33 - Arcadia, und nun?

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Als ich vorsichtig blinzele, kann ich erkennen, dass bereits die ersten Sonnenstrahlen durch das kleine Fenster fallen. Für einen Moment schließe ich meine Augen wieder und atme tief ein und aus. Mein Körper fühlt sich schwer an. Langsam winkele ich mein Knie an. Aua. Ich strecke es wieder aus. Aua. Schmerzhaft wird mir bewusst, wie untrainiert ich eigentlich bin. Mit einem grimmigen Seufzen richte ich mich auf und lasse meine Beine von der Bettkante baumeln. Meine Oberschenkel brennen. Ich nehme mir vor, unabhängig von der Regelmäßigkeit unserer Trainingseinheiten mindestens zweimal pro Woche Laufen zu gehen. Abgesehen von der Steigerung meiner körperlichen Fitness bietet das auch eine gute Gelegenheit zum Abschalten und Nachdenken.

Schließlich erhebe ich mich. Beim Anziehen stelle ich fest, dass auch meine Arme nicht ganz unbeschadet aus der ganzen Sache herausgekommen sind. Ich taste nach meinem Bizeps, naja, eher nach der Stelle, an der mein Bizeps sein sollte. Die Haut fühlt sich weich an, wenngleich die wenigen darunter liegenden Muskeln auf schmerzhafte Art und Weise auf sich aufmerksam machen. Oberkörpertraining war noch nie mein Ding gewesen - schließlich wollte man doch als Frau nicht zu breit, beziehungsweise maskulin wirken. Ich schätze die einzige gute Nachricht hier ist, dass gesellschaftliche Schönheitsideale in einer post-apokalyptischen Welt nichts mehr bedeuten. Hier zählt nur das Überleben. Und dafür sind ein paar Muskeln an den richtigen Stellen ganz sicher hilfreich. 

Ich sehe auf die Uhr, es ist kurz nach halb Acht. Tapfer setze ich einen Schritt vor den anderen und erreiche bald die Küche. Es ist still, die Männer sind vermutlich schon beim Training. Gedankenverloren betrete ich den Raum und erschrecke beinahe, als ich Claire an einem Tisch im hinteren Eck sitzen sehe. Von der Türe aus war sie nicht zu erkennen. Als sie mich bemerkt, hebt sie leicht den Kopf und sieht mich an.

"Guten Morgen, Dana! Hast du gut geschlafen?" Ihre Stimme ist leise, sie klingt müde.

"Morgen, Claire! Gut, danke, und selbst?" 

Sie nickt. Schweigend durchquere ich den Raum, und gieße mir eine Tasse Kaffee ein. "Stört es dich, wenn ich mich zu dir setze?" Sie schüttelt den Kopf und schiebt mir mit ihrem Fuß den ihr gegenüberliegenden Stuhl entgegen. Ich ergreife die Lehne und setze mich. Sie scheint in Gedanken verloren zu sein, daher beschließe ich, erst einmal in Ruhe meinen Kaffee zu trinken. Er ist bereits lauwarm, sie scheint wohl schon eine Weile hier zu sitzen. Während ich trinke lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Schließlich bleibt er an unserem strategischen Board hängen. Der Name White Board ist nicht mehr wirklich zutreffend, da die Tafel doch schon ziemlich vergilbt ist. Irgendetwas ist anders, manche Zeichnungen sind neu. Chris hat uns hier vor einigen Tagen noch unseren Einsatz im Tesla Werk erklärt. Ich erkenne das Camp, die verlassene Stadt, die Minen. Jemand, vermutlich Claire, hat rote Fragezeichen auf der Karte hinterlassen. Ich kneife die Augen zusammen und denke nach. Schließlich leere ich meine Tasse und drehe mich wieder zu Claire um.

"Darf ich fragen, was du da eingezeichnet hast? Was bedeuten die Fragezeichen?"

Sie schiebt ihre Tasse zur Seite und atmet hörbar ein und aus, ehe sie mich ansieht. "Das", sie deutet mit dem Kopf auf die Karte, "Sind potentielle Nahrungsmittelquellen." Sie macht eine kurze Pause. "Naja, ich mache mir eben Sorgen, weißt du. Natürlich haben wir noch genug zu Essen für bestimmt zwei Wochen, aber man kann eben nicht vorsichtig genug sein. Mit den ganzen Viechern da draußen wäre es ja wohl mehr als bitter, wenn wir hier elendig verhungern würden."

Augenblicklich fühle ich mich schuldig, dass Piers neulich eine Packung Kekse hat mitgehen lassen. Beim Gedanken an ihn muss ich unwillkürlich lächeln. Als ich in ihr ernstes Gesicht blicke, bemühe ich mich schnell wieder um einen gelassenen Ausdruck.

"Meinst du nicht, dass wir nach dieser Mission erst ein mal ein wenig Ruhe verdient haben?", frage ich vorsichtig. 

Kaum dass ich diese Worte ausgesprochen habe, bereue ich sie auch schon. Sie schnaubt, richtet sich auf und sieht mich unvermittelt an.

Afterlife (Resident Evil FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt