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Lou's Sicht

,,Ich muss Simba noch füttern'' ertönte die sanfte Stimme meiner Oma, weshalb ich mein Kopf ins Wohnzimmer steckte und sah, wie sie aufstehen wollte. ,,Oma, bleib sitzen.'' eilte ich zu ihr und reichte ihr meine Hand, damit sie einen besseren halt hatte. ,,Simba verhungert bestimmt schon'' setzte sie einen Fuß nach den anderen. Leicht seufzte ich, ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Als wir dann schließlich in der Küche standen, starrte meine Oma auf die Stelle, wo früher die Näpfe vom Kater standen. ,,Mein Armer Simba'' ertönte ihre traurige Stimme, da ihr wieder eingefallen war, dass er seit einem Jahr tot ist. ,,Komm, ich bring dich wieder zur Couch'' war meine Stimme nur ein flüstern.

Sie wurde vor anderthalb Jahren mit Demenz diagnostiziert, weshalb sie immer wieder Sachen vergisst. Seid dem schau ich auch jeden Tag bei ihr vorbei. Sie ist die einzigste, die mir jeden Tag ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann. Sie ist wie meine beste Freundin, ich erzählte ihr alles und hab echt angst, sie zu verlieren. Zwar hatten wir uns auch schon nach einem Altersheim und betreutem Wohnen umgesehen, aber niemand hatte Platz. Sie meinten, sie würden sich melden und somit half ich ihr seit dem im Haushalt.

,,Ruh dich bisschen aus, ich wische eben zu ende durch'' setzte sie sich wieder auf ihre Couch. Ich griff also wieder nach dem Wischmob und wischte dann noch das Wohnzimmer und das Bad. Als ich fertig war, setzte ich mich zu ihr. ,,Danke mein Kind'' drückte sie mich leicht von der Seite, weshalb meine Mundwinkel hoch zuckten. ,,Mach ich doch gerne Oma.'' antwortete ich ihr und nahm dann mein Handy raus. Es war schon 20 Uhr. ,,Ich muss morgen noch einkaufen, brauchst du noch was?'' trug ich ein paar Lebensmittel in mein Handy ein, damit ich die morgen auch nicht vergas.

,,Wäre lieb, wenn du mir Mehl mit bringen würdest. Ich wollte nämlich morgen einen Kuchen backen'' schenkte sie mir ein Lächeln. ,,Okay, mach ich'' stand ich schließlich auf, nachdem ich es eingetragen hatte. ,,Gute Nacht Oma, bis morgen'' wank ich ihr noch zu und ging dann aus der Wohnung raus. Nachdem ich die Wohnungstüre hinter mir geschlossen hatte, atmete ich einmal die angestaute Luft auf.

Mit mulmiges Bauchgefühl lief ich eine Etage höher und hoffte so sehr, dass er noch nicht von seiner Kneipentour zurück war. Als ich den Schüssel im Schloss zwei mal drehen musste, atmete ich erleichtert aus. Zum Glück, dann kann ich wenigstens noch in ruhe duschen gehen. Als ich das Licht anschaltete, während ich meine Schuhe auszog, sah ich direkt die unaufgeräumte Küche. Och nö. Augenverdrehend, griff ich nach dem dreckigen Geschirr und schmiss es in die Spülmaschine. Auch die Arbeitsplatte wusch ich noch ab und ging dann in mein Zimmer. Es war nicht wirklich groß. Es passte gerade so ein Bett, ein Kleiderschrank und ein kleiner Schreibtisch rein, den ich auch als Schminktisch benutzte.

Lustlos griff ich nach sauberer Unterwäsche und einer Schlafhose, mit einem Shirt und machte mich dann auch den Weg ins Bad. Die Türe schloss ich hinter mir und griff dann nach dem kaputten Besenstiel, den ich immer an die Türklinke machte, damit niemand, also mein Dad, rein kam. Ich würde ja abschließen, den Schlüssel hatte er jedoch verschlammt.

Gerade als ich den Schaum aus meinen Haaren raus wusch, hörte ich lautes gepolter. Warum war er jetzt schon da? Hätte er nicht kommen können, wenn ich schlafe? Dann hätte ich ihm wenigstens nicht mehr über den Weg laufen müssen. Ich stellte also das Wasser aus und wickelte meinen Körper in ein Handtuch. Schnell trocknete ich mich ab und schlüpfte dann in meine Anziehsachen.

Als ich die Schlafhose anzog, bemerkte ich, dass es eine ältere war, die mir nun zu groß war. Ich hatte zu dem Zeitpunkt, wo meine Oma diagnostiziert wurde ein ganzes Stück mehr gewogen und nun wiege ich 15 Kilo weniger und habe einen Körper, den sich viele Mädchen wünschen. Das war aber auch schon alles, was andere sich wünschen wie ich zu haben. Ich schnürte sie also enger und nachdem ich meine Zähne geputzt hatte, trat ich aus dem Bad.

Mein Dad stand taumelnd am Herd und schien, als würde er sich irgendwas anbraten. ,,Vielleicht solltest du nicht so viel trinken, dann würde das alles auch besser funktionieren'' konnte ich es mir nicht verkneifen, da er versuchte die Würstchen in der Pfanne zu drehen. ,,Rede nicht in so einem Ton mit mir'' zischte er und drehte sich energisch zu mir und direkt schlug mein Herz bis zum Hals und es bildete sich ein Klos in meinem Hals. ,,Du bist die Frau hier, Frauen gehören in die Küche'' sagte er verächtlich und kam taumelnd auf mich zu. ,,Bitte?'' konnte ich meinen Ohren nicht trauen. Ich hasse solche Aussagen.

Doch bevor ich überhaupt noch was sagen konnte oder tun konnte, da flog auch schon mein Kopf mit voller Wucht zur Seite und meine Wange fing an höllisch zu brennen. ,,Sei nicht so Frech Madam.'' sah er mich sauer an und machte sich auf den Weg in sein Schlafzimmer. ,,Und jetzt brat mir die Würstchen an.'' rief er noch bedrohlich.

Meine Hand lag auf meiner Wange und ich versuchte den Schmerz und die Tränen in meinen Augen zu ignorieren. Es war schon zur Gewohnheit geworden, dass ich jeden Tag mindestens eine Backpfeife bekam und trotz dessen gewöhnt man sich nicht dran, auch nicht nach fast 3 Jahren. Kurz Atmete ich einmal tief ein und wieder aus, um mich etwas zu beruhigen. Zwar könnte ich ihn mit Leichtigkeit ausknocken, erst recht wenn er betrunken und high ist, weil ich Kickboxen machte, doch trotz dessen ist er noch mein Dad und auch wenn er jetzt so war, ist er tief in seinem Inneren nicht dieses Arschloch, beziehungsweise wenn er nicht betrunken ist.

Da ich keine Lust hatte, noch mehr Schläge oder sonst was zu kassieren, drehte ich die Würstchen in der Pfanne und brachte ihm die dann, als sie fertig waren. ,,Das hat aber lange gedauert'' bemerkte, was ich jedoch gekonnt ignorierte. Als ich es vor ihm auf dem Beistelltisch neben den ganzen Bierflaschen und Pillendosen absetzte, bemerkte ich deutlich seinen Mundgeruch, der mich fast zu Kotzen brachte. Es ist einfach traurig, was aus ihm geworden ist, nachdem meine Mum mit einem anderen durchgebrannt ist und uns zurück gelassen hat.

Ohne noch irgendein Wort zu sagen, lief ich mit schnellen Schritten in mein Zimmer. Ich schloss mich wie immer ein und cremte mich dann wie jeden Abend ein. Ich hoffte einfach, dass ich morgen keinen blauen Fleck hatte, denn ich hatte einfach kein Bock mir so viel Schminke am morgen ins Gesicht zu schmieren. Mit einem lauten Seufzer lies ich mich schließlich in mein Bett sinken und zog die Decke über meinen Körper.

Ich wollte so unbedingt von hier abhauen und theoretisch ginge das auch, aber ich war in meinem letzten Jahr und dann würde ich eh ans College gehen und somit wäre ich so oder so hier raus. Außerdem wollte ich meine Oma nicht alleine lassen, doch wenn sie bald einen Platz im Altenheim oder betreutem Wohnen bekam, sähe dass alles ganz anders aus.

Hab euch lieb ❤️
Eure Josy 💕

stay or goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt