Kapitel 18 - Satan's Erbe

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Sie:

Ein starker Wind weht und zerzaust mir das Haar. Ich stehe alleine auf einem Hügel, einem kleinen Friedhof, ausserhalb von New York. Nicht viele Menschen wissen von diesem Ort und weit und breit gibt es keine Einwohner die zu Schaden kommen oder mir in der Not gar helfen könnten. Doch irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass das eine das andere voraussetzt. Mit festem Stand und locker hängenden Armen sehe ich auf New York. Die unzähligen Hochhäuser, die vielen kleinen gelben Punkte die sich schnell durch die Strassen bewegen und die noch viel kleineren schwarzen Punkte, die den Taxis hinterherhetzen. Plötzlich fällt mir auf - es ist so still. Der Lärm der Stadt ist nicht gedämpft oder leise, sondern nicht vorhanden. Hier oben ist es so friedlich, eigentlich ein perfekter Ort zum sterben.

Plötzlich höre ich das knattern eines Motors. Ehe ich mich versehe, steht auch schon ein nagelneues Motorrad vor mir. Die Fahrerin, klar erkennbar durch ihren Körperbau, nimmt den Helm ab und grinst. Mein Herz klopft wie wild, was mache ich hier eigentlich? Ich bin so eine Idiotin! Anstatt in der Stadt zu bleiben, wo die Chance, dass Numa mir etwas antut viel kleiner ist bleibe, komme ich hier auf diesen gottverlassenen Friedhof, mitten im Nirgendwo. Jetzt werde ich für meine Dummheit wohl bezahlen.
Mit langsamen Schritten steigt sie auf den Hügel. Da ich zwischen einigen Grabsteinen weiter oben stehe, wird sie sich ihren Weg zu mir erst hindurch bahnen müssen. ,,Ein romantisches Plätzchen hast du dir ausgesucht", meint sie läppisch. Ich entgegne ihr nichts, sondern konzentriere mich ganz auf sie. Was wird sie als nächstes tun? Noch viel wichtiger: wie kann ich das vermeiden, was sie vor hat?
,,Dein Name ist Gracie, nicht wahr?'', fragt sie als sie fünf Schritte von mir entfernt stehen bleibt. Numa wartet meine Antwort gar nicht ab, sondern sagt gleich darauf:,,Eigentlich ist es auch völlig egal wie du heisst. Die Hauptsache ist doch, dass du das Menschlein bist, dass meinem Bruder den Kopf verdreht.“ Ihr Gesichtsausdruck wird hart, ihre Augen blitzen auf. Ich bin bemüht nichts zu denken was Xavier, Nevil oder mir in irgendeiner Weise schaden und ihr Infos liefern könnte.
,,Was ist es bloss, dass dich so anziehend für ihn macht?'', sagt Numa während sie fast schon in Zeitlupe auf mich zukommt. Je näher sie mir kommt, desto langsamer atme ich. Sie steht nun unmittelbar vor mir, ich habe fast das Gefühl, dass sie vorhat mich zu küssen. Sie geht mit ihrem Mund an mein Ohr, atmet meinen Duft ein und flüstert:,,Ich töte dich noch nicht. Nicht heute. Dein Tod wird viel spektakulärer und qualvoller. Das hier wäre zu einfach.“ Ich spüre ihren heissen Atem an meinem Hals und als sie wieder einen Schritt zurücktritt, steigt mir ihr Duft in die Nase.
Ein sehr komischer und verwirrender Duft. Mit einem mal ist mir, als würde ich inmitten von tausenden Rosen stehen und in der nächsten Sekunde fühle ich mich in die Hölle zurückversetzt wo es nach Verwesung und Asche stinkt. Numa grinst nochmals ein letztes Mal, dann schubst sie mich. Zwar nicht fest, doch fest genug damit ich nach hinten auf meinen Po falle und mir den Kopf an einem Grabstein stosse. Lachend spaziert sie wieder zu ihrem Motorrad und verschwindet wieder.
Zischend fasse ich mir an den Hinterkopf während ich mich langsam aufrichte. Ich blute dort wo ich mit dem Kopf aufgekommen bin. Als ich mich am Grabstein abstütze und kurz einen Blick auf ihn werfe, erstarre ich. Eingemeisselt ist nämlich: Gracie Woodstock, geboren 1786, gestorben 1803. Der Grabstein ist sehr alt, er hat unzählige Löcher und seine Ecken sind abgebröckelt. In meinem Kopf rechne ich kurz nach, wie alt die Frau war die hier begraben liegt. 17. Das Mädchen war genauso alt wie ich als sie gestorben ist.
Schnell erhebe ich mich und renne den Hügel hinab zu meinem Auto. Ich will so schnell wie möglich weg von diesem Ort. Während ich wieder in Richtung der Stadt rase, denke ich an Numa's Worte. Dein Tod wird spektakulär, er wird qualvoller sein. Eiskalt läuft es mir den Rücken hinunter.


Er:

Ich hämmere an Arthurs rote Holztüre. Die Tatsache, dass es schon spät am Abend ist, hindert mich nicht daran Radau zu machen. Ich weiss, dass er da drin ist, schliesslich höre ich seine Gedanken.
Momentan ringt er noch mit sich ob er mir die Türe öffnen will, eigentlich hat er keinen Bock auf mich. Gerade als ich nach ihm rufen will, öffnet er mit einem Ruck die Türe und blickt mich mit seinem gewohnt mürrischen Blick an. ,,Was willst du hier?'' ,,Dir auch einen schönen Abend, alter Mann“, entgegne ich ihm als ich ihn leicht zur Seite schubse um mir den Weg frei zu machen.
Ich sacke auf seine alte Couch, lege die Füsse auf den Tisch und reibe mir die Augen mit den Handflächen. Arthur setzt sich auf einen Stuhl vor mir und stützt seine Ellbogen auf den Knien ab.
,,Hast du das mit den Prostituierten in den Nachrichten gehört?'', frage ich.
Er schlägt sich mit der Flachen Hand auf die Stirn und sagt:,,Wusst' ichs doch, dass einer von euch dahintersteckt.“ Nun lehnt er sich zurück und verschränkt seine Arme vor der Brust.
,,Das Armband, dass du geschmiedet hast. Du meintest Vater hätte dir die Aufgabe gegeben, mein Armband mit besonders viel dämonischer Energie zu versehen.“ Er nickt. ,,Kann es sein, dass ich nicht mehr im Stande bin, diese dämonische Kraft zu kontrollieren?“ Er nickt immer noch und scheint darüber nachzudenken. ,,Wie kommst du drauf?'', will er wissen.
Ich überlege wie ich mich am besten ausdrücke. ,,Also, es ist so: ich habe das Armband eine Weile nicht getragen und als ich es wieder angelegt hatte, konnte ich sofort die dämonische Präsenz spüren die Besitz von mir ergreift. Ich war wie verwandelt, ich war wieder der Alte. Und ich habe es genossen!“ Er kratzt sich am Hinterkopf. ,,Mir scheint, da gibt es etwas dass dich deiner Kraft beraubt und menschlich macht. Was ist es?“ Ich wende meinen Blick von ihm ab und schliesse kurz die Augen. Plötzlich ruft er:,,Ich wusste, dass du mir etwas verschweigst! Was ist der Grund, wieso das Gute in dir Besitz ergreift?! Was hast du getan?“ Nun verschränke auch ich meine Arme vor der Brust und gebe nach. Es hat keinen Sinn mehr Gracie geheim zu halten, nun muss ich ihm von ihr erzählen, denn ich brauche seine Hilfe. ,,Da ist dieses Mädchen. Sie ist ein Mensch und ich habe mich in sie verliebt.“ Arthur sagt sofort:,,So etwas dachte ich mir schon. Das ist es. Das ist der Grund, wieso du aus dem Gleichgewicht gerätst. Wieso dein Ying und dein Yang nicht mehr im Einklang sind, wenn du so willst.“ Mit zusammengekniffenen Augen blicke ich ihn an:,,Nun schweif mal nicht ab, alter Mann.“ Ich denke über seine Worte nach und mir scheint, er hat Recht.
Vater soll ja angeblich gewusst haben, dass ich schwach bin. Vielleicht wollte er mit dem dämonischen Armband verhindern, dass das passiert? ,,Du wechselst die Seiten, Junge.“
,,Nein!“, schreie ich. ,,Nein! Ich wurde geboren um zu töten. Ich bin durch und durch böse, ich bin Satan's Sohn. Ich kann die Seiten nicht wechseln!“ Jeder einzelne Muskel meines Körpers ist angespannt. Mein Kopf ist heiss und meine Schläfe pulsiert. ,,Du musst es einsehen. Je grösser die Liebe für dieses Mädchen wird, desto kleiner wird die dämonische Kraft in dir beziehungsweise, desto weniger bist du im Stande sie zu kontrollieren.“ ,,Aber das ist mein Lebenssinn, das ist meine Aufgabe! Ich kann es nicht ertragen einer von denen zu werden!“
Arthur wirft die Arme in die Luft. ,,Du musst dich entscheiden. Entweder das Mädchen oder dein Dasein als Dämon. Du bist zu schwach um beides zu haben.“ Stumm und erstarrt sitze ich da. Was soll ich nur tun? Ich bin viel zu stolz um mein Leben als Dämon aufzugeben doch genauso gross wie mein Stolz ist auch die Liebe zu Gracie. ,,Wieso?“, frage ich. ,,Wieso bin ich so schwach? Keiner meiner Geschwister hat jemals etwas derartiges getan wie ich. Alle befolgen sie Vaters Befehle und richten Unheil auf der Welt an. Wieso kann auch ich nicht mehr so kalt sein?''
,,Du warst noch nie so kalt wie deine Geschwister“, sagt Arthur mit ruhiger Stimme. ,,Du warst schon immer anders.“ ,,Was meinst du damit? Erkläre mir gefälligst wieso!“
Arthur atmet tief ein, dann meint er zu sich selbst:,,Ich werde das so was von bereuen.“
Gespannt warte ich darauf, dass er seinen Mund endlich aufmacht und mir die Wahrheit offenbart.
,,Kennst du die Geschichte, wie der Teufel zum ersten Mal in das Leben der Menschen trat? Früher lebten die Menschen noch viel mehr unter Gottes Einfluss als heute. Eines Tages als sie gerade dabei waren Arbeit für ihn zu verrichten, tauchte dein Vater auf und redete ihnen ein, dass alles was sie für ihren Herrn taten falsch sei. Er wollte sie auf ihre Seite ziehen und umstimmen mit ihm in die Hölle zu kommen. Dein Vater erkannte wie Gott die Menschen behandelte. Sie mussten Arbeit für ihn verrichten, ihn mehrmals am Tag würdigen indem sie ihn anbeteten. Da sah er den Schwachpunkt. Satan ist ein sehr stolzer Dämon. Er dachte sich, er könne diesen Stolz auch in den Menschen wecken. So belog er sie indem er ihnen sagte, dass sie in seiner Unterwelt gleichgestellt mit ihm und unsterblich wären. Er versuchte den Menschen einzureden, dass das was sie für Gott taten falsch war, doch sie blieben bei ihm. Keiner wollte Satan in die Hölle folgen, bis auf dieses eine Mädchen, das bevor es etwas tun konnte von Gott getötet wurde. Satan nahm die Leiche der Frau in die Hölle mit und erweckte sie dort zum Leben. Dieses Mädchen schenkte ihm später sechshundersechsundsechzig Dämonenkinder.“ Plötzlich fügen sich die Teile in meinem Kopf zu einem stimmigen Bild zusammen und ich erkenne was los ist. ,,Unsere Mutter war ein Mensch?“
Arthur nickt. ,,Als dein Vater einsah, dass ihm niemand freiwillig in die Unterwelt folgen wollte, den er zu seinen Dienern machen konnte, beschloss er seine eigene ''Armee'' an Dienern zu erschaffen.“ ,,Was ist eigentlich mit meiner Mutter passiert? Wurde sich durch Vater nicht auch unsterblich?“ Arthur schüttelt leicht seinen zottigen Kopf und sagt:,,Satan hatte die Anziehungskraft der Menschen unterschätzt. Bald verliebte er sich in das Mädchen und genau wie bei dir schwand seine Kraft mit jedem Tag an dem die Liebe zu dem Mädchen wuchs. Er stand mit dem Rücken zur der Wand. Einerseits wollte er ein Dämon bleiben doch andererseits konnte er sich auch kein Leben ohne diese Frau vorstellen. Eines Tages hatte er jedoch einen Entschluss gefasst und eure Mutter einfach getötet. Er hatte sich entschieden, entschieden für sein Leben als mächtigster Dämon im Universum.“ Ich blicke Arthur an und frage:,,Heisst das, dass ich die Schwäche meines Vater geerbt habe?'' Er nickt und meint noch:,,Davon gehe ich aus. Du bist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie dein Vater. Deine Geschwister hingegen sind emotionslos und blutrünstig, sie sind die perfekten Killer. Du hingegen hast das Glück oder Pech, wie dus auch sehen willst, Emotionen zu haben.“
,,Deshalb auch die Armbänder. Er wollte sichergehen, dass ihr niemals in den Bann der Menschen gezogen werdet. Doch anscheinend hat er bei dir versagt.“
,,Danke“, sage ich zu Arthur. Und ich meine es ernst. Ich bin ihm wirklich dankbar, denn immerhin weiss ich jetzt, wieso diese Dinge mit mir passieren. Nur weiss ich leider noch nicht was ich tun soll. Setzt mein Dasein als Dämon etwa Gracie's Tod voraus? Kann ich denn nicht beides haben?

666 - Unsterbliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt