Er:
Stumm sitze ich auf Arthurs Couch und starre ins Leere. Unbewusst wäge ich die ganze Zeit meine Möglichkeiten ab. Die Aussicht auf ein schönes Leben mit Gracie ist verlockend, doch meine Existenz als Dämon ist es ebenso. ,,Sag mal Arthur, inwiefern werde ich schwächer? Verliere ich bloss die Lust zu morden oder auch meine dämonischen Kräfte?'' Er schnalzt einige Male mit der Zunge ehe er mir eine Antwort gibt. ,,Nun, bei deinem Vater war es so, dass seine ganze Kraft schwand. Zunächst wurde seine physische Kraft kleiner, nach und nach schwand dann auch die Fähigkeit des Kontrollierens. Ich schätze hätte er nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen, hätte er relativ bald auch die Gabe des Gedankenlesens verloren.“
Ich merke wie mir eine Schweissperle die Stirn runterläuft und ehe ich sie Abwische ist sie auch schon auf mein Knie gefallen. Meine Jeanshose saugt die salzige Schweissperle sofort auf und hinterlässt einen kleinen dunklen Punkt. ,,Xavier!“, sagt Arthur streng. Ich blicke blinzelnd auf, offenbar war ich in Gedanken versunken. Dennoch ist mir nicht entgangen was Arthur gesagt hat.
Er blickt mich ernst und gleichzeitig erschrocken an. Ich brauche gar nicht zu fragen was los ist, ich kann seine Gedanken bereits hören. ,,Denkst du wirklich das würden sie tun?'', frage ich. Er kratzt sich am Hinterkopf und nickt eifrig. ,,Natürlich würden sie das“, meine ich bitter. Mich überrascht Arthurs Gedanke, dass meine Geschwister versuchen werden Gracie zu töten, nicht. Ich habe es schon kommen sehen. ,,Was soll ich jetzt tun?'', will ich wissen. Arthur steht auf, holt sich ein Bier aus dem alten, verrosteten Kühlschrank und als er wieder auf den Stuhl sackt meint er:,,Nun, du musst herausfinden was du willst. Ist dieses Mädchen diesen ganzen Stress denn wert?''
Ich blicke ihn eindringlich an und nicke. Auch er nickt mir zu und sagt:,,Dann renn so schnell und so weit du kannst, Junge.“ Ich rolle mit den Augen, sein Sarkasmus ist nun wirklich fehl am Platz. Ich will gehen, doch Arthur erhebt sich blitzschnell und packt mich mit seinen schwitzigen Händen am Arm. In seinem Kopf höre ich, dass er mein Drachenmal sehen will. Als ich meine Jacke ausziehe und den Ärmel meines Shirts hochschiebe schnalzt er mit der Zunge und fährt mit der flachen Hand drüber. Erst jetzt sehe ich, dass an der Stelle wo vor einigen Tagen noch der Drachenschwanz verkohlt war, alles wie vorher ist. ,,Was,aber wie kann das sein?'', frage ich perplex. Arthur grinst und sagt:,,Das ist die Macht des Armbandes. Xavier, behalte das Armband so lange du kannst an. Ich gehe davon aus, dass es deine dämonische Kraft noch bündelt, solange die gute Seite nicht vollkommen Besitz von dir ergriffen hat. Dein Vater hatte damals keinen solchen dämonischen Gegenstand der ihn bei Sinnen hielt.“ Langsam ziehe ich mir wieder meine alte Lederjacke über und ehe ich über die Türschwelle trete sage ich noch:,,Er hatte auch keine 665 Geschwister die ihm den Arsch aufreissen wollten.“
Ehe die Türe hinter mir ins Schloss fällt kann ich noch Arthurs Lachen über meine Bemerkung vernehmen.
Sie:
Ich klopfe mit meinen Fingern ungeduldig auf dem Tisch herum während ich auf Xavier warte. Wir haben uns in einem Café verabredet. Fieberhaft überlege ich ob ich ihm von dem Zusammentreffen mit Numa erzählen soll. Ehe ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, umschliessen mich auch schon zwei warme, starke Arme von hinten und ich bekomme einen Kuss auf die Wange.
Mit einem breiten Lächeln lässt er sich auf den Stuhl gegenüber von mir fallen. ,,Wie gehts dir?'', will Xavier wissen. ,,Jetzt gut'', meine ich während ich mich zu ihm lehne und ihm einen Kuss gebe.
,,Ich hab dir viel zu erzählen'', entgegnet er. Eindringlich sehe ich ihn an und deute ihm damit anzufangen. ,,Dir ist klar was ich bin?“, will er wissen. Ich sehe mich kurz im Café um nur um sicher zu gehen, dass uns auch niemand hört, dann nicke ich bloss. ,,Mein Vater hat sich damals in eine Frau verliebt. Einen Menschen.'' Meine Augen weiten sich, ich kann nicht glauben was ich höre. Er lächelt kurz als er meinen Gesichtsausdruck sieht und fährt dann fort:,,Jedenfalls hat er sich in sie verliebt. Und mit jedem Tag an dem seine Liebe zu ihr wuchs, schwand seine Kraft. Irgendwann hatte er dann den Entschluss gefasst, dass ihm sein Dasein als Dämon wichtiger war als meine Mutter, also tötete er sie und bewahrte sich somit sein Leben.“ Ich bin verwundert wie emotionslos Xavier über seine Mutter spricht. Ich erkenne keinen Funken Wut für die Tat seines Vaters. In meinen Augen war das eine egoistische Tat. Er hat all seinen Kindern ihre Mutter genommen, nur um selbst weiterhin ein Dämon bleiben zu können. Xavier fährt fort:,,Du weisst ja, dass das Armband dass ich trage voller dämonischer Energie ist. Diese Armbänder hat mein Vater mit Absicht für uns anfertigen lassen, weil er Angst hatte, dass sich auch jemand von uns in einen Menschen verlieben könnte. So wollte er uns bei Sinnen halten. Ich jedoch habe als einziger seine Schwäche geerbt.“ Ich schlucke schwer. Diese Welt in der ich lebe wird mit jedem Tag verrückter. Xavier wird von der Kellnerin unterbrochen, die unsere Bestellung aufnehmen will. Ziemlich unfreundlich wimmelt er sie wieder ab, offenbar hat er mir noch mehr zu sagen. ,,Wissen deine Geschwister davon?'', will ich wissen. Er schüttelt den Kopf:,,Wahrscheinlich nicht. Ich glaube nicht, dass Vater sich die Blösse geben würde zuzugeben, dass er sich in einen Menschen verliebt hat. Meine Geschwister würden den Respekt vor ihm verlieren.“ Wie heuchlerisch; Satan trainiert seine Kinder darauf Menschen zu töten doch dabei hat er selber all diese Dämonen mit einem Menschen gezeugt. ,,Ich weiss“, meint Xavier. Mit einem leicht angewidertem Blick nickt er. Ich begreife, dass er meine Gedanken gehört haben muss und erröte leicht. Mittlerweile hat sich das Café gefüllt und die Leute an den anderen Tischen sind ziemlich laut, also rücke ich ein Stück näher zu Xavier heran. ,,Was wirst du jetzt tun?'', frage ich. Ich kann mir denken in was für eine Situation das Xavier rückt. Er muss sich wohl zwischen mir und seinem Dämonenleben entscheiden. ,,Ich weiss, dass dir das schwer fallen muss. Schliesslich bist du ein mindestens genauso stolzer Dämon wie dein Vater. Wenn du dich für dein Dasein als Dämon entscheiden würdest, könnte ich es zwar niemals verstehen aber ich würde es akzeptieren“, entgegne ich ihm möglichst verständnisvoll. Ich möchte, dass er diese Entscheidung alleine trifft und ich ihn nicht irgendwie manipuliere. Wenn ihm seine Kraft wichtiger ist als ich, dann muss ich wohl oder übel damit leben. Ich blicke auf den Tisch und warte auf Xaviers Antwort. Und mit jeder Sekunde – die sich wie eine Ewigkeit anfühlt - die verstreicht, hoffe ich nur nicht zu hören, wie er sich von mir verabschiedet. Obwohl ich ihm gerne die Starke vorspiele, würde ich jämmerlich daran zerbrechen. Mein Herz rast und je länger ich auf eine Antwort warte, desto weniger will ich sie hören. Zu gross ist die Angst vor der Gewissheit über die Ungewissheit. Ich blicke vom Tisch auf und ihm direkt in seine grauen Augen. Doch statt etwas zu sagen, sieht auch er mich einfach an und schweigt. Aus Sekunden werden Minuten und aus Minuten werden unbeschreibliche Schmerzen die mir mein Herz zerreissen.
Er:
Hoffnungsvolle, grosse dunkle Augen starren mich von der anderen Seite des Tisches an. Und mit einem Mal scheint die Antwort klar. Ich kann nicht mit Gracie zusammen sein – jedenfalls noch nicht. Ein Leben mit mir wäre so viel gefährlicher für sie als ihr normales bisheriges Leben ohne mich. Es zerreisst mir das Herz, es schnürt mir die Kehle zu, es entzieht mir jegliche Luft aus meinen Lungen, es lähmt jeden einzelnen meiner Muskeln – aber es ist das einzig Richtige.
Ich schweige immer noch und plötzlich füllen sich ihre Augen mit Tränen. Sie hat wohl verstanden, was ich nicht auszusprechen wage. Denn sie steht auf, zieht sich ihre Jacke über und wirft mir noch einen letzten, verletzten Blick zu bevor sie das Lokal verlässt. Sie wirft mir einen Blick zu, den ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen werde.
Als sie weg ist, schlage ich mit meiner Faust auf den Tisch, sodass die Kerze die darauf steht umkippt. Der heisse Wachs verteilt sich über die Tischdecke und wird nach wenigen Sekunden sofort hart. Mein Herz blutet aber ich weiss, dass es besser so ist. Ich muss erst ein sicheres Umfeld für sie schaffen, denn ich kann es mir nicht verzeihen, wenn ihr irgendetwas zustösst. Wenn meine Familie erst einmal erfährt, dass ich nichts mehr mit Gracie zu tun habe bin ich guter Hoffnung, dass sie sie in Ruhe lassen. Ruckartig stehe ich auf und als ich das tue, fällt der Stuhl auf dem ich gesessen habe um. Mit meiner Jacke in der einen und meiner Zigarettenschachtel in der anderen Hand verlasse ich das Café.
Ich rase mit meinem Auto Richtung Norden. Eigentlich passt mir das überhaupt nicht, aber Gracie's Wohl steht an erster Stelle. Ich bin auf dem Weg zu Nevil. Ich weiss, dass er ein Engel ist. Und ich weiss auch was in der Kirche passiert ist, schliesslich habe ich es in Gracie's Gedanken gesehen. Ich befürchte, dass er der einzige ist der jetzt noch helfen kann.
Als ich endlich vor seinem Haus, etwas ausserhalb des Stadtzentrums, ankomme und meine Autotüre zuschlage geht plötzlich das Wohnzimmerlicht an. Ehe ich an die Türe klopfen kann, schwingt die Türe auch schon auf und Nevil steht vor mir. ,,Darf ich reinkommen?'', frage ich möglichst höflich. Er versperrt mir mit einem Arm den Durchgang und ich meine bitter:,,Du bist ja gastfreundlich.'' Er sieht mich mit einem angewiderten Blick an und sagt dann streng:,,Wieso bist du hier?'' Ich werfe kurz einen Blick über meine Schulter, dann sage ich möglichst leise:,,Du musst mir einen Gefallen tun.“ Nun mustert er mich aufmerksam. ,,Du weisst, dass ich ein Dämon bin, richtig?'' Er nickt nur und in seinem Blick erkenne ich puren Hass und Ekel. ,,Du musst für mich ein Auge auf Gracie werfen. Sie ist nicht in Sicherheit. Ich befürchte, dass meine Familie versuchen wird, sie zu töten.“ ,,Weil du dich in einen Menschen verliebt hast“, folgert Nevil. Ich ziehe meine Augenbrauen hoch und bejahe. ,,Ich habe es so aussehen lassen, als ob ich mich für das Leben als Dämon entschieden hätte und Gracie somit zutiefst verletzt. Aber das ist gut so, denn in dem ganzen Kummer wird sie nicht versuchen Kontakt zu mir aufzunehmen und ist somit ein Stück weit sicherer.“ Nevil verschränkt seine Arme vor der Brust und hört ohne Kommentar weiter zu. ,,Ich weiss, dass du ein Engel bist. Und ich weiss auch, dass du und deine Engelsfreunde mächtig seid. Jedenfalls mächtig genug um ihr Leben zu sichern.“ Als ich das Wort Engelsfreunde ausspreche, kann ich den leichten Spott und Sarkasmus in meiner Stimme nicht unterdrücken. Offenbar ist das Nevil nicht entgangen denn er meint:,,Gut. Ich und meine ''Engelsfreunde'' werden ein Auge auf sie haben. Aber bilde dir ja nicht ein, dass ich das deinetwegen tue! Wir Engel beobachten das Geschehen schon seit längerem und wärst du heute Abend nicht zu mir gekommen, dann hätten wir bald eingegriffen.'' Ich nicke und setzte wieder an:,,Ich bitte dich nur noch um etwas; lass es weiterhin so aussehen, als ob ich nichts mehr von ihr wissen will. Nur so ist sie sicher. Du darfst ihr nichts von diesem Gespräch hier erzählen!“
Nevil nickt bloss und macht einen Schritt zurück ins Haus. ,,Du brauchst dir nicht einbilden, dass ich dich in Schutz nehmen werde. Ich werde ihr alles erzählen was sie wissen will und kein Blatt vor den Mund nehmen“, meint er. Ich werfe ihm nur einen Blick zu und wende mich dann zum Gehen, doch ehe ich die Veranda verlassen habe fragt Nevil:,,Wie weit würdest du für Gracie gehen?'' Ich werfe einen Blick über meine rechte Schulter und sage:,,Ich würde alles Nötige tun.“ ,,Würdest du auch deine Familie verraten?'', will er mit einem abwertenden Blick wissen. Ich drehe mich immer noch nicht um, sondern stehe halb abgewendet vor ihm. Meine Fäuste ballen sich fast schon automatisch als ich mit harter, kalter Stimme:,,Ja'', sage und dann mit schnellen Schritten durch die kalte Luft zu meinem Auto zurück gehe.
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666 - Unsterbliche Liebe
RomanceSeit Anbeginn der Zeit gibt es Gut und Böse. Wir kennen sie in Form von Gott und dem Teufel Manche Leute glauben daran, andere nicht. Ein Mädchen, das bestimmt nicht daran glaubt ist Gracie. Sie lebt ein normales und behütetes Leben fernab von jegl...