22 - Stunde der Wahrheit

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Immer noch etwas erschöpft folge ich Finn den Gang entlang. Keiner von uns spricht, was mir ganz recht ist. Als wir uns der Tür zum Maschinenraum nähern kann ich bereits die Speicher auf dem Gang stehen sehen. Finn beschleunigt seine Schritte und ich folge ihm. Als wir die Tür erreichen hält er unvermittelt an und grinst.

„Voila, ma Cherie!" Er macht eine ausladende Handbewegung um mir die Speicher zu präsentieren als wären es Trophäen. Gewissermaßen sind sie das auch.

Ich lächele und reibe mir die Augen. Für einen Moment erscheint mir dieser Augenblick unerklärlich surreal. Ich blinzele und schüttele den Gedanken ab.

„Seit wann sprichst du französisch?" Ich lächele ihn spöttisch an.

Er schmollt demonstrativ, dann lacht er und schiebt mich durch den Türrahmen ins Innere. Vor der alten Batterie kommen wir zum Stehen. Sein Grinsen wirkt fast ein wenig zu eifrig, was mich misstrauisch werden lässt.

„Spuck es aus, Finn!" Mit leicht schief gelegtem Kopf sehe ich zu ihm empor. Seine Augen funkeln und er lässt mich einige Sekunden lang im Ungewissen.

„Du – du hast gesagt, dass ich die alte Batterie haben kann... richtig? Also, sofern die Speicher funktionieren. Und sie werden funktionieren!"

Den letzten Satz fügte er beinahe hastig hinzu und ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen.

„Die Batterie gehört ganz dir, wenn mich jemand fragt ich weiß von nichts!"

Ich werfe ihm einen verschwörerischen Blick zu. Langsam kehrt die Kraft in meinen Körper zurück. Energisch trete ich einen Schritt in Richtung der Batterie und klatsche in die Hände.

„Also, dann mal los! Zuerst müssen wir die alte Batterie mitsamt der dazugehörigen Kabel entfernen..."

Als ich noch näher herantrete stelle ich fest, dass das bereits geschehen ist. Erstaunt drehe ich mich zu ihm um. Er erwidert meinen Blick mit einem triumphalen Lächeln.

„Hab ich dir eigentlich mal erzählt, dass ich Elektriker werden wollte?" Er sah sich kurz um – „Also, bevor all das hier – passiert ist." Er verstummt für einen Moment und sieht zu Boden.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mir nicht die ganze Wahrheit erzählt, doch ich halte es für taktvoller, nicht nachzufragen. Stattdessen lächele ich ihn dankbar an.

„Das sieht nach ganzer Arbeit aus, Finn!" Nach einer kurzen Pause füge ich zögerlich hinzu: „Ich mir sicher, dass du ein ausgezeichneter Elektriker geworden wärst!"

Seine Nase kräuselt sich. Obwohl er sich redlich bemüht kann ich deutlich spüren, dass ihm die Situation unangenehm ist. Schnell drehe ich mich wieder um und studiere die Kabel.

„Naja, immerhin kann ich hier ein wenig von Nutzen sein – stimmts wohl?"

Ein Hauch von Trotz schwingt in seiner Stimme mit. Irritiert drehe ich mich zu ihm um.

„Ein bisschen? Jetzt untertreibst du aber."

Seine Miene erhellt sich und wir beginnen damit, die Speicher anzuschließen.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Wir haben fast stumm voreinander hingearbeitet und mittlerweile schon den zweiten Speicher angeschlossen. Während des Arbeitens ging mir permanent dieser Gedanke durch den Kopf, den ich schon eine ganze Weile mit mir herumtrage.

„Finn.." beginne ich zögerlich, „Ich – ich hatte, habe – eine Idee. Also, die Mission. Du hast ja gesehen, dass ich an meine körperlichen Grenzen gekommen bin." Während ich spreche wird meine Stimme immer leiser, ich bin mir nicht mehr so sicher, dass das eine gute Idee ist. Unentschlossen betrachte ich das Werkzeug in meinen Händen.

Finn sieht mich an, ein breites Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus.

„Dana, alles andere hätte mich auch mehr als verwundert! Ich meine, du bist klasse und alles, aber du bist kein ausgebildeter Soldat, geschweige denn Elitekämpfer."

Amüsiert sieht er mich an. Ich hebe kurz meinen Blick um ihm in die Augen zu sehen, bevor ich ihn wieder senke und erneut meine Hände betrachte.

„Ich weiß", erwidere ich rasch.

Bevor ich zu viel überlegen kann beschließe ich, dass es das Beste sein wird, einfach mit der Wahrheit raus zu rücken.

„Das möchte ich ändern, Finn! Ich habe mir überlegt ob es nicht sinnvoll wäre, wenn ich auch anfange zu trainieren?"

Er mustert mich nachdenklich.

„Ich glaube nicht, dass Chris sonderlich begeistert davon wäre, wenn du in Zukunft mit uns trainierst. Du hast gesehen wie sehr er gezögert hat, dich auf die letzte Mission mitzunehmen. Ich denke außerdem, dass das auch so keine gute Idee ist. Ohne dich beleidigen zu wollen – aber dein Trainingsstand ist bei weitem nicht auf unserem... Level."

Mit einer Mischung aus Mitleid und Besorgnis sieht er mich an. Ich erwidere seinen Blick und beginne zu Lachen, was ihn mit einem irritierten Gesichtsausdruck zurücklässt.

„Oh Finn", beginne ich, „Wer sagt denn, dass ich mit euch trainieren möchte? Du sagst selbst, dass das Quatsch ist!" Ich lache kurz. „Nein, Finn. Ich dachte eher an ein Basistraining für Frauen. Oder generell für die weniger – also für die – normalen Leute, denen es an Kampferfahrung fehlt. Ich meine, in Zeiten wie diesen kann es nie schaden zu wissen wie man eine Waffe bedient. Oder wie man sich im Nahkampf gegen diese – was auch immer sie sind, behauptet."

Einen Moment lang herrscht Stille, dann sieht er mich an.

„Okay, sagen wir mal, ich stimme dir zu. Wer soll dieses – Training – leiten? Wie oft soll es stattfinden, wie hast du dir das vorgestellt?"

Er hält inne und eine kleine Falte bildet sich auf seiner Stirn. „Dana!"

Ich grinse und sehe zu Boden. „Ich – ich dachte, dass vielleicht, also unter Umständen..."

Entschlossen mache ich einen Schritt vorwärts, und sehe ihn unvermittelt an.

„Schau mal, Finn... Das wäre wirklich – hilfreich. Du würdest nicht nur mir einen Gefallen tun, du würdest – also noch mehr als du es eh schon tust – das Überleben unserer Gruppe sichern!"

Ich kann sehen, wie sich die Zahnräder in seinem Kopf zu drehen beginnen. Um ihn nicht zu sehr bedrängen zu wollen wende ich mich wieder von ihm ab und beginne die restlichen Kabel anzuschließen.

„Du kannst es dir ja wenigstens mal überlegen, okay?"

Er brummt etwas unverständliches und wir machen uns wieder an die Arbeit.

Die Zeit vergeht wie im Flug und durch das kleine vergitterte Fenster des Raumes kann ich erkennen, dass die Dämmerung bereits hereingebrochen ist. Finn überprüft schweigsam die Verkabelung des dritten Speichers. Als er seine Arbeit beendet hat dreht er sich langsam zu mir um.

„Das sollte es gewesen sein!" Er grinst und wischt sich mit seinem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Obwohl er lächelt sehe ich ihm die Erschöpfung an.

„Sieht gut aus!", erwidere ich mit einem prüfenden Blick. „Also, jetzt wird es spannend, bereit?"

Er nickt. Gemeinsam begeben wir uns zur Steuereinheit der Solaranlage. Mein Finger verharrt über dem Knopf, etwas scheint mich zurückzuhalten. Finn tritt ungeduldig von einem Bein auf das andere, schließlich fasst er sich ein Herz, legt seine Hand auf meine wodurch wir den Knopf gemeinsam betätigen. Für einen Augenblick lang tut sich nichts, wir starren beide wie gebannt auf die Konsole. Dann leuchtet eine grüne Lampe auf.

„Es funktioniert, es funktioniert!" Aufgeregt springe ich auf und ab. Finn atmet hörbar aus, bevor er mich schwungvoll abklatscht.

Spürbare Erleichterung erfüllt den Raum.

„Mensch, Dana! Wir haben es tatsächlich geschafft. Wir – du und ich – wir alle!"

Gemeinsam betrachten wir einen Moment lang unser Werk.

„Los, lass uns Claire und den anderen Bescheid geben!", dränge ich ungeduldig.

Afterlife (Resident Evil FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt