Kapitel 5

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Hastig hebst du dich aus dem Becken der Therme heraus und blickst zu Jesus zurück. Seine Augen liegen auf dir und noch immer ist diese intensive Begierde in ihnen zu lesen. Ihr sehnt euch nach einander, doch ihr wisst beide was zu tun ist. Im schnellen Schritt läufst du zu dem Stoffhaufen; deiner Toga, die nassen Sohlen klatschen deutlich hörbar auf den Boden. Ungelenkig schlüpfst du in das bräunliche Gewand hinein. Es ist mühselig, schwieriger als du gedacht hast, denn der Stoff klebt unangenehm an deinem Körper. Es verhindert ein leichtes Überziehen und du fühlst dich merkwürdig dreckig in den alten Kleidern. Genervt versuchst du es zu ignorieren und läufst weiter, noch immer in Richtung Ausgang, an dem du schnaufend ankommst. Deine Toga haftet nun fast perfekt auf deinem Körper. So, als wäre das alles nie passiert. So, als hättest du hier bloß ein schnelles Bad genommen, doch bei Gott es war weitaus mehr geschehen und es ging um weitaus mehr, als nur die sexuellen Gelüste. Nein, unterbewusst hatten die Berührungen etwas ausgelöst, dass euch deutlich tiefer miteinander verbindet.

Du blickst noch einmal zurück auf das Wasser. Es glänzt romantisch, reflektiert den freien Himmel. Und auf dem glitzernden Wunder steht Jesus, nun ebenfalls in Toga gekleidet und schaut zu dir hinüber. "Wir sehen uns wieder", teilt dir sein intensiver Blick mit. Seine Augen ziehen dich in ihren Bann, er reißt dich mit und du drohst in ihnen zu verschwinden. In dem Strudel seiner Sehnsucht, der dich erbarmungslos einsaugt, nie wieder frei lässt. Wie sollst du dich nur solch einem Blick abwenden. Doch die Zeit läuft und wenn du hingerichtet wirst kannst du nie wieder in seine wundervoll honigfarbenen Augen blicken.

Du zögerst willst nicht, dass dich jemand von außerhalb hört, doch rufst dann doch aus vollem Halse:"Latrine!" und wendrst dich ab. Dein Herz zieht sich zusammen. Du wolltest, dass das hier anders endet, am besten mit seinem heißen Samen in deinem Mund, doch zumindest stand der Treffpunkt. Es hallte in deinen Gedanken wie ein Versprechen. Ihr würdet euch in den Latrinen treffen. Niemand würde von den Legionären gefasst werden, sonst wäre das Versprechen gebrochen. Kurz vor dem Eingang drehst du dich noch einmal um und blickst zu Jesus zurück. Er lächelt dich an. Diese minimale Bewegung, das leichte Heben der Mundwinkel löst eine Gänsehaut in dir aus. Sie überrollt dich mit einer Heftigkeit, die du nicht erwartet hast. Ihr seid füreinander bestimmt. Tief in deinem Inneren weißt du es. Du lächelt zurück, kurz bevor er sich umdreht und über das Wasser läuft, zu dem anderen, runden Ausgang. "die Latrine", flüsterst du leise vor dich hin. Ohne Zweifel, das war der schlechteste Vorschlag für einen Treffpunkt den es gab. Du konntest den barbarischen Gestank noch durch deine Erinnerung riechen.

"Da-Da waren sie", hörst du die zitternde Stimme des Alten. Das Geräusch von klackernden Sandalen folgt.

Panik. Deine Lunge zieht sich schmerzhaft zusammen unter viel zu schnellen Atemzügen. "Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren", denkst du, doch deine Hände zittern bereits. Schnell schwenkst du deinen Kopf in alle Richtungen, checkst die Umgebung und lauschst.

Stimmen. Schritte. ratternde Rüstungen.

Legionäre kommen!
Von Beiden Seiten!

Ruhig bleiben ruhig bleiben, doch wie? Du bist geliefert. Du präsentierst dich deinen Jägern auf einem goldenen Tablet, mit einer zusätzlichen, besonders leckeren Würzung einer weiteren Straftat. Etwas drückt gegen deine Lunge, verbietet dir das Atmen. Es fühlt sich an wie eine ganze Tonne, die sich auf dich stetzt, dir das Denken verbietet. Dein Atem rasselt, du vergisst auszuatmen. "sterben, sterben, sterben", schreit dein Kopf gegen die Schädeldecke, als würde dir Sauerstoff für etwas hilfreicheres fehlen. Deine Augen tränen, als du dich zu Boden fallen lässt und die verschwommene Sicht gen Himmel richtest. Noch immer erstreckt er sich hell und wolkenlos über dir, spürt nichts vin deinem persönlichen Unglück und wird auch nach deinem Tod weiter leuchten. Die Schritte, die Stimmen. Sie kommen näher. Du bist hilflos.

Und dann aufeinmal, aus dem nichts heraus ist es, als würde die Welt zur Seite kippen. Es ist still, das Wasser vor dir steht merkwürdig ruhig in seinem Sein. Du schaust auf deine Hände. Beobachtest, wie sich die verschwommenen, schlacksigen Akren zusammen ziehen und fokusieren. Und da kommt es dir, die erlösende Idee. Dein Kopf schießt nach Vorne. Eine gipsfarbene Statue erstreckt sich in prachtvoller Höhe vor dir. Eine leicht bekleidete Frau, mit Dekor verziert. Schnell springst du vom Boden auf und läufst im weiten Schritt zu ihr hin. Viel Zeit bleibt dir nicht. Ohne groß nachzudenken steigst du die Statur hinauf, packst die Arme, der Frau und ziehst dich hinauf. Deine nackten Füße krallen sich in den gewellten Umhang, der nicht mehr als das Geschlecht der Skulptur bedeckt. Ein weiterer Griff, ziehen, Füße heben, hoch drücken. Schweiß rennt dir die Schläfe hinunter, deine Toga klebt und deine Muskeln zittern, geben langsam nach. "Nicht sürzen", knurrst du und rufst dir das Bild Jesu ins Gedächtnis. Dieses warme Lächeln, strahlende Zähne, der gepflegte Bart. Seine honigbraunen Augen, die dir mehr Liebe schenkten, als du dir jemals hättest erträumen können und die himmlichen braunen Locken, die immer perfekt auf seinen Schultern liegen. Du kletterst weiter hinauf, kämpfst gegen deine schwachen Arme. Für Jesus.

Die Schritte werden lauter, kommen vom Raum unter dir. Du hoffst, dass du hoch genug geklettert bist und unentdeckt bleibst. Wenigstens für die nächste Zeit. Dir seht ein weiteres Treffen mit Jesus bevor. Das darft du nicht verpassen! Angstverzerrt greifst du in die Luft und zuckst heftig zusammen, als deine Hand an die Brust einer weiteren Figur packt. Eine römische Göttin die die letzte Verzierung vor der glatten Wandoberfläche darstellt, auf die du zu flüchten versuchst. Angewidert starrst du auf den Busen, an dem deine Hand haftest, doch bleibst an Ort und Stelle. Du willst dich nicht bewegen, nicht auffallen. Also drückst du dich näher an die Frauengestalt und verharrst angewiedert. "Es ist fast, als würde ich mit einer nackten Frau kuscheln", denkst du und du lachst über die Absurdität.

"Ich schwöre auf den heiligen Vater im Himmel, sie waren hier", hörst du die weinerliche Stimme des Greises genau Unter dir.

"Sie können nicht weit sein", ertönt darauf eine harte Stimme, die vermutlich zu einem der Soldaten gehört. "Wartet noch", grunzt ein weiterer.

Die Neugierde nagt an dir, frisst an deinem Willen, nicht hinunter zu sehen. Du ringst mit dir selbst, ein Kampf, den du nur verlieren kannst. Langsam neigst du also deinen Kopf hinab, spinkst hinunter in die alles mit sich reißende Tiefe. Fünf Soldaten und der Greis stehen im Kreise beisammen. Erschreckend hoch bist du geklettert. Du keuchst auf. Es raubt dir die Luft, wie ein Schlag in die Magengegend stößt du sie zischend heraus. Die Wände wackeln, der Boden dreht sich, genau wie di3 Gedanken in deinem Kopf. Wann verschwinden sie bloß, diese verfluchten Soldaten? Deine Arme geben nach, du brauchst sicheren Boden unter den Füßen. Dringend!

JesusxreaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt