Kapitel 34 - Hoffnungslos

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Er:

Nevil läuft auf dem Dach auf und ab und sucht wohl eine Luke oder eine Öffnung durch die wir hineingelangen können. Elias liegt immer noch flach und murmelt mit geschlossenen Augen etwas vor sich hin.

Mit gerunzelter Stirn bleibe ich aprubt stehen. Ich spüre die Auren meiner Geschwister. Gleich unter uns. Zum Glück sind nur achtundzwanzig von ihnen hier. Obwohl sie uns jetzt schon gnadenlos überlegen sind. Ausserdem vernehme ich auch Gracies Aura. Ich erstarre.

Sie wird kontrolliert - Satan quält sie. Ich kann den schrillen Schrei in ihrem Kopf hören, jede Faser ihres Körpers ist zum Zerreissen gespannt.

In meiner Brust lodert es vor Wut. Ich balle meine Fäuste und meine zu Nevil:,,Wir haben keine Zeit hier nach Einstiegsmöglichkeiten zu suchen. Gracie wird kontrolliert, ich geh jetzt da rein." Nevils Mund klappt auf. ,,Nein! Wir müssen überlegt vorgehen!" Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. ,,Überlegt!? Jetzt ist nicht die Zeit zu überlegen, wir müssen handeln, du Trottel!''

Mit diesen Worten lasse ich ihn auf dem Dach stehen und laufe zum Dachrand. Das Dach ist von einem etwa fünfzehn Zentimeter hohen Zaun oder einer Art Gitter umrandet. An diesem Zaun halte ich mich mit beiden Händen fest, während ich über die Dachkante springe. Nun baumle ich vom Dach runter, den Blick wage ich nicht nach unten zu richten. ,,Xavier was tust du da?", ruft mir Nevil entgegen während er auf mich zuläuft. Schnaubend werfe ich ihm einfach einen abfälligen Blick zu. ,,Satan hat bestimmt auch die Fenster mit einem Fluch belegt. Wenn du da durchsteigst, erwischt es dich auch." Mit einer Geste zeigt er auf Elias, der immer noch auf dem Rücken liegt und seine Augen geschlossen hält. Ich ignoriere Nevil und seine Warnung. Gracie muss jetzt gerettet werden. Dämonen sind nämlich nicht für ihre Geduld bekannt.

Ich habe Glück, dass die dünnen Kirchenfenster gleich unter dem Dachrand aufhören. Ich stosse mich mit den Füssen vom Fenster ab nur um Sekunden später mit einem lauten Krach durch die gesamte Kirche zu fliegen und direkt zwischen meinem Vater und den anderen zu landen. Scherben fallen klirrend zu Boden und kleine Glassplitter heften sich im Flug an mich. Ich rolle mich ab als ich auf dem Boden aufkomme um den Fall abzufedern.

Keuchend bleibe ich eine Sekunde auf dem Rücken liegen und blinzle bis meine Sicht wieder klar ist. Die dumpfen, empörten Rufe meiner Geschwister hallen an den Kirchenmauern wider, Satan steht regungslos einige Meter neben mir. Als ich aufstehe, fällt mein Blick sofort auf den marmornen Altar auf dem Gracie angekettet ist. Sie trägt einen weissen Hauch von nichts, von dem ich mir nicht vorstellen kann, dass sie das selbst angezogen hat. Wut breitet sich in meiner Brust aus, als ich daran denke, dass jemand anderes ausser mir sie berührt hat. Ihr Körper liegt schlaff auf dem Altar, ihre Augen zucken hinter den geschlossen Lidern. Offenbar ist sie ohnmächtig. ,,Was tust du hier? Ich habe dich doch eingesperrt?", fragt Satan vorsichtig.

Ich schnaube abfällig während ich mir die Glassplitter von der Kleidung und aus meinem schwarzen Haar schüttle. ,,Vielleicht solltest du mal über eine Investition in neue Schlösser nachdenken.", entgegne ich. Mein Vater mustert mich eindringlich, mein Kommentar hat ihm ganz und gar nicht geschmeckt. Ohne Arthurs Hilfe - die ich nicht erwähne - währe ich in tausend Jahren nicht rausgekommen und das weiss Satan auch. Seinem verwirrten Blick, weicht ein belustigter. Um seine karminroten Augen bilden sich kleine Lachfältchen. Ich werfe einen Blick auf meine Geschwister. Jeder einzelne von ihnen ist angespannt und wartet nur auf Vaters nächsten Schritt.

Ohne gross darüber nachzudenken gehe ich zu Gracie rüber, ich spüre jedes einzelne Augenpaar das auf mich gerichtet ist. Gerade als ich ihr mit meiner Hand das haselnussbraune Haar aus der Stirn streichen will, werde ich zur Seite gschleudert. Einer meiner Brüder hat sich auf mich geworfen und hält mich nun - mit dem Gesicht am Boden - fest. Ich winde mich in seinem starken Griff und schnaube während er versucht mich mit Tritten ruhig zu stellen. Eine unglaubliche Wut kocht in mir hoch. Nicht nur angesichts der Tatsache, dass er mich so festhält. Auch Gracies Anblick setzt mir mehr zu als er eigentlich sollte. Ich beisse die Zähne zusammen und mir gelingt es ihn von mir zu schleudern. Er kracht mit dem Rücken voran auf eine Bankreihe und bleibt einen Moment regungslos liegen. Sofort stürzen sich zwei andere auf mich. Led zu meiner Rechten und Cade zu meiner Linken halten mich nun an den Armen fest und zwingen mich auf die Knie. Ihre Griffe sind so stark, dass mir meine Oberarme fast aus den Gelenken springen. Ich atme schwerfällig während mein Blick zwischen Satan - der abfällig lächelt - und Gracie - die immer noch bewusstlos ist - hin und herschweift. Plötzlich tritt Kevin vor mich - mein Bruder den ich eben auf die Bank geschleudert habe - und holt gefährlich weit aus. Als mich seine Faust mitten in die Augenregion trifft und meine Sicht für einen Moment verschwimmt, zische ich nur einen leisen Fluch. Ich merke wie mir etwas warmes und dickflüssiges über die Wange rinnt und schliesslich von meinem Kinn vor mir auf den Boden tropft. Ehe ich etwas sagen kann trifft mich schon die nächste Faust von Kevin. Als er von mir ablässt blicke ich ihn mit einem arroganten Blick an und rinne mir mit viel Mühe eine Grinsen ab. ,,Na dir wird das Lachen noch vergehen, du Verräter!", stösst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Wieder schlägt er einige Male zu bis mein Kopf regungslos runterhängt und mir das Blut wie ein Wasserfall das Gesicht hinabrinnt. Plötzlich lässt Kevin von mir ab und weicht zurück. Mein Gesicht wurde so mit Schlägen drangsaliert, dass mein linkes Auge vollkommen zugeschwollen ist. Mein ganzer Körper pocht vor Schmerz, und immer noch gilt jeder meiner Gedanken nur Gracie. Ich blicke auf und erspähe einen kurzen Blick mit meinem gesunden Auge. Ich habe das Gefühl, dass sie sich wieder regt. Scheinbar erwacht sie langsam aus der Bewusstlosigkeit. Die Sicht wird mir plötzlich versperrt, als Numa vor mich tritt. Ich bläcke meine Zähne und meine in verachtendem Ton:,,Verpiss dich, du Schlange. Wegen dir bin ich doch erst in dieser Position." Sie schnaubt abfällig und entgegnet mir:,,Du hast dich selbst in die Scheisse geritten. Hättest du die Finger von dem Halb-Engel gelassen, wärst du jetzt nicht so gut wie tot. Ich bin nur meiner Pflicht nachgegangen und habe Vater die Wahrheit gesagt. Die Wahrheit, Xavier. Das ist wohl etwas, das du nicht kennst." Als sie den Satz beendet hat, tritt sie mir mit ihrem Stiefel nochmals so fest in die Magengegend, dass ich zitternd zu Boden falle. Bevor sie sich umdreht schenkt sie mir noch ihr süssestes - verächtliches - Lächeln. Cade und Led halten mich nicht länger fest, sondern stehen stocksteif neben mir und blicken auf mich hinab. Ich atme schwer während ich versuche wieder auf die Füsse zu kommen. Als ich es endlich mit viel Mühe geschafft habe auf die Beine zu kommen, erfasst mich plötzlich dieses fremde Gefühl. Ich merke wie mein Körper mir nicht mehr gehorcht, doch das liegt nicht an den Schmerzen die mir meine Geschwister zugefügt haben. Nein - ich kenne dieses bewusstlose Gefühl. Gleich kommt der Schrei.

Ich bin auf meinen Knien, mein ganzer Körper ist zum Zerreissen gespannt, meine Arme halte ich seitwärts von mir gestreckt - alles nicht freiwillig.

Ich blicke in die Menge, jeden meiner anwesenden Geschwister an. Plötzlich tritt Satan hinter Numa vor, auf seinem Gesicht liegt ein hämisches Lächeln. ,,Genug jetzt. Lasst uns dieses Elend hier endlich zu Ende bringen." Er winkt mit einer Hand in Gracies Richtung doch wendet seinen Blick nicht von mir ab. Ich muss mich irgendwie befreien. Los, streng dich an ...

Panik steigt in mir auf und schnürt mir die Kehle zu. Was wenn ich keinen Ausweg finde? An meinem Leben liegt mir herzlich wenig, aber ich würde es nicht ertragen wenn Gracie etwas zustossen würde. Sie hat noch ihr ganzes Leben vor sich, das darf einfach nicht zu Ende sein.

Jede meiner Muskeln ist bis zum Anschlag angespannt. Der Versuch meine Arme zu bewegen kostet mich solche Anstrengung, dass sich bereits Schweisstropfen auf meiner Stirn sammeln. Als mir einer dieser Tropfen in mein gesundes Auge läuft, ergebe ich mich. Ich spüre wie meine Lungen nach Sauerstoff verlangen, doch durch Satans Kontrolle vermag sich mein Brustkorb nicht zu bewegen und ich drohe zu ersticken. Ich bin so ein Idiot. Ich versuche mich hier freizukämpfen, dabei kann Satan mir mit einem Fingerschnipp alle überlebenswichtigen Körperfunktionen abschnüren.

Während ich um mein Leben ringe, frage ich mich wo Nevil eigentlich bleibt. Braucht dieser Bastard erst eine extra Einladung?

666 - Unsterbliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt