26 - Von Männern und der Bürde zu führen

65 5 2
                                    


 „... und daher möchte ich euch darüber informieren, dass die Stromversorgung des Camps bis auf weiteres gesichert ist. Und apropos, wer hat Lust auf ein Basistraining 'Überleben 1x1'mit unserem lieben Finn?"

Claire schüttelt den Kopf.

„Das ist doch alles Blödsinn!", schimpft sie.

Unermüdlich geht sie im Besprechungsraum auf und ab, sodass ich selbst allmählich unruhig werde. Ich nehme einen Schluck Kaffee und sehe sie an. Hektisch erwidert sie meinen Blick und läuft an mir vorbei. An der Ecke des Raums macht sie kehrt, bleibt stehen und sieht zur Decke.

„Da oben wirst du deine Antwort nicht finden!" Ich lache und erhebe mich. „Claire, ich verstehe nicht, wieso du überhaupt so nervös bist. Die Leute vertrauen dir. Du bist Chris Schwester, wir haben schon so viel zusammen durchgestanden."

Ich suche ihren Blickkontakt und fixiere sie mit meinen Augen. Dann laufe ich auf sie zu und ergreife sanft ihren Arm.

„Hey, Claire! Ich bin's, Dana! Und ich sage dir, es ist alles in bester Ordnung!" Ich lache. „Okay, nichts ist in Ordnung, aber dafür, dass nichts in Ordnung ist geht es uns im Moment ausgesprochen gut, okay?"

Sie sieht mich aus ihren grünen Augen an, ihre Gesichtszüge sind angespannt. Auf einmal senkt sie den Kopf und wirkt betreten.

„Weißt du, Dana, ich habe mir das alles nicht ausgesucht. Keiner hat mich zum Anführer gewählt, niemand hat gefragt ob ich mit dieser Rolle zurechtkomme...".

Sie scheint nach Worten zu ringen. Ich packe ihren Arm fester und sehe sie erneut an.

„Keiner von uns hat – das – hier gewollt, glaub mir. Aber du gibst den Menschen Hoffnung! Sie sehen etwas in dir, und deswegen spielt es keine Rolle ob du gewählt wurdest. Ich verstehe, dass die ganze Situation dich mitunter überfordert, aber ich glaube an dich! Und außerdem bist du ja nicht alleine, du hast mich, deinen Bruder, das Team. Wir halten zusammen!"

Langsam kehrt die Entschlossenheit in ihren Blick zurück, die ich am Anfang unseres Gesprächs vermisst hatte. Ich lächele zufrieden und lasse ihren Arm los.

„Also, jetzt hör bitte auf, hier im Kreis zu laufen, das macht mich nervös! Setz dich lieber zu mir und trink noch eine Tasse Kaffee. Oder angesichts deines Bewegungsdranges vielleicht doch lieber Wasser oder Tee."

Ein Lächeln breitet sich auf ihren Gesichtszügen aus. Meinen letzten Satz außer Acht lassend füllt sie sich eine Tasse mit Kaffee und setzt sich mir gegenüber an den Tisch. Sie umfasst das Gefäß mit beiden Händen und bläst vorsichtig in die heiße Flüssigkeit. Da mein Kaffee bereits kalt ist trinke ich den letzten Schluck und stelle die Tasse vor mich auf den Tisch. Eine Weile sitzen wir uns schweigend gegenüber. Vermutlich geht sie im Kopf ihre Ansprache für später nochmal durch. Ich nehme diese Gelegenheit zum Anlass, über die gestrige Nacht nachzudenken. Unvermeidlich muss ich grinsen. Dass Piers so selbstsicher und dominant aufgetreten ist hätte ich nicht erwartet. Im Gegensatz zu unserem ersten Erlebnis wirkte es dieses Mal beinahe so, als hätte er mich benutzt. Mein Grinsen wird breiter und ich muss mich bemühen, nicht allzu auffällig zu wirken. Trotzdem gönne ich mir noch für einen Moment die gestrigen Ereignisse vor meinem inneren Auge ablaufen zu lassen. Ich seufze. Unwillkürlich kratze ich mich mit einem Finger an der Nase. Als ich aufgewacht bin – in Piers Zimmer wohl gemerkt – war dieser bereits verschwunden. Vermutlich, weil er zum Training musste, rede ich mir ein.

Als Claire ihre Tasse unerwartet heftig auf den Tisch knallt werde ich aus meinen Gedanken gerissen.

„Also gut, Dana! Eigentlich gibt es im Moment wirklich keinen Grund nervös zu sein. Das wichtigste Problem haben wir in den Griff bekommen, und an allen weiteren arbeiten wir weiterhin!"

Afterlife (Resident Evil FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt