Teil 170

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ANNA

Nervös saß ich auf dem Stuhl am Besprechungstisch meines Chefs Christian und knetete meine Finger, weil ich sonst nicht wusste, wohin damit. Er war noch in einem Termin und musste jeden Moment hier auftauchen. Yvonne, seine Sekretärin hatte mich freundlicherweise schonmal durchgewunken und mich mit einem Kaffee versorgt. Sie merkte mir meine Nervösität an. „Alles ok, Anna? Keine Sorge, egal, was es ist, was du besprechen willst, er wird dir schon nicht den Kopf abreißen." Sie hatte gut reden, ich wusste genau, wie blöd es war, ausgerechnet jetzt die Kündigung auszusprechen und dass es nicht einfach war, neue Leute zu finden, aber es führte mich kein Weg an diesem Gespräch vorbei. Aufmunternd zwinkerte sie mir zu und verschwand dann wieder geschäftig an ihren Schreibtisch. Sie hatte immer tierisch viel zu tun, war aber trotzdem immer nett und freundlich zu allen und hatte für jeden ein offenes Ohr. Eine Seele von Mensch sozusagen. Die Tür ging schwungvoll auf und ein gestresster, aber trotzdem immer adrett gekleideter Christian trat ein. Er war ein gutaussehender Mann und verstand es, einen mit seinem Lächeln und seiner netten Art noch nervöser zu machen, als man eh schon war. „Entschuldige die kleine Verspätung, Anna, der Termin hat leider ein bisschen länger gedauert, aber jetzt bin ich ganz für dich da." Er legte seine Unterlagen direkt vor sich auf den Tisch ab, lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und lehnte sich in den Stuhl zurück. Puh, warum musste er nur so nett sein, wäre er so ein Arsch von Chef würde mir das hier bestimmt leichter fallen. Ich holte tief Luft, trank einen Schluck aus meiner Kaffeetasse und nahm all meinen Mut zusammen. „Ich habe heute das Gespräch mit dir gesucht, weil ich die Firma zu Ende nächsten Monats verlassen möchte. Es haben sich in meinem Privatleben ein paar Dinge geändert, zum positiven geändert", schob ich schnell ein, da er gleich die Stirn in Falten legte, „ich bin wieder mit dem Vater von Lauri liiert und wir möchten daher so zeitnah wie möglich zu ihm ziehen. Er lebt nicht in Deutschland", fügte ich noch hinzu und fand, dass das zunächst genug Erklärung für meine plötzliche Kündigung sein sollte. Ich machte mich auf einen Wutausbruch, auf Entsetzen oder Vorhaltungen gefasst, doch stattdessen breitete sich allen Ernstes ein breites, aber sehr warmes Lächeln auf Christian's Gesicht aus. „Es ist Samu, nicht wahr? Du wirst wieder nach Finnland gehen, habe ich Recht?" fragte er mit einer Wärme in der Stimme, die mich baff werden ließ. Nie hatte ich offen über die Beziehung zu Samu gesprochen, um ihn und unsere Privatsphäre zu schützen. „Woher...?" brachte ich nur heraus und Christian lächelte immer noch. „Ach Anna, weißt du, du denkst, niemand hier weiß von deiner Beziehung und deinem Leben in Finnland, aber du irrst dich. Die meisten wissen Bescheid, es hat nur niemand etwas gesagt, um dir nicht zu nahe zu treten. Du hast hier immer einen guten Job gemacht und ich bedaure sehr, dass ich dich als Mitarbeiterin verliere, aber glaube mir, als Mensch freue ich mich sehr für dich. Ich habe immer gemerkt, dass du Sehnsucht nach Finnland und deinem Leben dort hast und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wann der Zeitpunkt kommen würde, an dem es dich wieder dort hinzieht und nun ist es also so weit. Und ich freue mich auch für die Kleine, endlich hat sie ihren Papa. Sie ist so eine süße Maus und sieht ihm übrigens wahnsinnig ähnlich", beendete er seine Rede. „Uff...das habe ich nicht gewusst", platzte es erleichtert aus mir heraus. „Alle wussten es? Und ich dachte, ich habe es gut versteckt." Ich errötete leicht. „Wissen deine Eltern schon, dass du Deutschland verlassen wirst?" Damit sprach er leider ein unangenehmes Thema an. Er wusste, dass ich zu meinen Eltern nicht das beste Verhältnis hatte. Betrübt schüttelte ich den Kopf. „Sie verachten Samu aus tiefstem Herzen, weil sie denken, dass er nicht gut für mich ist und ein schlechter Vater ist." Die Einzelheiten verschwieg ich ihm. Schließlich gingen ihn die Umstände unserer Trennung damals nun wirklich nichts an. „Du schaffst das schon und wenn ich dir irgendwie bei dem Schritt in dein neues, altes Leben behilflich sein kann, dann lass es mich wissen, ja? Lass dir nichts einreden, du hast es verdient glücklich zu sein, Anna. Du bist so eine tolle und starke Frau." Nun kamen mir fast die Tränen. Ich schluckte. „Danke", sagte ich mit belegter Stimme und es kam aus tiefstem Herzen. „Fein und für heute machst du Feierabend, ok? Hol deine Kleine aus der Kita, geh mit ihr ein Eis essen und genieß das tolle Wetter, ja?" Mit diesen Worten entließ er mich. Ich musste mich erstmal an den Schreibtisch setzen und das Gespräch sacken lassen. Besser hätte es nicht laufen können. Oh man, war ich erleichtert. 

The right one (Anna & Samu Teil 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt