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Montag

Heute hatte ich besonders schlechte Laune, ob es an dem Montag oder meinem Entschluss lag, wusste ich nicht genau, doch es lag wahrscheinlich an beidem. Nachdem ich dann meine Morgenroutine erledigt hatte, schlüpfte ich noch in meine Kleidung und schminkte mich noch etwas, als ich mich dann schließlich auf den Weg machte.

Geschickt parkte ich in der Parklücke und stieg dann aus. Wie früher setzte ich mein emotionslosen Blick auf und machte mich auf den Weg ins Gebäude. Als ich den Schulhof betrat, merkte ich genau die Blicke von Lin und den Jungs auf mir, doch als ich nicht die Anstalt machte zu ihnen zu gehen, sondern das Gebäude weiter fokussierte, rief Lin nach mir. ,,Lou? Hallo? Wir sind hier?'' hatte sie einen belustigten Unterton, doch ich ignorierte sie, auch wenn es in meinem Herzen zog. ,,Lou?'' hörte ich nun auch Diegos Stimme, als er mich auf einmal am Handgelenk fest hielt und mich zu sich zog. ,,Hast du uns nicht gesehen?'' legte er den Kopf leicht schief und lächelte mich an. Ich kämpfte mit mir, nicht in seine Arme zu fallen und ihm nicht alles zu erzählen, den ich konnte und durfte nicht. Schweigend sah ich ihm in die Augen, während sein Lächeln langsam bröckelte.

,,Ist alles in Ordnung? Hab ich was falsch gemacht?'' fragte er schließlich besorgt und legte seine Hand an meine Wange, was direkt das kribbeln in mir entfachte, doch ich schüttelte den Kopf und entfernte seine Hand von meiner Wange. ,,ich muss zum Unterricht'' krächzte ich und flüchtete dann beinahe vor ihm ins Gebäude. Es zerriss mein Herz ihn so zu sehen. Wie er mich angesehen hatte, als ich seine Hand weg gemacht hab, war einfach zum heulen. Mit Tränen in den Augen schlängelte ich mich durch die ganzen Schüler und lies mich dann im Klassenraum auf meinem Platz fallen und kurz darauf tauchte Lin neben mir auf. ,,Was ist los?'' sah sie mich besorgt an und ich musste echt meine Tränen zurück halten um nicht direkt drauf los zu heulen. ,,Nichts, lass es einfach gut sein'' sagte ich emotionslos, richtete mich nach vorne und ignorierte ihre verwirrten, besorgten und nachdenklichen Blicke.

Bis zur Pause durchlöcherte mich Lin mit ihren Blicken und es machte alles nur noch schwerer. ,,Kommst du mit in die Cafeteria?'' sah sie mich fragend an und ich sah ihr genau an, dass es ihr weh tat, wie ich sie behandelte. Ich war nicht so ein Mensch, aber was soll ich denn bitte machen? Warten bis mein Vater mich tot schlägt, wen ich weiterhin mit ihr befreundet bin? Irgendwann würde dass alles dann raus kommen und Vater wäre ganz und gar nicht begeistert davon. ,,Nein, geh nur'' packte ich meine Sachen in meine Tasche. Ich merkte noch, wie sie mir einen prüfenden Blick zu warf und dann verschwand sie mit schnellen Schritten.

Völlig in Gedanken lief ich nach unten, als Diego auf einmal vor mir auftauchte. ,,Können wir bitte reden?'' sah er mich bittend an, doch ich schüttelte den Kopf. ,,Ich muss zum Lehrerzimmer'' log ich, doch er griff nur nach meiner Hand und zog mich mit in eine Abstellkammer. ,,Ich will nicht reden Diego'' sagte ich und musste echt meine tränen zurück halten. Was war das bitte für ein Tag bis jetzt? ,,Gut, dann rede ich und Du hörst zu'' drehte er mir kurz den Rücken zu und nachdem er sich wieder zu mir gedreht, sah er mir geradewegs in die Augen. Mein Herz hämmerte wie wild gegen meine Brust und das kribbeln in meinem Körper nahm auch wieder zu, doch ich kämpfte dagegen an.

,,Ich weiß nicht was ich falsch gemacht habe, aber es tut mir leid. Ich will einfach wissen was los ist. Ich will für dich da sein, okay? Ich mag dich Lou, sogar mehr'' sah er mir wahrheitsgemäß in die Augen, doch das ganze zerriss mein herz nur noch mehr. Ich wollte ihm nicht weh tun, aber ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich musste mich selbst schützen. ,,Ich muss wirklich zum Lehrerzimmer'' versuchte ich raus zu gehen und gerade als ich die Türe öffnete, musste ich inne halten. ,,Ich liebe dich'' ich konnte mich nicht rühren. Mein Herz schrie mich an, dass ich mich umdrehen solle, es erwidern soll und ihn dann küssen soll, doch mein Kopf schrie einfach renn und das tat ich auch. Ich nahm meine Beine in die Hand und rann einfach. Immer weiter und immer weiter. Ich sah kein einziges mal zurück, ich konnte nicht. Ich konnte mir nicht ansehen, wie ich ihn verletzt hatte, ich wollte es einfach nicht sehen.

Erst als ich am Auto war, stoppte ich und lies mich außer Atem und mit Tränenden Augen auf den Sitz fallen. Es könnte so anders sein, aber ich hatte Angst, einfach Angst. Ziemlich lange saß ich hier, obwohl schon längst die nächste Stunde angefangen hatte, als auf einmal die Türe des Schulgebäudes aufging und Diegos hinaus kam. Er sah alles andere als glücklich aus und es war allein meine Schuld. Er tritt einmal aggressiv gegen die Mülltonne, die dann ein paar Meter weiter flog, raufte sich mehr Mals die Haare und lief dann Richtung Parkplatz. Ich rutschte immer weiter in meinen Sitz, als er schließlich an seinem Auto war und einstieg, ging auf einmal mein Handy.

,,Hallo?'' fragte ich in den Hörer, da es eine Nummer war. ,,Sprach ich da mit Lou Brown, der Enkelin von Ulrike Brown?'' fragte die männliche Stimme und direkt war ich hellhörig und meine ganzen Sorgen waren kurz wie weg geblasen. ,,Ja, ist alles in Ordnung mit ihr?'' fragte ich panisch in den Hörer. ,,Ihre Großmutter hatte ein Herzinfarkt, aber sie ist nun stabil'' sagte der Mann, doch ich musste diese Information erstmal verarbeiten. ,,Sie ist hier im Krankenhaus, welches direkt an dem Betreutem Wohnen ist'' hörte ich den Mann wieder sagen. ,,Ich bin gleich da'' sagte ich völlig in Trance, beendete das Telefonat und fuhr schneller als es die Geschwindigkeitsschilder überhaupt zuließen.

Völlig aufgelöst lief ich ins Krankenhaus, als direkt ein Mann auf mich zu kam. ,,Sind sie Lou Brown?'' fragte er, weshalb ich nur ein Nicken zu stande brachte. ,,Folgen sie mir'' setzte er sich in Bewegung, weshalb ich ihm schnell folgte. Der Weg zog sich immer und immer weiter, bis wir schließlich vor dem Zimmer standen, wo wir auf die Chefin des betreuten Wohnens stießen. Nachdem wir uns begrüßt hatte, sahen mich nun beide an. ,,Was ist noch?'' fragte ich ängstlich, ich wollte es eigentlich gar nicht wissen. ,,Ihr geht es ziemlich schlecht. Sie konnte sich gestern nicht einmal dran erinnern, dass sie bei uns im betreutem Wohnen wohnt. Sie ist jetzt wach, aber weiß nicht wo und warum sie hier ist. Ihr Demenz ist deutlich fortgeschritten'' klärten sie mich auf, was mir direkt Tränen in die Augen schießen lies. ,,Kann ich zu ihr?'' lief mir eine Träne über die Wange und nach einem Nicken von dem Arzt, brachte er mich hinein.

,,Hey, wie gehts dir?'' fragte ich vorsichtig, doch sie sah mich nur fragend an. ,,Wer sind sie? Und wo bin ich hier?'' sah sie ängstlich durch den Raum, weshalb ich mir einen Stuhl näher zu ihrem Bett zog und nach ihrer Hand griff. ,,Ich bins Lou, deine Enkelin'' sah ich sie aus glasigen Augen an, doch sie musterte mich nur verwirrt. ,,Charlotte?'' sprach sie mich auf einmal mit den Namen meiner Mutter an und entriss mir dann ihre Hand. ,,Raus hier, ich will dich nicht sehen'' rief sie sauer, weshalb ich sie geschockt ansah und eine Träne meine Wange runter kullerte, die ich direkt weg wischte. ,,Verschwinde'' rief sie, weshalb ich erschrocken aufstand und den Arzt ansah, der das alles mitleidig mit ansah. ,,Geben wir ihr ein bisschen zeit'' deutete er mit den Kopf nach draußen, weshalb ich kaum merklich nickte und ihm dann raus folgte.

,,Ich kann ihnen nichts versprechen, aber es sieht abgesehen von der Demenz alles gut an.'' meinte er und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, doch mir war ganz und gar nicht nach Lächeln. ,,Ich schau später noch mal nach ihr'' mit diesen Worten verschwand er und lies mich alleine zurück. Mit einem mal kam alles hoch, weshalb ich mir kurzerhand auf einen der Stühle nieder lies und einfach vor mich hin weinte. Wie konnte alles so schnell kaputt gehen. Ich habe Lin verloren, Diego habe ich erst recht verloren und meine Oma inzwischen auch, obwohl sie der einzigste Mensch war, der von Anfang an für mich da war.

Hab euch lieb ❤️
Eure Josy 💕

stay or goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt