Er:
Nevil winkt mich zu sich und ich schlinge meinen linken Arm um seinen Hals und seine Schulter. Auch er klemmt mir seinen Arm unter. Als ich genügend Halt habe, stösst er sich mit beiden Beinen vom Boden ab und wir erheben uns. Sacht und völlig tonlos gleiten wir senkrecht in die Lüfte, ehe wir ebenso behutsam auf dem Dach der Kirche landen. Da das Dach spitz zuläuft, gestaltet es sich schwierig darauf zu stehen geschweige denn zu laufen. Ich sehe mich um und bemerke, dass Elias noch nicht angekommen ist. Nevil begibt sich zum Dachrand und späht nach unten. Plötzlich zuckt er zurück, als Elias völlig unkontrolliert nach oben schiesst und Nevil um ein Haar verfehlt. Mit einem lauten Krach landet Elias auf dem Dach, direkt auf dem gelähmten Arm. ,,Alter, was bist du, das Himmelfahrtskommando?'', frage ich belustigt. Elias flätscht die Zähne und rollt sich auf den Rücken. Obwohl das Dach nicht flach ist, gelingt es ihm ruhig liegen zu bleiben und nicht runterzurollen.,,Was ist passiert?", will Nevil besorgt wissen während er sich neben seinen Freund kniet. Elias spricht nur mit viel Mühe:,,Ich glaube, der Lähmungsfluch ist auf meine Flügel übergegangen. Mitten im Flug habe ich die Kontrolle verloren."
Nevil zischt ein leises Scheisse und richtet sich dann wieder auf. ,,Wir brauchen Verstärkung. Aber wer weiss wie lange das dauert, bis die anderen Engel eingetroffen sind.", murmelt Nevil gedankenverloren. Ich sehe ihn mit hochgehobener Augenbraue an. ,,Müssen sie erst den Bus aus dem Himmel nehmen oder was?"
Nevil atmet frustriert aus. ,,Halt deine Klappe, Dämon. Urteile nicht über Dinge von denen du keine Ahnung hast." Ich hebe die Hände in die Luft und kann mir ein hämisches Lächeln nicht verkneifen. ,,Elias, es ist besser wenn du hier bleibst. Kannst du Hilfe rufen solange wir rein gehen?''
Elias nickt ihm zu und schliesst seine Augen. Er sieht aus als würde er schlafen, doch bei genauem Hinsehen, erkenne ich, dass er etwas murmelt. E.T telefoniert nach Hause, denke ich mir nur.Sie:
Wa ist schlimmer als ein mächtiger Dämon? Genau - dutzende mächtige Dämonen. Sie lachen und plaudern während sie zum Altar spazieren. Ich zähle schnell durch - es sind achtundzwanzig.
Dann beobachte ich sie. Xaviers Geschwister sind normal gekleidet, gar nicht dämonisch. Bei einigen sieht man entweder das Drachenmal auf der Brust wie es sich unter dem T-Shirt schlängelt oder den entblössten Armen. Doch bei den meisten sieht man es gar nicht. An welchen Stellen sie es wohl haben? Allesamt haben sie wunderschöne, definierte Gesichter und ihre Körper bestehen aus langen, schlanken Muskeln. Obwohl sie sich alle so ähnlich sehen, bis auf die Haarfarbe, erkenne ich in keinem von ihnen Xavier wieder.
Ich blicke umher und plötzlich steht da eine hochgewachsene, zierliche Frau die ihr Drachenmal mitten im Gesicht trägt. Ihr kirschrotes Haar hat sie zu einem Zopf geflochten der ihr über die rechte Schulter hängt und ihre Brust berührt. Auf ihren Lippen liegt ein bösartiges Grinsen, so von wegen:,,Jetzt hab ich dich, Schlampe!"Schlagartig erinnere ich mich an den Tag als sie mich nach der Schule abgefangen hat und ich auf diesen Hügel - mit Friedhof - geflüchtet bin. Damals meinte sie noch:,,Dich jetzt zu töten wäre viel zu leicht. Dein Tod wir viel spektakulärer sein." Rückblickend begreife ich jetzt was sie damals damit gemeint hat. Unweigerlich steigen mir wieder Tränen in die Augen. Gracie du Mimose, reiss dich zusammen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass das hier das Ende meines erst 17- jährigen Lebens sein soll. Womit zur Hölle habe ich das verdient? Ich recke meinen Kopf wieder in Richtung Dämonen.
Achtundzwanzig graue, unergründliche Augenpaare sind auf mich gerichtet. Ich frage mich was sie jetzt mit mir anstellen werden. Will ich das überhaupt wissen?
Ich hebe meinen Kopf einige Male und haue ihn schwach gegen meinen marmornen Grabstein. Was soll ich nur tun? Völlig verzweifelt konzentriere ich mich nochmals, ich muss meine Flügel irgendwie entfalten. Was dann passiert wenn sie erst mal da sind, werde ich wohl spontan entscheiden müssen.
Gracie, du Witzbold. Ohne jegliche Kampfkünste und Kräfte - du gegen achtundzwanzig Dämonen und deren Anführer. Wenn nur nicht diese verdammten Ketten wären die mich einschränken. Vielleicht hätte ich ohne diese Dinger eine Chance. Vielleicht könnte ich fliehen oder zumindest etwas Zeit schinden....Ich werde aus meinen Gedanken gerissen als Satan vor die mordlustige Meute tritt und seine Hände in die Höhe hebt. ,,Silencio.", meint er mit weicher Stimme. Es klingt so gekünstelt, in meinen Ohren so verdammt lächerlich. ,,Wir haben es geschafft, meine Kinder. Wir haben diese Kreatur, die Xavier verführt hat geschnappt." Ein frohlockendes Raunen geht durch die Runde. Ausgerechnet der da nennt mich Kreatur?! ,,Doch das ist nicht das Hauptziel!", sagt er mit erhobener Stimme. Der Klang hallt an den Kirchenmauern wider und verleiht seinem Auftritt noch mehr Nachdruck. ,,Ich bin der festen Überzeugung, dass Jonathan bald eintreffen wird um sein Töchterchen zu retten." Beim Wort Töchterchen legt der Teufel besonders viel Spott rein. Alle Dämonen in der Kirche lachen, einige wischen sich dabei Tränen aus den Augenwinkeln. Satan widmet sich erneut mir zu und streicht mit seinen langen,gelben, gekrümmten Nägeln wieder über mein Bein. Erneut ritzt er mir leicht die oberste Schicht meiner Haut auf. Einige kleine Bluttropfen sammeln sich. Ich verkneife mir ein Wimmern als er das warme Blut mit seiner Fingerkuppe wegstreicht und ableckt. ,,Du schmeckst gut, Kleines.", raunt er mir entgegen. Ich sehe ihn mit meinem verachtungswürdigstem Blick an. Kleines. Genau dieses Wort hat er damals in meinem Zimmer verwendet. Schon damals haben mir sich bei diesem Wort die Nackenhärchen aufgestellt, da ich einfach nicht glauben konnte, dass Xavier mich so nennen würde. Ich könnte mich selbst dafür ohrfeigen, dass ich diesen Scheisskerl da geküsst habe. Doch rückblickend will ich mir trotzdem keine Vorwürfe machen, schliesslich hatte er die Gestalt von Xavier angenommen. Wie hätte ich wissen sollen, dass es der Teufel ist.
Gedanklich fühle ich die heissen Küsse die wir ausgetauscht haben immer noch. Xaviers Gesicht dabei im Kopf zu haben erleichtert die ganze Sache enorm. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Deshalb hatte er also kein Drachenmal! Satan kann zwar das Aussehen kopieren, jedoch nicht das einzigartige Drachenmal. Scheisskerl!, denke ich wieder.
In der Kirche ist es totenstill. Diese Tatsache bemerke ich viel zu spät. Denn plötzlich steht Satan auf den Stufen die zu den Kirchenbänken führen, wieder seinen Monstern zugewandt.
Er hebt die rechte Hand, wobei der Ärmel seines schwarzen Samtmantels nach unten rutscht.
Satan biegt seine Finger nach unten durch, was ziemlich schmerzhaft aussieht. Meine Augen weiten sich vor Schreck. Moment mal, diese Handbewegungen kenne ich doch! Oh shit...Der Anblick der Kirchendecke schwindet, als sich schwarze Punkte in meinem Sichtfeld sammeln. Mein Kopf droht zu explodieren, meine Augen fühlen sich an als würden sie jeden Moment herausquellen. Meinen Körper kann ich nicht mehr bewegen, geschweige denn spüren. Ich merke zwar, dass ich immer noch atme, doch ich vermag nicht einmal zu blinzeln. Und so kommt es, dass meine Augen nach nur einer Minute völlig ausgetrocknet sind und schmerzen. Ausserdem nehme ich war, dass meine Gliedmassen an den verhexten Ketten ziehen. Vielleicht schwebe ich ja in der Luft? Vielleicht ist aber auch nur mein Rücken so durchgedrückt, dass ich mit einem - extrem grossen - Hohlkreuz da liege? Plötzlich erklingt ein Knacken, dann das Gelächter der Dämonen. Die schwarzen Punkte tänzeln immer noch bedrohlich vor meinen Augen herum, meine Augenlider flattern wie verrückt. Plötzlich ein Schrei. Ein Schrei so herzzereissend und seelenfressend wie nur möglich. Es ist der Schrei einer Frau. Er ist schrill und dringt mir bis ins Mark, lässt meine Trommelfelder erbeben. Ich winde mich vor Schmerz. Jetzt da dieser Schrei eingesetzt hat, spüre ich meinen Körper wieder mehr denn je. Das Gefühl meinen Kopf zu packen und mit dieser Stimme um die Wette zu kreischen überkommt mich. Doch ich kann mich ja nicht von den Ketten lösen. Meine Glieder fühlen sich an als würden sie mir rausgerissen werden. Meine Lungen leiden wie nach einem langen Marathon.
Das Letzte, was ich mitbekomme bevor ich mich von den Schmerzen und dem Schrei völlig einnehmen lasse, ist das Zerbrechen des Kirchenfensters und die schockierten Rufe der Dämonen. Allen voran Satan.
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666 - Unsterbliche Liebe
RomanceSeit Anbeginn der Zeit gibt es Gut und Böse. Wir kennen sie in Form von Gott und dem Teufel Manche Leute glauben daran, andere nicht. Ein Mädchen, das bestimmt nicht daran glaubt ist Gracie. Sie lebt ein normales und behütetes Leben fernab von jegl...