Kapitel 30

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Der regelmäßige Prall hört auf und du wirst hart in eine Ecke geschleudert. Es ist dunkel in deinem Sack und der miefende Geruch beißt in deiner Nase.
"Kommt", knurrt jemand. Schritte erklingen, Hallen an den Wänden. Der Knall einer Tür und dann ist Stille. Für eine ganz schön lange Zeit. Eine Stille, die deine Gedanken erscheinen lässt wie kreischende Gnome.

Stunden, Tage oder Wochen vergehen in denen deine Gedanken sich streiten. Verzweiflung gegen Wut, Schuldgefühlen und Stolz, sie duellieren sich mit schneidenden Worten, die sich gegenseitig enthauptet. Am Ende ist alles verstummt. Die Stimmen sind tot und du bist bereit ebenfalls zu sterben. Du hast die Flucht schon lange aufgegeben. Du möchtest einfach nur absitzen und sterben. Ein besonders selbstlose Mensch warst du nie gewesen, du selbst standst immer an erster Stelle. Eine Kreuzigung wäre daher nur gerecht.

Schritte nähern sich deinem stinkenden Stück Stoff. Er wird aufgerissen, genauso wie das plötzliche Licht deine Netzhaut zerreißt. Du wirst grob nach oben gezerrt, kommst unbeholfen zum stehen und wirst sofort hinter der Person her gezogen, die dich aus den Fängen des Stoffes befreit hat. Keine Zeit bleibt dir dich zu orientieren oder das Gleichgewicht zu finden. Dein Blick fällt flüchtig auf ein vergittertes Fenster, dann verlasst ihr den Raum.

Vor dir läuft ein mittelgroßer Mann in Toga, sein Hinterkopf ist nur halb bewachsen, der obere Teil zeigt glänzende Nacktheit. Eine Halbglatze.

"Dein Urteil wurde eigentlich schon gefällt ertönte die schrille Stimme des Mannes, dessen Gesicht du noch immer nicht kennst. Gesichtsloser, einer von vielen. Du läufst begiebig hinter ihm her."Also komme ich ans Kreuz? ", fragst du leise, was der kleine Mann nur mit einem Schulterzucken quittiert.

Du wirst in einen weiteren Raum geführt, in dem weiß überwiegt. Die hellen Wände reflektieren das Tageslicht und mehrere Gestalten in Toga runden das Bild ab. Dort sitzen versammelt die Jünger. Ihre Hände liegen zusammengefaltet auf ihren Oberschenkeln. Sie sind ganz still. Auch die Frauen sitzen dabei. Ihre Mimik ist grimmig, doch sie Schweigen, lassen ihren Ärger in sich drinnen.

"Es gab eine Menge Zeugenaussagen gegen Sie", beginnt ein Mann. Er steht in der hinteren Ecke des Raumes. Bloß sein Rücken zeigt zu dir, ein langes Gewand wird von seinen Schultern getragen und fällt schwer auf den Boden, es wirft tiefe Schatten. Langsam dreht er sich zu dir um. Du kennst diesen Mann, es ist dein Vater.

Für einen kurzen Moment bleibt dir die Spucke im Hals stecken, doch du hast dich schnell gegangen. "Länge nicht mehr gesehen.", kommentierst du dein Erkennen und musst leicht lächeln über die Absurdität der Situation. Du hast deinen Vater seit über zehn Jahre nicht mehr gesehen und dann triffst du ihn an deiner eigenen Hinrichtung.

"Nachdem ich dich auf den Berg gebracht habe wird es länger sein", meint dein Erzeuger bloß und gibt dem Leigionär, der dich hier hin geführt hat eine flüchtige Handbewegung. Dieser nickt und begibt sich schnellen Schrittes aus dem Raum.

"Setz dich doch", meint dein Vater und deutet auf einen freien Stuhl neben Judas. Bilder von nackter Haut huschen dir durch den Kopf, als du an ihm vorbei gehstund sein herber Geruch in deine Nase steigt. Du blinzelt die Bilder weg und lässt deinen Schwächen Körper auf den so viel stärkeren Stuhl sinken. Er hält dein Gewicht. Erst jetzt, als du zur Ruhe kommst nimmst du wieder das Stechen in deinem Kopf wahr, den komischen Geschmack in deinem Mund und die schmerzenden Gelenke.

"Heute bringen wir dich schon hoch", murmelt dir Judas zu. Du schluckst den plötzlich auftretenden Klos in deinem Hals herunter. "Oh, schon so bald", meinst du bloß. Dann herrscht Stille, bis der Legionär mit Halbglatze wieder in den Raum stürmt. Hinter ihm erscheint eine Schar kräftiger Männer. Sie sehen gut aus und kommen direkt auf dich zu. Einer von ihnen packt dich von hinten. "Oh ja gibs mir", stöhnst du und ermtest einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf. Judas funkelt dir böse zu und Petrus kommentiert bloß:"Er wird für seine Sünden am Kreuz hängen."
Du verdreht die Augen. Kurz darauf wirst du nach oben gezerrt und zum Stehen gebracht. Dann führen sie dich aus dem Raum. Du winkst kurz nett und folgst gehorsam den starken Männern.

Der Weg auf den Berg hoch ist lang und all deine Versuche ein Gespräch aufzubauen versagen. Es sind wohl Schweigsamen Männer die dich zu deinem Tod begleiten oder sie hätten einen anstrengenden Arbeitstag. Vielleicht ist es ihnen auch strikt verboten am Arbeitsplatz zu reden. Du kennst die Bedingungen nicht.

Als deine Füße immer schwerer werden und sich irgendwie klobrig anfühlen habt ihr es endlich geschafft. Ihr steht auf dem Berg. Die Sonne scheint durch ein paar Baumblätter hindurch. Die ist gülden und schon langsam am untergehen. Dann erblickt du sie. Die anderen. Hunderte Männer hängen hier am Kreuz, einige noch lebendig, andere Tod. Grauen läuft dir den Rücken hinab und hinterlässt eine unangenehme Gänsehaut.

"Das hier ist dein Kreuz", brummt einer der Männer und zeigt auf ein schweres Holzkreuz am Boden. Länge Nägel halten die Bretter aneinander. Zwei der starken Männer treten nach Vorne und heben das Kreuz in die Luft.

"Auf drei", schreit einer und es wird runter gezählt.
Eins
Zwei
Uuund
Drei
Das Kreuz landet mit einem Rück in der Wiese. Es ist tief in den Boden eingedrungen und sehr stabil.

"Mist jetzt haben wir vergessen ihn dran zu nageln, noch mal raus damit!", grunzt einer belustigt und die Männer heben das Teil wieder aus dem Boden.

"Das können wir gleich mit den drei Kreuzen dahinten auch machen, eine gute Übung", lacht ein anderer und klopft sich die Hände an den Beinen ab, hinterlässt einen Dreck Fleck auf der Toga.

Ehe du dich versieht wirst du nach vorne geschubst. Du landet hart auf dem Holz, dein eigenes Kreuz. Der Mann hinter dir hält einen langen und dicken Nägel in der Rechten, in der Liken ein schwerer Hammer. Die anderen packen deine Arme und spannen dich über das Kreuz.

Was darauf folgt entlockt dir einen Schrei, den man selbst in Jerusalem noch gehört haben muss. Der Schmerz ist unbeschreiblich. Das Ende nah.

JesusxreaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt