Kapitel 6

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"Ich dachte ich hätte etwas gerochen", ertönt eine grunzende Stimme, die Ferkelähnlicher nicht hätte sein können. Sie hallt an den Wänden der Therme wieder, bis sie sich im Nichts verflüchtigt. Einer der Legionäre hat es gesagt. Ein rundlicher Mann, klein, kräftig und genährt. Mit vor dem Brustkorb verschränkten Armen steht er bei den anderen Herren. Es scheint als hätte er etwas zu sagen, als würde ihn eine unsichtbare Kraft zu Macht verhelfen, die die anderen Soldaten zu Boden drückt um ihn selbst, den kleinsten von ihnen größer aussehen zu lassen.

 "Ach, du riechst doch immer irgendwas", sagt ein Weiterer. Ein hochgewachsener Legionär. Darauf erklingt jubelndes Lachen. Beifall für den eher missmutigen Witz. Sie rasten aus, johlen. Laute Töne aus der Brust heraus. Es schallt und ist sicher auch in weiter Entfernung noch zu hören. Sie gehen, als sie wieder die Ernsthaftigkeit gefunden haben und auch der letzte kleine Hickser verstummt ist. Schnellen Schrittes marschieren sie in Richtung Ausgang, wählen den Weg, für den sich auch Jesus zuvor  entschieden hat und Pfeifen dabei glücklich im Rhythmus ihrer stolzen Schritte. Bloß der alte Greis schaut betrübt in die Leere, folgt den Soldaten behäbig und schweigt. Trotz dessen, dass er bedeutend langsamer ist, ist auch er verschwunden, als das Pfeifen der Krieger in der Ferne verstummt. 

Erleichterung für dich, denn du krallst dich noch immer an die Göttin, deine verschwitzten Hände drohen sich jeden Moment von der Statue zu lösen und auch deine Muskeln sind kurz davor nachzugeben. Dein Gesicht ist blass, beinahe so hell wie die Wände, an denen du hängst. Ein unaufhörliches Fiepen aus dem Inneren deines Ohrs begleitet dich, spielt im perfekten Einklang mit deinem Schwindel. Ein wundervolles Duo, begleitet mit Übelkeit und auch die Taubheit deiner Extremitäten fügt der Komposition deines Zustands das gewisse Etwas bei. Am lautesten spielt jedoch die Sorge um Jesus, ja sie zerreißt dich in ihrem erschütternden Klang. 

Zitternd hebst du deinen dumpfen Arm in die Höhe, weg von dem steinernden Busen und packst die Kante der Oberen Wandfläche. Schwerfällig hebst du auch deine Füße, die Zehn krallen sich in das kühle Gestein und du richtest dich langsam auf. Bebend streckst du die Knie, sodass du in voller Größe an die Wand gelehnt stehst. Die Hälfte deines Körpers schaut über die Mauer hinaus und du erkennst jetzt deutlich das Becken auf der anderen Seite, im anderen Raum. Erleichterung fließt durch deinen Körper, macht, dass du dich endlich wieder entspannst. Zumindest etwas. Fürs Erste. Du stehst auf deinen Beinen! Das ist gut! Sie sind Anstrengung gewohnt, sie kennen die Gewichtbelastung deines Körpers. Im Gegensatz zu deinen kraftlosen Armen, die das Wort "Arbeit" nicht einmal kennen, wo sie doch noch nie etwas geleistet haben, noch nie etwas schweres vollbringen mussten. Tief atmest du ein, bevor du eines deiner Beine in die Höhe hebst und über die Wandkannte stülpst um dich hoch zu ziehen. Schweiß rinnt deinen Körper runter, kitzelt dich, wenn er seine Bahnen läuft und lenkt dich ab. Du schließt deine Augen, als du endlich auf den Gemäuer zum sitzen kommst. Ruhig legst du deine nassen Handflächen ineinander und verschränkst die heißen Finger. Dein Herzschlag rebelliert, schlägt unaufhörlich gegen deinen Hals. Es nervt, doch du betrachtest es als ein Geschenk. Es ist ein Wunder, dass du, der kaum genug Kraft hat ein Weinfass zu heben ein verfluchtes Gebäude hochklettern kann, ohne dem Tod dabei direkt in die Arme zu springen. 

Langsam öffnest du die Augen und blickst geradewegs auf die lebendigen Straßen Roms. Ein atemberaubender Anblick. Gebäude, befüllte Straßen in denen sich Menschen und Pferde tummeln. In dieser Höhe kannst du sogar den Markt erblicken, von dem du gekommen bist. Ein Gefühl der Grenzenlosigkeit überrennt dich wie eine Horde wilder Gnus, als du auf die Stadt und die kleinen lebenden Figürchen in ihr blickst. Freiheit. Hier Oben war alles möglich. So muss sich Gott fühlen. Zögernd stehst du auf, deine Augen suchen den Boden, den Punkt, von dem du hinauf gestiegen bist. Es fühlt sich surreal an. Unmöglich. Du bist den Legionären entkommen. Du bist ihnen entkommen, konntest flüchten in dem du eine WAND hochgeklettert bist. Du kannst es kaum glauben. 

Frohsinnig beginnst du die Mauer entlang zu laufen. Leichter Hoppserschritt, du genießt das Gefühl der Freiheit, Göttlichkeit, welches unvermittelt auf dich einbricht. Du würdest dich auch als Gott bezeichnen, sobald du den Sohn Gottes dein Eigen nennen kannst. Grinsend führst du deine Hand an die Stirn. Die Hand, die wenige Minuten zuvor den unglaublichsten Mann verwöhnt hatte. jetzt dient sie dir als Markise für deine Stirn, schirmt das Sonnenlicht ab, sodass sich deine Augen im Schatten entspannen können. 

Sorgsam scannst du nun die andere Seite der Stadt. Suchst die Gegend nach dem Auferstandenen ab. Du musst einfach wissen, ob er unversehrt davon davonkommen ist. Du must es wissen, oder du stirbst an deiner Unkenntnis. Die Straßen vor dir sind leerer, düsterer in ihren wirren Kreuzungen. Angestrengt suchst du die Gegend ab, folgst einem Weg zu der Latrine und da! Da ist er, ganz nah an seinem Ziel. Er hat die Legionäre schon längst abgehängt. Erleichtert schnaufst du aus und lachst leise in dich hinein. Was hast du bloß anderes gedacht. Dieser Mann konnte dem Tod entrinnen, was sollten ihm eine Hand voll Legionäre schon anhaben.

Lächelnd trottest du die Wand entlang, suchst nach einer Stelle, an der du runter rutschen kannst ohne Schaden zu nehmen, um Jesus in die Latrine zu folgen. Einen Heiligen lässt man schließlich nicht warten. Grübelnd beäugst du eine verzierte Säule und umschließt sie mit deinen Händen. "Das wird lustig", denkst du und springst ohne groß nachzudenken in die Tiefe, drehst dich ein wenig um die Stange, nutzt den Schwung der Höhe für ein wenig Spaß. Lachend kommst du Unten an und willst sofort weiter, als eine Schrift vor deinen Füßen erscheint. 

"Lass meinen Sohn in Ruhe. Du bringst ihn auf die Schiefe Bahn.  Nur weil er euch von Sünden gefreit hat heißt es nicht, dass ihr sofort mit dreckigem, gleichgeschlechtigem Sex anfangen sollt! Lass meinen Sohn in Ruhe, du elender Mistkerl! ich sag es nur einmal!"

Eine Nachricht Gottes? Du schluckst, willst sie aufheben um sie Jesus zu zeigen, doch da zerfällt sie in deinen Händen zu Staub. Eine Erzählung muss wohl reichen. Wehmütig führst du deinen Weg weiter, lässt dich nicht aufhalten von der ominösen Nachricht, auch wenn du auf Zuspruch Gottes gehofft hattest.

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