Kapitel 28 - (K)ein Ausweg

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Er:

Ich erwache aus meinem Halbschlaf als ich Schritte im Gang höre. Ich merke sofort, dass es nicht die Schritte des kleinen Dämons sind, der mir immer Essen bringt. Ich versuche die Gedanken der Person auszumachen die gerade kommt - doch es bleibt still.

So sehr ich mich auch anstrenge, ich höre die Gedanken der Person einfach nicht.

Reflexartig verziehe ich mich in eine Ecke des Kerkers, wo das schwache Licht der Laterne nicht hinkommt. Ich knie halb auf dem Boden und stütze mich mit einem Arm an der steinigen Wand, bereit zur Not auch anzugreifen. Die Schritte kommen immer näher und mir erscheinen sie wie ein Countdown oder ein Trommelwirbel der das Ende einläutet.

Ich versuche möglichst flach und ruhig zu atmen und keinen Mucks von mir zu geben.

Endlich - Stille.

Die Person, eine kleine, gekrümmte Gestalt mit zerzaustem Haar, das deutlich vom Kopf absteht, steht vor dem Gitter. Ich kann noch nicht mal wahrnehmen ob es sich um einen Dämon handelt. Alle meine Sinne sind wie betäubt in diesem Kerker.  Plötzlich erklingt eine mir vertraute, heisere Stimme und meint sarkastisch: ,,Dass dein Vater zu so drastischen Mitteln greift, hätte ich ja nicht gedacht. Aber nun gut, ich möchte seinen Erziehungsstil ja nicht in Frage stellen." Dann folgt ein belustigtes Kichern. Ich stehe sofort auf und umfasse die Gitterstäbe mit meinen Händen. ,,Arthur, was tust du hier?, Frage ich möglichst ruhig. Doch ich kann meine Euphorie nicht verstecken. Arthur ist der Lichtblick den ich gebraucht habe. Er wird mich freilassen. Ich bin so in der Aufregung versunken, dass mir gar nicht aufgefallen ist, dass ich Arthur am Kragen gepackt habe. ,,Lass mich los, Junge!", meint er leicht keuchend. Ich lockere meinen Griff und streiche ihm die Jacke an den Schultern wieder glatt. ,,Dein Vater hat mich gerufen. Ich habe den Auftrag bekommen dein Armband mit noch mehr dämonischer Kraft zu versehen. Offenbar wächst das Gute in dir immer noch weiter." Ich schüttle meinen Kopf. ,,Ich will das nicht! Lass mich raus Arthur!", sage ich eindringlich, jedoch immer noch bemüht meinen Lautstärkepegel niedrig zu halten. Schliesslich kann es gut sein, dass draussen meine Geschwister lauern. ,,Satan hat mir diesen Auftrag gegeben. Reich mir dein Armband raus." Ich umfasse das Metallgitter als wollte ich die Stangen brechen. ,,Auf wessen Seite stehst du eigentlich, alter Mann?", zische ich.

,,Ich stehe auf niemandes Seite. Ich erbringe nur Dienstleistungen. Ich erlaube mir kein Urteil über jemanden, geschweige denn über Satan." Selbst in diesem schwachen Licht kann ich die Schweissperle sehen, die seine Stirn hinabrinnt.

"Verarsch - mich - nicht!", sage ich schwer schnaubend. Wenn Arthur nicht nachgibt und mich rauslässt, muss ich wohl andere Methoden anwenden. "Zwing mich nicht dir weh zu tun, Arthur.", sage ich gereizt. Er lacht kurz auf und mir schlägt sein fauler Atem ins Gesicht. Wenn du mich rauslässt, gibts zur Belohnung ne Zahnbürste! ,,Hier nützt dir dein Kontrollieren nichts. Der Kerker fängt all deine Kräfte ab." Leider muss ich feststellen, dass er recht hat. Schliesslich konnte ich nicht einmal seine Aura vorhin wahrnehmen. Ich beschliesse es nochmals mit Worten zu versuchen, schliesslich stehen diese Menschen ja auf solche emotionalen Ausbrüche. Ich setzte auf sein Mitleid.

,,Arthur, bitte", sage ich beinahe schon schluchzend. Natürlich alles nur gespielt,"Ich muss hier raus. Ich muss zu meiner Gefährtin, zu Gracie. Sie ist in grosser Gefahr. Bitte Arthur, ich werde sterben ohne sie." Er kratz sich am Hinterkopf und schnalzt mit der Zunge. "Es steht dir nicht zu mit einem Engel zusammen zu sein! Du bist ein Sohn Satan's. Ein Dämon! Das würde nicht funktionieren!", meint Arthur, während auch er jetzt die Metallstäbe mit den Händen umfasst. ,,Ich verstehe nicht wieso du dich so querstellst! Du hast mir doch schon damals geholfen und meine Fragen zum Drachenmal beantwortet. Dreh einfach den Schlüssel um!" Mir läuft es permanent eiskalt den Rücken runter. Ich stehe so kurz davor frei zu kommen und Gracie endlich wieder zu sehen. "Warst du denn nie verliebt, alter Mann?" Arthur blickt zu Boden und lehnt seine Stirn an das Gitter. Er scheint nachzudenken. Vielleicht erinnert er sich ja an seine Liebe zurück. Vielleicht bringt ihn das ja zur Vernunft.  "Dir ist schon klar, dass mir Satan unaussprechliche Dinge antun wird, wenn ich dich freilasse.", meint er gedrückt. Ich schlage mit dem Kopf ein Mal gegen die Stäbe. "Ich werde Satan beseitigen. Und dann werden alle meine Geschwister mir gehorchen. Denn es heisst, wer Satan stürtzt, soll der neue Herrscher sein." Arthur blickt mich ratlos an.. In dem flackernden Licht der Laternen, sieht der Uhrmacher noch älter aus. ,,Die Dosis die ich deinem Armband verabreichen sollte, hätte dich durchdrehen lassen. Du hättest nicht mehr gewusst was du tust. Du wärst zum Tier geworden." Mir scheint als spricht er mehr zu sich selbst als zu mir. ,,Ich glaube nicht, dass du Satan besiegen kannst, Junge.", er sagt das in einem  väterlichen Ton. Überhaupt nicht provokativ, sondern eher besorgt. ,,Vertrau mir Arthur. Wenn es hart auf hart kommt, kann ich immer noch auf die Engel zählen." Das hoffe ich zumindest. Mir ist klar, dass Nevil mir am liebsten den Kopf abreissen würde, doch ich weiss auch, dass er Gracie niemals Schaden zufügen würde. Und indem er mich tötet, schadet er ihr. Obwohl ich weiss, dass er mich zugern tot sehen würden. Nur damit er sich an mein Mädchen ranmachen kann. Er denkt wohl ich hätte seine Gefühle für sie nicht wahrgenommen.

Ich zwinge mich selbst aus meinen Gedanken, zurük in die Gegenwart, in der ich immer noch in diesem verdammten Kerker stecke. Arthur steht immer noch an der gleichen Stelle und scheint mit sich zu hadern. ,,Bitte", hauche ich flehend. Plötzlich greift er in seine Hosentasche und hohlt einen kleinen goldenen Schlüssel raus. Er steckt ihn ins Schloss und tritt bei Seite, damit ich heraustreten kann. Ich weiss nicht was in aller Welt in dazu bewogen hat mir den Kerker zu öffnen, doch ich könnte ihn abknutschen dafür. Aus purer Dankbarkeit packe ich sein Gesicht mit beiden Händen und drücke ich ihm einen dicken Kuss auf seine Stirn. ,,Du wirst es nicht bereuen alter Mann. Ich werde siegen!", rufe ich zurück, während ich bereits zum Ausgang sprinte.

"Oh und ob ich das bereuen werde. Ich brauche jemanden der sich mit Grabsteinen auskennt....", murmelt Arthur vor sich hin und begibt sich langsam zum Ausgang.

Als ich endlich die schmale, kleine Treppe hoch bin, erkenne ich, dass der Kerker in der Hölle ist. Ich stehe noch im Höhleneingang, der zu den Kerkern führt und habe somit einen gewissen Schutz vor Blicken.

Ich spähe nach links und sehe, dass Satan's Thron gleich in der Nähe steht. Doch von ihm keine Spur. Auch keiner meiner Geschwister hält sich hier auf. Nur die kleinen Dämonen und tote Kreaturen tummeln sich herum und laben sich an den Kadavern.

Ich verliere keine Zeit und renne sofort zu der Treppe, die hinausführt. Als mein Fuss die erste Stufe betritt, spielt sich die Szene wie ich die bewusstlose Gracie hier hoch trage, wie ein Film in meinem Kopf ab. Ihr Gesicht in meinen Gedanken spornt mich nur noch mehr an, schnell zu rennnen.

Jetzt bin ich zwar frei, doch mir ist sehr wohl bewusst welche Aufgabe jetzt auf mich zukommt.

Ich muss Satan töten. Doch wie soll ich ihn finden? Und noch viel wichtiger: wie soll ich Gracie finden?

Sie:

Xavier grinst hämisch während er langsam auch mich zuläuft. Mein Herz schlägt immer schneller, ich werde Nervös. Obwohl ich die Bedrohung klar spüre, will bei mir keine wirkliche Angst aufkommen. Zu gross sind meine Gefühle für ihn. Ich will einfach nicht wahrhaben, dass er mir etwas antun will. ,,Xavier, was soll das?", will ich wissen. Er gibt mir keine Antwort und läuft immer weiter auf mich zu. Fast wie automatisch beginne ich langsam Rückwerts zu gehen. Er beschleunigt seine Schritte und ich drehe mich um und beginne zu rennen. Der Kirchengang ist sehr lang, da die Kirche auch enorm gross ist. Ich renne zwischen den Bänken nach vorne Richtung Altar, als mich plötzlich ein schweres Gewicht zu Boden wirft. Ich erkenne dass Xavier sich auf mich geworfen hat. Nun liegt er auf meinem Rücken und erdrückt mich mit seinem Gewicht. ,,Xavier, was-", ich schaffe es nicht den Satz zu beenden. Er meint:,,Sei still du dumme Göre. Nun wollen wir doch mal sehen wie viel Engel tatsächlich in dir steckt." Nun spühre ich die Angst nicht nur, sie hat sich in jede Faser meines Körpers festgefahren und beherrscht mich. Ohne es zu wollen, merke ich plötzlich wie es zwischen meinen Schulterblättern kribbelt. Bitte nicht. Xavier packt mich mit einer Hand am Haar und mit der anderen an der Schulter und zieht mich hoch. Als ich dann gekrümmt und ihm mit dem Rücken zugewandt vor ihm stehe, schubst er mich und deutet zum Altar. Wir gehen darauf zu und er denkt nicht einmal daran seinen Griff zu lockern. Ich merke wie sich seine langen Nägel in meine Schulter graben. Seit wann hat er solche Klauen? Als wir beim Altar, der eine grosse Platte aus weissem Marmor ist, angekomen sind, hieft er mich mit einem Ruck drauf. Ich schlage so hart mit dem Kopf auf, dass mir schwindelig wird. Das letzte was ich sehe, bevor mir schwarz vor Augen wird, sind die gelben, langen Klauen, die gierig über meinem Gesicht schweben.

666 - Unsterbliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt