gesicht ihrer Tochter. „Meinst du wir kommen auch ohne Daddy aus, meine Süße?“ Schwach nickte Lilith bevor sie aus dem Auto kletterte um ihre Mutter in die Arme zu nehmen.

Ein leiser Schluchzer schlich sich über Lilith‘ Lippen als sie an den Tag zurückdachte. Ihre Mutter hatte so liebevoll und doch so besorgt geklungen. Nicht lange nach diesem Tag hat Lilith zum ersten Mal die Schule gewechselt um den Gemeinheiten der anderen Kinder entgehen zu können, doch danach hat es nicht mehr aufgehört. Immer wieder musste sie ihrer Mutter weinend davon berichten wie gemein die Kinder zu ihr waren. Jedes einzelne Mal war die Stimme ihrer Mutter mit nichts als Sorge gefüllt gewesen, genauso wie Tony’s grade. Lilith merkte nicht wie sie anfing zu weinen. Es war einfach alles zu viel. Zu viel Zweifel, zu viele Geheimnisse, zu viele Sorgen, zu viel, zu viel, zu viel. Wie automatisch griffen Lilith‘ Hände in ihre Haare, hielten sich dort fest wie an einem Rettungsboot wärend sie ihre Beine anzog. Sie konnte das einfach nicht mehr, sie brauchte jemanden mit dem sie reden konnte. Wirklich reden konnte. Justin und Shuri waren großartige Zuhörer aber nicht das was sie brauchte. Sie brauchte jemanden der sie tröstet, wenn wieder alles zu viel wurde, der sie beruhigte.
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Blade Knight (On Hold)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt