Kapitel 70

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Sie hatte Mühe und Not sich auf den Beinen zu halten, als sie im Jahr 1944 zur schulischen Hauptverkehrszeit schwerverletzt mitten in der Eingangshalle landete. „Hermione!" Abraxas und Orion hatten zufällig ganz in der Nähe gestanden und der Malfoy dieser Zeit griff ihr sofort unter die Schultern. „Oh scheiße, was ist denn mit dir passiert?" fragte er verblüfft. „Krankenflügel." presste er hervor. Schnell nickte er. „Krankenflügel, sicher." gab er zurück und hob sie schnell auf seine Arme. Sie stöhnte vor Schmerz, ließ es jedoch geschehen und langsam aber sicher wurde ihr schwarz vor Augen. Das wurde ja auch so langsam mal Zeit.

Es war mitten in der Nacht, als sie aufwachte. „Merlin sei Dank." Sie drehte ihren Kopf zur Seite und auf einem ungemütlich aussehenden Stuhl saß Tom und hielt ihre Hand fest in seiner. Sie sagte nichts. Tränen liefen über ihre Wangen. Ihre Verletzungen ignorierend stürzte sie sich auf ihn und drückte ihn fest an sich. „Vorsicht! Du warst schwer verletzt! Du musst gut auf dich aufpassen!" sagte er erschrocken und wollte sie zurück in das Krankenbett drücken, doch sie umklammerte ihn fester und schniefte laut. „Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr." jammerte sie in sein Ohr und küsste ihn fest. „Was ist denn mit dir los? So hab ich dich ja noch nie erlebt." er drückte sie ein wenig von sich um sie anzusehen, dieses Mal ließ sie es geschehen.


„Ich habe..." sie brach ab. „Ich habe dich getötet." flüsterte sie. Er schwieg lange, mindestens eine Minute. „Du hast nicht wirklich mich getötet." sagte er langsam. Hermione schüttelte den Kopf. „Doch, genau das habe ich, Tom. Ich habe mich mit dir duelliert und du hast mich gebeten mich mit dir zu verstecken... und ich habe dich getötet. Obwohl du deinen Zauberstab sinken lassen hast." Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und schluchzte laut. „Es tut mir so leid." wimmerte sie. Er legte eine Hand auf ihren Rücken und strich sanft darüber. Er wusste selbst nicht, was er dazu sagen sollte. Schweigend fuhr er sich mit der anderen Hand über sein Kinn. „Ich liebe dich." sagte er leise. Hermione nickte. „Ich dich doch auch." jammerte sie und lehnte sich weiter gegen seine Hand auf ihrem Rücken. „Ich liebe dich doch so sehr."

Die Tage zogen sich hin wie Kaugummi. Sie lag den ganzen Tag im Krankenflügel und schwieg vor sich hin. Sie sprach mit niemandem. Nicht mit Tom, nicht mit Emilie, nicht mit Professor Dippet, nicht einmal mit Professor Dumbledore wollte sie sprechen, auch wenn es gut tat, sein vertrautes – wenn auch nicht ganz so altes - Gesicht zu sehen. Emilie hatte ihr sogar das Pergament vorbeigebracht, doch sie dachte nicht einmal daran Draco oder Harry oder sonst wem zu schreiben. 

Ein paar mal hatte es geleuchtet und ihre Freunde hatten ihr geschrieben, doch sie las nur und antwortete nicht. Sätze wie „Es wird alles wieder gut." oder „Du hast das richtige getan." waren einfach völlig fehl am Platz. Soweit der Unterricht es ihm erlaubte, saß Tom ununterbrochen bei ihr. Er versuchte ihre Hand zu nehmen, doch jedes Mal entzog sie sich ihm. Sie schwieg, wenn er versuchte mit ihr zu reden und sobald man sie auch nur eine Sekunde allein ließ flossen die Tränen über ihre Wange.

„Hermione." flüsterte Tom rau. „Bitte... sprich mit mir Liebes." er schwieg und sah zu Boden. Er hatte seine Ellenbogen auf der Matratze abgestützt und faltete seine Hände über seinem Kopf zusammen. „Oder schau mich wenigstens an. Bitte Mione. Ich ertrage das einfach nicht mehr." flehte er leise. Sie hatten einander nie so erlebt. Hermione war niemals so abweisend und still gewesen, Tom nie so verletzbar und verzweifelt – Dabei hatten sie schon genug durchmachen müssen. Sie hatte ihre Arme und die angezogenen Knie geschlungen und Vergrub ihr Gesicht in ihrer Armbeuge, während sie aus dem Fenster starrte. „Dann geh doch." flüsterte sie rau. 

Tom sah auf. Das war das erste was sie wieder gesagt hatte, seit sie weinend im Bett zusammengebrochen war. „Was? Was redest du denn da?" fragte er verwirrt. „Ich sagte, dass du versschwinden sollst." Ihr Arm erstickte ihre leisen Worte fast gänzlich, doch Tom hatte sie trotzdem verstanden. „Hermione." begann er und griff nach ihrem Arm. Heftig – viel heftiger als eigentlich geplant – zog sie ihren Arm weg. „Ich habe gesagt du sollst verschwinden! Ich kann das nicht! Ich kann dich nicht mehr sehen. Nie wieder!" schrie sie wild. Tom erhob sich aus seinem Stuhl. „Wenn du etwas Zeit für dich brachst, dann..." „Ich habe gesagt du sollst verschwinden!" kreiste sie, griff nach dem Wasserglas neben sich und warf es knapp über seinem Kopf hinweg quer durch den Raum. Tom zuckte kaum merklich und schüttelte den Kopf. „Ich komme morgen wieder." sagte er heiser. „Nein. Ich will dich nicht." knurrte sie. Ihre Haare hingen zerzaust in ihr Gesicht und sie erinnerte ihn in diesem Moment an einen ausgehungerten Löwen. „Du willst was nicht?" fragte er, in der Hoffnung, dass sie sich wohlmöglich versprochen haben könnte. Sie sah weg und schluchzte laut. „Ich kann das mit uns nicht mehr." wimmerte sie.

„Hermione, bitte, das kannst du doch nicht ernst meinen." flüsterte er und machte trotz allem wieder einen Schritt auf sie zu. Sie sah zu ihm auf. Tränen flossen unaufhaltsam über ihre Wangen. „Es tut mir so leid." wisperte sie. „Dir muss nichts leid tun. Lass dir einfach Zeit... irgendwann wird alles wieder besser. Ich verspreche es dir." Er strich mit einem Daumen sanft über ihre rechte Wange und sah sie so liebevoll an wie er nur konnte. „Wie?" hauchte sie. Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht, Hermione. Aber wir werden das herausfinden. Gemeinsam." Langsam strich sie seine Hand aus ihrem Gesicht. „Nein. Wir haben schon vieles zusammen geschafft, aber das hier... das ist so viel größer als alles andere, was wir jemals durchstehen mussten. Das hier können wir nicht schaffen. Das muss ich allein schaffen." Hermione wendete den Blick von ihm ab und sah wieder aus dem Fenster. „Nein, eben nicht." widersprach Tom. „Wir machend das zusammen." beharrte er. 

„Nein Tom. Ich kann das nicht. Ich kann und will so nicht mehr mit dir zusammen sein... Geh."

Kann man jemanden lieben, den man eigentlich hassen sollte?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt