Kapitel 25

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Es war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. „Weil du nicht lieben kannst!" Ihre Worte hallten in seinem Kopf schon seit Minuten umher. Tom war hinausgelaufen, in den verbotenen Wald und hatte sich auf einen Stein gesetzt. Er brauchte jetzt Zeit für sich und wollte niemanden bei sich haben. Sie hatte gesagt, er würde nicht lieben können, stimmte das? Liebte er? Tom wusste es nicht. Er hatte sich lange Zeit zugesprochen, dass er sich nicht in dieses Mädchen verliebt hatte. Warum hätte er sich auch in sie verlieben sollen? Was war an Hermione Hanson denn so besonders? „Alles!" rief eine schrille Stimme in seinem Unterbewusstsein. Diese Stimme, die schon vor Wochen herumgebrüllt hatte, diese Stimme die ihm geraten hatte Hermione zum Ball einzuladen. Diese verdammte Stimme, die ihn jetzt in diese Lage gebracht hatte, indem sie ihm geraten hatte Hermione seine Liebe zu gestehen. Wie konnte sie es wagen, ihn anzuschreien und zu sagen, er könnte nicht lieben. Dazu hatte sie kein Recht!

Sie kannte ihn schließlich noch nicht lange genug um über ihn beurteilen zu können. Oder vielleicht doch? Schließlich hatte sie seine jahrelange Befürchtung ausgesprochen. Er konnte nicht lieben. Tom wusste nicht, ob er fähig war zu lieben, oder nicht. Er kannte keine Liebe, woher auch? Seine Mutter war bei seiner Geburt einfach von ihm gegangen. Als er noch jünger war, hatte er sie für alles verantwortlich gemacht und war der festen Überzeugung gewesen, dass sie gestorben war, weil sie sich nicht mit ihm herumplagen wollte. Mittlerweile wusste er es besser. Eigentlich war es nicht die Schuld seiner Mutter, schließlich hatte sein Muggelvater sie vor die Tür gesetzt. Es hatte ihn wahrscheinlich nicht einmal interessiert, dass Merope Gaunt gestorben war und er hatte sich nie darum geschert, dass er einen Sohn hatte, der sogar nach ihm benannt worden war.

Tom hatte dadurch nie erfahren, was Liebe oder auch nur Zuneigung war. Alle hatten ihn von Anfang an komisch angeguckt, nur weil er anders war. Besonders. Die anderen Kinder im Waisenhaus hatten ihn schikaniert und ihm wehgetan. Zumindest so lang, bis er den Spieß umgedreht hatte. Diese Kinder aus dem Waisenhaus und sein Vater, waren wahrscheinlich der Grund dafür, dass er Muggel so hasste. Aber rechtfertigte das auch sein Verhalten den Muggelgeborenen und Muggeln gegenüber? Nein, das wusste er. Aber es tat gut zu wissen, dass es Menschen gab, die er dafür verantwortlich machen konnte, es tat gut jemanden zu hassen, fand er.

Der Stein, auf dem Tom saß wurde allmählich kalt und so beschloss er zurück ins Schloss zu gehen. Die Nacht war nicht so verlaufen, wie er es geplant hatte. Ganz und gar nicht!
Was sollte er bloß tun? Hermione hasst ihn doch bestimmt. „Natürlich tut sie das, du Idiot!" flüsterte diese Stimme aus seinem Unterbewusstsein. „Du hast Pete gefoltert. Vor ihren Augen. Das wird sie nicht vergessen und ob sie es dir verzeiht..." murmelte sie gehässig. Wütend schlug er gegen eine Wand. Diese Stimme war wirklich lästig!

Als Tom am nächsten Morgen aufwachte, wusste er erst nicht mehr, was passiert war. Er hatte nur das Gefühl, dass irgendetwas ganz und gar nicht nach Plan gelaufen war. Dann prasselten auch schon alle Ereignisse der vergangenen Nacht auf ihn ein. „Scheiße." murmelte Tom und rieb sich über das Gesicht. Er hatte Hermione doch tatsächlich gesagt, dass er sie liebte. „Tom?" fragte jemand. Am liebsten hätte der angesprochene nicht reagiert, er wollte jetzt mit niemanden Kommunizieren. Stattdessen richtete er sich aber auf und sah zu Abraxas, der schon fertig angezogen auf seinem Bett saß und sich über ein Schulbuch gebeugt hatte. Als Tom kurz seinen Blick durch den Raum schweifen ließ, merkte er, dass er und Abraxas allein waren.

„Ja?" krächzte Tom und verfluchte sich sogleich für seine schwache Stimme. „Möchtest du darüber reden? Also... über die letzte Nacht?" fragte Abraxas leise, so als fürchtete er, er würde einen Fluch von Tom auf den Hals gehetzt bekommen. Tom war auch drauf und dran dies zu tun. Was bildete er sich ein, ihn auf diese... Blamage des vorherigen Abends anzusprechen? War es ihm nicht genug, dass er mit angehört hatte, wie Hermione ihm diese harten Worte entgegengeschleudert hatte? Der schwarzhaarige Junge bemerkte, dass Abraxas noch auf eine Antwort wartete und schüttelte den Kopf. Unter anderen Umständen hätte er ihn jetzt wohl angebrüllt oder ihm gar einen Fluch aufgehetzt, doch dazu war Tom einfach nicht in der Lage an diesem Morgen.
„Ist alles in Ordnung bei dir Tom?" fragte Abraxas noch vorsichtiger. Der junge Malfoy rechnete schon damit, einen Folterfluch abzubekommen, doch stattdessen sah Tom ihn einfach nur an. Abraxas erschrak. Es war das erste Mal in all den sechs Jahren hier in Hogwarts, dass Tom andere Gefühle als Wut preisgab. Auf Toms Gesicht spiegelten sich Verwirrung, Trauer, Schmerz und Verzweiflung wieder und es tat Abraxas im Herzen weh, seinen besten Freund so leiden zu sehen.

Tom war einfach nur verwirrt, weil er keine Wut verspürte, weder auf Hermione, noch auf Abraxas oder sonst jemanden. Er war verdammt verletzt von den Worten, die Hermione ihm an den Kopf geworfen hatte. Durch den Tod seiner Mutter hatte er die wohl wichtigste Frau in seinem Leben verloren und nun war er drauf und dran auch Hermione zu verlieren, was ihm unglaublich wehtat und er war einfach nur verzweifelt, weil er Erstens nicht wusste, wie er das mit Hermione wieder hinbekommen sollte und Zweitens wurde er einfach so von viel zu vielen Emotionen überrumpelt, die er schon längst nicht mehr kannte. Er hatte sie die letzten Jahre erfolgreich unterdrückt, sie nie zugelassen und nun wurde er einfach damit überrumpelt. Diese Emotionen kamen einfach über ihn, ganz ohne Vorwarnung.


Ihm wurde etwas klar. Er brauchte seine Hermione, die noch nicht wusste, dass sie seine war. Er würde es ohne sie einfach nicht mehr aushalten. Tom brauchte dieses Mädchen unbedingt! Er sah verzweifelt in Abraxas Gesicht.




„Ich kann sie nicht verlieren, Abraxas."

Kann man jemanden lieben, den man eigentlich hassen sollte?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt