Kapitel 8

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Ich laufe die dunkle Strasse entlang. Einzelne Lampen erleuchten die Strasse und weisen mir den Weg. Obwohl es Herbst ist und dementsprechend kühl Draussen, trage ich nur ein T-Shirt, eine Jeans und Turnschuhe. Plötzlich höre ich ein Knacken hinter mir, sofort drehe ich mich um, doch ich kann Niemanden entdecken. Mein Herz klopft schneller und ich beschleunige meine Schritte.

Unachtsam wie ich bin, trete ich in eine tiefe Pfütze und spritze mich bis zur Hüfte voll. Ein kalter Wind bläst mir entgegen und lässt mich erzittern. Ich schmiege meine Arme um meinen Oberkörper um mich zu wärmen. Ich denke darüber nach, wieso ich überhaupt mitten in der Nacht alleine auf einer verlassenen Strasse umherirre. Ich suche in meinem Kopf, durchforste jede auch noch so kleine Ecke doch finde keine Antwort auf die Frage. Es kommt mir vor, als wäre ich nicht ich selbst. Als würde meine Seele über meinem Körper schweben und die Situation als Aussenstehende beobachten. Wieder vernehme ich ein Knacksen hinter mir und als ich mich umdrehe bin ich nicht allein. Die Person die hinter mir ist, steht nicht im Lichtkegel der Strassenlaterne, also erkenne ich nur eine vage Silhouette eines hochgewachsenen Mannes. Plötzlich leuchten seine Augen in einem strahlenden Rot auf und ich kann den puren Zorn in ihnen erkennen. Ich wage es nicht, auch nur ein Wort zu sprechen. Der Mann atmet schwer und ich entferne mich langsam einige Schritte. Dann drehe ich mich um renne los. Ich renne so schnell es mir meine Beine erlauben. Meine Lungen füllen sich mit der kalten Luft und schmerzen nach einigen Sekunden bereits. Ich erlaube mir, einen Blick zurückzuwerfen und muss zu meinem Entsetzen feststellen, dass mein Verfolger mir immer noch dicht auf den Fersen ist. Plötzlich geschieht alles ganz schnell. Ich richte meinen Kopf wieder nach Vorne und übersehe einen Ast der mitten auf dem Gehweg liegt. Ich stolpere und fliege durch die Luft, ehe ich flach auf meinem Bauch lande. Erneut werfe ich einen Blick nach Hinten, mein Verfolger ist fast bei mir angekommen. Obwohl mein Magen schrecklich schmerzt, raffe ich mich auf und sprinte weiter. Ich darf mich ihm nicht ausliefern. Während ich durch die nie zu enden scheinende Strasse renne, schiessen mir die verrücktesten Gedanken und Erinnerungen durch den Kopf. Ich sehe plötzlich ein Bild von mir vor meinem inneren Auge. Ich war noch ein kleines Mädchen, es war Halloween und ich trug ein rosa Prinzessinnenkleid. Mir ist schleierhaft wieso ich ausgerechnet jetzt daran denken muss. Ich realisiere, dass ich den Schmerz in meinem Unterleib, meine brennenden Lungen und die unbeschreibliche Angst für kurze Zeit erfolgreich ausblenden konnte. Gerade als meine Beine drohen einzuknicken pralle ich plötzlich in eine Steinmauer hinein. Völlig perplex betrachte ich die Wand und bemerke zunächst gar nicht, dass ich am Kopf blute.

Woher kommt plötzlich diese Mauer? Das macht alles keinen Sinn!

Schon höre ich ein Hecheln hinter mir. Der Mann hat mich eingeholt und als ich ihn anblicke, scheint mir, dass seine Augen nun noch gefährlicher aussehen. Um die Steinmauer herum, die mindestens drei Meter hoch und etwa vier Meter breit ist und mitten auf der Strasse steht, gibt es keine Lampen, nur in der Ferne spendet eine flackernde Lampe ein wenig Licht. Ich rutsche mit dem Rücken näher zur Wand und presse mich an sie. Mein Herz rast und ich befürchte das Schlimmste. Der Mann beugt sich plötzlich zu mir runter und fährt mit einem Finger über die Wunde an meinem Kopf. Bei der Berührung brennt es fürchterlich. Dann steckt er sich den Finger an dem mein Blut klebt in den Mund.

Er geht in die Hocke und starrt mir in die Augen. Auf einmal durchfährt mich die Erkenntnis, dass dieser furchteinflössende Mann Xavier ist. Aber wieso hat er solche roten Augen? Nichts ist mehr von seinem weichen Gesichtsausdruck übrig oder von seinen wunderschönen grauen Augen, die mich so an eine idyllische Winterlandschaft erinnerten. Er packt mich am Arm und zerrt mich auf die Beine. Ehe ich mich versehe, fliege ich wieder durch die Luft. Doch diesmal stolpere ich nicht, sondern habe eine Ohrfeige von Xavier bekommen. Meine Wange brennt und heisse Tränen rinnen mein Gesicht hinab und füllen meine Mundwinkel mit salzigem Wasser.

,,Wieso tust du das?'', frage ich ihn schluchzend. Er entgegnet mir nichts und ich kann erkennen wie er seine Hände in verschiedenen Formationen verbiegt. Plötzlich werden alle meine Muskeln hart und mir bleibt die Luft weg. Ich beisse meine Zähne zusammen, denn ich bringe kein Wort heraus.

Mein Kopf beginnt zu pulsieren und ich habe das Gefühl, mein Gehirn explodiert. Xavier lacht bösartig auf und ich mobilisiere all meine Kraft um zu sagen:,,Xavier, bitte, hör auf damit. Du bringst mich noch um.'' Doch anstatt Gnade zu zeigen, presst er seine Hände aneinander und ich winde mich wieder vor Schmerz. Ich kann keinen meiner Körperteile bewegen und ich glaube es geht bald zu Ende mit mir. Mein Herz schlägt immer langsamer, denn es will und kann das heisse Blut nicht mehr durch meine steifen Venen pumpen. Ich winsle noch ein letztes Mal, bevor Xavier wieder in die Knie geht und meinen Kopf mit seinen grossen Händen umfasst. Ich ahne was jetzt kommt und irgendwie bin ich auch froh darüber. Er wird mir den Kopf abreissen und meinem Elend ein Ende setzten. Ich denke noch ein letztes Mal darüber nach, wieso er das tut. Was ihn dazu bringt mich so zu hassen obwohl ich ihn doch so sehr liebe. Sein Griff um meinen Kopf wird fester und ich spüre wie sich meine Halswirbel lösen...-

Ich wache völlig verschwitzt und ausser Atem auf und fasse mir mit beiden Händen an den Kopf, er ist noch da, fest verankert mit meinen Schultern und ich bin nicht tot. Ich liege in meinem Bett und bin zum guten Glück alleine im Zimmer. Ich werfe einen Blick auf mein Handy, es ist drei Uhr morgens. Aus Angst, ich könnte wieder so etwas träumen, schliesse ich diese Nacht kein Auge mehr.

666 - Unsterbliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt