Kapitel 14 - Haarscharf

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Sie:

Ich höre ein leises Schnuppern, zaghafte Schritte und plötzlich verdeckt der Schatten des jungen, schmächtigen Mannes den kleinen Lichtkegel der durch die Knochen gefallen ist und meinem Versteck Licht gespendet hat. Er steht nun unmittelbar vor mir. Angestrengt behalte ich die Leinwand vor meinen Augen und reduziere meine Atmung auf ein Minimum. Wenn er mich jetzt entdeckt, ist alles aus.

Langsam läuft er einige Schritte umher und sieht sich offenbar um. Die Knochen unter seinen Füssen brechen ein und das immer leiser werdende Geräusch verrät mir, dass er sich von mir entfernt. Als ihm jemand von unten zuruft er solle zurückkommen, gehorcht er sofort und verlässt den Felsvorsprung. Ich stosse einen Seufzer der Erleichterung aus als ich aus dem Spalt wieder hervorkomme und den Knochenstaub von meiner verschwitzen, schmutzigen Kleidung leise abklopfe. Möglichst unauffällig begebe ich mich wieder zu meinem vorherigen Aussichtspunkt. Ich bin ratlos und langsam frage ich mich weshalb ich hergekommen bin. Ich frage mich wozu mich meine Neugierde getrieben hat und ich bin wütend auf mich selbst. Wütend weil ich mich selbst und vor allem Xavier in solche Gefahr gebracht habe.

Er:

Er hat aufgehört. Vater hat von mir abgelassen. Verwundert hebe ich meinen Kopf vom staubigen, heissen Boden und blicke auf. Ich sehe wie Led die Felsen erklimmt und offensichtlich nach etwas sucht. Zwischendurch bleibt er immer wieder stehen, lauscht, schnuppert und konzentriert sich auf mögliche Gedanken von Eindringlingen. Ich frage mich, welche Sorte von Eindringlingen sie hier erwarten. Engel? Heilige? Oder Gott selbst? Denn ein normaler Mensch würde es in dieser Hitze keine Sekunde lang aushalten. Er würde jämmerlich dahinscheiden, sein Körper würde sich innert Minuten auflösen und zu Gebeinen werden. Als ich mich langsam vom Boden aufrapple, schwirrt mir der Kopf. Gracies Gesicht geistert mir immer noch im Kopf herum und je länger ich an sie denke, desto mehr kribbelt mein Drachenmal. Plötzlich, als mich dieses unerwartete, unbekannte Gefühl überkommt, eine Mischung aus Sehnsucht, Sympathie und Zuneigung, beginnt mein Drachenmal plötzlich an höllisch zu brennen. Es schmerzt sogar noch mehr als damals in der Putzkammer. Um den anderen nicht zu offenbaren welche Schmerzen ich gerade erleide und dass ich überhaupt Schmerzen wegen des Drachenmals habe, beisse ich die Zähne zusammen und versuche ein möglichst gelassenes Gesicht zu ziehen. Ausserdem konzentriere ich mich darauf, meine Gedanken im Zaum zu halten.

Während sich Vater mit Numa berät und meine anderen Geschwister schweigend herumstehen, kämpfe ich mit dem Feuer dass mich von Innen aufzufressen droht. Ich beisse meine Zähne so fest zusammen, dass sie beginnen zu knirschen. Plötzlich wendet sich Vater an mich: ,,Ich, nein wir alle, sind extrem enttäuscht von dir Xavier. Doch du bist einer der besten und stärksten Kämpfer, deshalb will ich es nicht riskieren dich in meiner Armee zu verlieren. Du bekommst eine zweite Chance. Die verdient doch jeder, oder?'', entgegnet er mir zynisch. ,,Enttäuscht du mich noch ein weiteres Mal, werde ich dich nicht verschonen.“ Satan geht einige Schritte umher um seiner Ansprache Gelassenheit und Macht zu verleihen. Mein Drachenmal gibt keine Ruhe und pocht weiterhin wie wild. ,,Nun zu den Bedingungen die an deine zweite Chance geknüpft sind: Zunächst wirst du dich strickt und ohne jegliche Ausnahmen von diesem Menschenkind fernhalten. Ich bin immer noch fassungslos, dass du dich überhaupt auf so einen Bastard eingelassen hast. Zweitens verlange ich von dir, die Trinity Church niederzubrennen. Als kleines Zeichen deiner Unterwürfigkeit.“ Freudenschreie gehen durch die Reihen und alle lachen auf. ,,Zwei ganz simple Regeln wie du siehst“, sagt Vater mit geschwollener Stimme.

Mit einem Mal packt er mich an den Haaren, zieht mich von den Knien hoch und flüstert mir zu: ,,Und nun verlasse diesen Ort, denn du bist nicht würdig länger hier zu sein. Nur wahren, zutiefst bösartigen und vor allen Dingen treuen Dämonen ist es vergönnt hier zu weilen.“ Als er mich loslässt, laufe ich sofort wieder in die Richtung der Treppe von der ich gekommen bin. Keine Minute länger möchte ich hier bleiben. Als ich mich einige Meter entfernt habe, ruft er mir plötzlich noch zu:,,Und vergiss nicht: Wir sind überall. Kleine Kontrollbesuche werden keine Seltenheit sein.“

666 - Unsterbliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt