Sie:
Die Sonne scheint und wärmt mir den Rücken, als ich auf einer Bank im Innenhof der Schule sitze. Ich starre einfach einen Baum und dessen wunderschöne orange-rote Blüten an und frage mich was für ein Baum das ist.Plötzlich lässt sich Xavier neben mich auf die Bank fallen und lächelt müde.
,,Wie geht's dir", möchte ich wissen. Als der Wind ihm einige Haarsträhnen in die Stirn bläst, streicht er sie lässig zurück und meint:,,Ich verlasse heute Abend für einige Tage die Stadt."
Für einen kurzen Moment bin ich nicht sicher ob mir das egal sein soll oder ich mich sorgen sollte. "Wohin geht die Reise?", frage ich scherzhaft. Sein Gesichtsausdruck wird hart und er sagt mit fester Stimme:,,Ich muss einiges erledigen."
Als er den Kopf in seine Hände legt und sich langsam die Augen reibt, erblicke ich das Drachentattoo und plötzlich schwirrt mein Kopf. So als will er mir etwas sagen - eine verlorene Erinnerung zurückbringen. Plötzlich flackert ein Bild von der Frau die ebenfalls ein Drachentattoo hatte, in meinem Kopf auf. Noch bevor ich etwas sagen kann, ist Xavier schon aufgestanden, hat die Fäuste geballt und sieht mich mit einem strengen Blick an.
Mir fällt ein, dass er meine Gedanken gehört haben muss doch mir ist nicht klar, was ihn plötzlich so verärgert hat.Er:
Gracie sieht mich mit diesem verängstigten und hoffnungsvollen Blick an. In ihrem Kopf kann ich hören, dass sie sich fragt was los ist. Sie weiss nicht was ich weiss, und das ist wahrscheinlich auch am besten so. Ich spüre wie sie wütend wird, wie sich ihr ganzer Körper nach Antworten verzerrt, doch ich kann ihr keine, für Menschen logische, Erklärung geben. Mein Kopf schwirrt, genau wie nach einem Glas Whisky, nur ist dieses Schwirren in keinster Weise betörend und entspannend sondern beängstigend. Besorgt blicke ich sie an, sie schnappt nach Luft und beginnt zu sprechen: ,,Wer war sie?'', möchte Gracie wissen. Ich werfe einen Blick über meine Schulter um sicherzugehen, dass uns niemand belauscht. "Meine Schwester", entgegne ich ihr leise. Ich sehe wie sie sich an Numa zurückerinnert, an ihr rotes Haar, die eiskalten Augen und vor allem an das Drachentattoo in ihrem Gesicht. ,,Was hat sie dir gesagt?'', will ich eindringlich wissen.
Sie runzelt die Stirn und scheint nachzudenken. ,,Ich glaube, sie sagte so etwas wie >Du weisst also Bescheid, das wird Vater interessant finden< ". Mein Herz setzt fast aus als ich das höre. Aber nicht vor Schreck sondern vor Wut. Wie kann Numa Gracie nur da rein ziehen? Wenn sie Vater etwas verraten sollte, dann ist es aus. Er wird keine Gnade zeigen und uns einfach wie störende Fliegen zerquetschen. Ein letztes Mal blicke ich sie an, bevor ich ihr den Rücken zukehre und gehe.Als ich zu Hause ankomme werfe ich zu erst einen Blick aus dem Fenster, um sicherzustellen, dass mir auch niemand - Gracie - gefolgt ist. Dann schnappe ich mir einige Schachteln Marlboro Zigaretten die ich gemeinsam mit einem Bündel Geld der in meinem Nachttisch liegt in meine Hosentaschen stopfe und setzte mich dann auf meinen Sessel. Ich nehme die halbleere Whiskyflasche und halte sie an meinen Mund. Dann lasse ich die wohltuende Medizin meinen Rachen hinunterlaufen und die Sorgen wegspülen. Grinsend starre ich an die Decke meiner Wohnung. Meine Gedanken sind still, sie gewähren mir einige Momente der Ruhe bevor das grosse Chaos ausbricht.
Sie:
Mittlerweile bin ich zu Hause angekommen. Auf dem Weg dahin, hatte ich genügend Zeit um nachzudenken und um einen Entschluss zu fassen. Ich werde Xavier folgen. Zunächst hat diese Frau mit dem roten Haar unermessliche Neugierde in mir geweckt und zum anderen mache ich mir Sorgen um ihn.
Was ich mir lange nicht eingestehen wollte, scheint mich nun eiskalt ins Gesicht zu schlagen; ich habe Gefühle für ihn welche ich nicht länger verstecken kann. Meiner Mutter erzähle ich, ich würde bei Fiona schlafen, damit sie sich keine Sorgen macht. Ausserdem packe ich eine kleine Sporttasche mit einigen Klamotten, vergewissere mich, dass mein Ladegerät fürs Handy und meine Geldbörse in meiner Tasche sind und verlasse dann das Haus. Mit meinem Jeep fahre ich zu Xavier's Wohnung. Ich weiss zwar nicht, wann er aufbricht, doch ich werde einfach vor der Türe, natürlich versteckt, warten bis er hinausgeht.
Als ich das Auto auf der anderen Strassenseite geparkt, alle Türen abgeschlossen und meine Gedanken auf ein Minimum reduziert habe, sacke ich in den Sitz und drehe das Radio auf. Noch einmal ermahne ich mich, nichts zu denken, denn Xavier würde meine Gedanken schon von Weitem hören und mich wahrscheinlich gewaltsam davon abhalten mitzukommen.
Mein Blick fällt plötzlich auf das Armband an meiner Hand und ich erinnere mich daran, wie er es mir an diesem verregneten Nachmittag geschenkt hat. Mit meinem Zeigefinger streiche ich über die eingravierten Drachen und seufze. Xavier ist voller Geheimnisse, die ich nur zu gerne alle aufdecken würde. Doch leider ist er so darauf fixiert Leute auf Abstand zu halten, dass er gar nicht mitbekommt wenn jemand ernsthafte und ehrliche Gefühle für ihn hat.
Ich neige meinen Kopf nach rechts und erblicke plötzlich Xavier. Seine Händen hat er in die Hosentaschen gesteckt und die Kapuze weit ins Gesicht geschoben. Lässig lauft er mit einer Zigarette im Mund zur nächsten Kreuzung. Schnell steige ich aus meinem Jeep, immer darauf bedacht möglichst nichts zu denken, und laufe mit einigen Metern Abstand hinter ihm her.
Damit er auch wirklich nicht mitbekommt, dass ich ihm folge konzentriere ich mich permanent auf eine weisse Leinwand in meinem Kopf. Genau wie ich es bei Numa getan hatte, als sie versuchte meine Gedanken zu lesen. Ich hielt mich für schlau, doch letztlich war es dieser Selbstschutzmechanismus der mich verraten und womöglich Xavier und mich in grosse Schwierigkeiten gebracht hat. Ich habe Mühe Schritt mit ihm zu halten, denn einerseits geht er schnell und andererseits ist es schwer in der Dunkelheit eine schwarzgekleidete Person, in einem Menschenmeer aus Touristen und verrückten New Yorkern, wieder zu erkennen.
Nach einigen Minuten biegt Xavier schliesslich in eine kleine Seitenstrasse ein und klettert die Feuertreppe hoch. Erst als ich mich vergewissert habe, dass er bereits auf dem Dach ist, laufe auch ich schnell hoch.
Damit er mich nicht entdeckt, verstecke ich mich hinter dem Heizschuppen auf dem Dach, von wo aus ich eine perfekte Sicht auf ihn habe. Er steht auf der anderen Seite des Eingangs zum Gebäude und starrt die Wand an. Immer die weissen Leinwand vor meinem inneren Auge, beobachte ich ihn gespannt.
Er:
Ein letztes Mal atme ich tief ein bevor ich meine Hand auf die kalte Ziegelsteinmauer auf der anderen Seite der Türe zum Eingang des Gebäudes lege. Ich stehe in einem gut verstecktem Winkel, in dem mich keine Menschenseele sehen sollte.
Ich konzentriere mich voll und ganz darauf, meine gesamte Energie in meiner Hand zu konzentrieren. Plötzlich spüre ich wie mein Drachenmal kribbelt, ein altvertrautes Gefühl, und ehe ich mich versehen habe, hat sich auch schon eine Art Tor geöffnet. Es ist wie ein Türrahmen aus Flammen. Eine kleine, enge Treppe führt tief nach unten. Allein schon beim Gedanken daran jetzt hinunter steigen zu müssen bereitet mir Magenkrämpfe. Schon von hier aus, höre ich die Gedanken und das schallende Gelächter meiner Geschwister. Meine Zigarette, die bislang fünfte seit ich das Haus verlassen habe, werfe ich weg und begebe mich nach unten.Sie:
Ich reibe mir meine Augen um mich auch zu vergewissern, dass ich nicht träume.
Eine Tür aus Flammen ist plötzlich erschienen in der Xavier mir nichts, dir nichts verschwunden ist.
Eine unglaubliche Hitze schlägt mir, trotz des grossen Abstandes, entgegen und ich gerate in Wallung. Als er nicht mehr in Sichtweite ist, folge ich ihm blitzschnell die Treppe hinunter, denn ich befürchte sie wüird sich bald schliessen. Ich weiss nicht wohin mich diese steile Treppe führt, und ich weiss nicht woher ich diesen Mut nehme mich in solche Gefahr zu begeben. Für einen kurzen Moment erlaube ich mir die weisse Leinwand auszublenden und an Xaviers Gesicht zu denken. Doch schnell fokussiere ich mich wieder auf mein Ziel: Xavier vor Schwierigkeiten zu bewahren.
Obwohl ich noch nicht wirklich weiss, wie ich, einfaches Menschlein, das anstellen soll.
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666 - Unsterbliche Liebe
RomanceSeit Anbeginn der Zeit gibt es Gut und Böse. Wir kennen sie in Form von Gott und dem Teufel Manche Leute glauben daran, andere nicht. Ein Mädchen, das bestimmt nicht daran glaubt ist Gracie. Sie lebt ein normales und behütetes Leben fernab von jegl...