Sie:
Es ist bereits Mittag als ich mich langsam zur Mensa begebe. Die Flure der Schule sind wie leergefegt und in weiter Ferne kann ich das Raunen und die Stimmen der anderen hören.
Langsam laufe ich durch den Flur als ich plötzlich aus der Putzkammer ein gequältes Stöhnen vernehme. Vorsichtig nähere ich mich der Kammer und spähe durch das Schlüsselloch. Ich kann nichts erkennen, also öffne ich die Türe. Durch den Lichtkegel der durch den offenen Türspalt kommt, kann ich sehen wie der neue Hausmeister auf dem Boden sitzt und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die linke Schulter fasst. Sein Kiefer ist angespannt und seine Augen geschlossen. ,,Was ist los? Kann ich dir helfen?'', frage ich, während ich versuche einen möglichst kühlen Kopf zu bewahren. Er sagt kein Wort, also nehme ich seine rechte Hand weg die er auf den linken Oberarm gedrückt hat. Schnell suche ich einen scharfen Gegenstand mit dem ich seinen Blaumann aufschneiden kann. Ich blicke mich um und entdecke auf dem Tisch neben uns eine rote Schere. Mit dieser mache ich einen kleinen Schnitt, den ich dann von Hand aufreisse.
Als ich zu sehen bekommen, was ihn so quält, verstehe ich nichts mehr. Das was ihm solche Schmerzen zu bereiten scheint, ist sein Tattoo. Er wirft seinen Kopf nach Hinten und schnappt nach Luft. Schnell schnappe ich mir einen sauberen Lumpen, befeuchte ihn mit Wasser aus dem Waschbecken, dass neben der Türe ist und lege es auf sein Tattoo. Er windet sich und öffnet schliesslich die Augen. ,,Das bringt nichts, hör auf!'', schreit er mir fast schon entgegen.
Ich falle nach Hinten auf meinen Hintern und blicke ihn mit grossen Augen an. Schweissperlen haben sich auf seiner Stirn gesammelt. Also nehme ich den Lappen und wische ihm damit das Gesicht ab. Mir scheint, dass sein Gesicht sich langsam entspannt und die Härte verschwindet.
Sein Kiefer hat sich gelockert aber nun zittert er am ganzen Körper. ,,Frierst du? Kann ich dir irgendwie helfen?'', frage ich verängstigt. Er schüttelt den Kopf. Ohne ein weiteres Wort, streiche ich einfach mit dem Lappen über seine Stirn in der Hoffnung, ihm würde es bald besser gehen.
Er:
Vor lauter Schmerz habe ich zunächst gar nicht bemerkt, dass das Mädchen neben mir Kniet. Erst als sie meinen Blaumann aufgerissen hat, wurde mir bewusst, dass ich nicht allein bin.
Ihre grossen schwarzen Augen blicken mich besorgt an, sie ist kreidebleich als sie mir mit dem Lumpen die Stirn kühlt. Dieser Schmerz in meinem Oberarm, mein Drachenmal, ich weiss nicht was das ist. Ich habe es zuvor noch niemals gespürt, heute ist es das erste Mal, dass es mir Schwierigkeiten bereitet. Es ist als würde mir jemand den Oberarm aufreissen und mir alle Sehnen und Muskeln einzeln herausreissen. Beinahe beisse ich mir auf die Zunge als ich einen gequälten , leisen Schrei ausstosse. Meine Atmung geht schnell und stossweise und ich fühle mein Herz rasen.
Gerade als mir droht schwarz vor Augen zu werden, spüre ich wie der Schmerz allmählich nachlässt. Als ich mir sicher bin, dass ich bei vollem Bewusstsein bin, traue ich mich einen Blick darauf zu werfen. Nichts. Ich blicke mein Drachenmal an und stelle fest, dass es aussieht wie immer. Der schwarz-graue Drache windet sich von meiner Schulter bis zu meinem Unterarm. Ich blinzle einige Male schnell, dann fällt mein Blick von meinem Unterarm auf das Mädchen. Als sie merkt, dass ich langsam wieder zu mir komme, scheint sie erleichtert. Sie lächelt leicht als ich sie ansehe.
,,Alles in Ordnung?'', fragt sie. Ich blicke sie mit zusammengekniffenen Augenbrauen an und versuche ihre Gedanken zu lesen. Ich spüre nur Fürsorge, keinerlei Hintergedanken oder Erwartungen einer Gegenleistung. Ihre schwarzen, grossen Augen ruhen auf meinen und warten offenbar auf eine Antwort. ,,Danke'',sage ich mit einer möglichst festen Stimme. Sie lächelt noch einmal und steht auf, um den Lumpen erneut zu befeuchten. ,,Passiert dir das oft?'',will sie wissen.
,,Nein. Das war heute das erste Mal.'' Sie nickt leicht und beginnt mir wieder die Stirn ab zu tupfen.
Sie sitzt einfach nur schweigend da, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Langsam streiche ich mit meiner rechten Hand über meinen linken Oberarm und betrachte den Drachen. Mir ist einfach nicht schlüssig, wieso es plötzlich so sehr brannte.
Sie:
Während er gekrümmt da sitzt und seinen Oberarm betrachtet, merke ich wie ich leicht erröte.
Selten habe ich jemand so Schönes gesehen wie ihn. Sein schwarzes raspelkurzes Haar, dass sein ovales Gesicht kaum berührt. Seine vollen, himbeerfarbenen Lippen und seine umwerfenden grauen Augen. Für einen kurzen Moment glaube ich zu träumen. Plötzlich reisst mich das Klingeln der Schulglocke aus meinen Gedanken und er sieht zu mir auf. ,,Ich muss los, kommst du alleine klar?'', frage ich schnell, bevor ich meine Tasche nehme. Er nickt nur und steht langsam auf. Schnell greife ich ihm unter den rechten Arm um ihm zu helfen. Als ich sicher bin, dass er fest auf beiden Beinen steht, verlasse ich die Putzkammer ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren. Mit schnellen Schritten gehe ich zur Sporthalle.
Als ich völlig ausser Atem die Sporthalle betrete, schiessen alle Blicke in meine Richtung.
,,Sie sind zu spät'', bemerkt Mrs. Dawson, meine Sportlehrerin. ,,Es tut mir leid, ich wurde verhindert'', entgegne ich ihr, während ich auf meinen Platz auf dem Volleyball-Feld zusteuere.
,,Na, meine Schöne, auch schon da?'', die Stimme von Nevil, jagt mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Schon seit Wochen, rennt er mir hinterher, in der Hoffnung ich würde mich auf ihn einlassen. Ohne ihn weiter zu beachten, gehe ich in Position und warte darauf, dass der Ball auf mich zukommt.
Das Spiel zieht sich in die Länge und als ich endlich zum Schuss komme und den Ball mit einem harten Hieb wieder auf die andere Seite des Netzes befördere, ist mir, als ob ich den jungen Hausmeister an der Tür lehnen, gesehen habe. Ich kneife meine Augen zusammen und als mein Blick wieder scharf wird, muss ich enttäuscht feststellen, dass ich mir das nur eingebildet habe.
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666 - Unsterbliche Liebe
RomansaSeit Anbeginn der Zeit gibt es Gut und Böse. Wir kennen sie in Form von Gott und dem Teufel Manche Leute glauben daran, andere nicht. Ein Mädchen, das bestimmt nicht daran glaubt ist Gracie. Sie lebt ein normales und behütetes Leben fernab von jegl...