Es ist jetzt schon drei Wochen her, als ich Logan meine ganze Vergangenheit anvertraut habe. So lange hatte ich es unterdrückt - kein Wort oder gar Gedanken daran verschwendet, aber jetzt ist es raus und ich bin froh. Stolz kann ich sagen: Ich bereue nichts, denn ich weiß, dass das der erste Schritt war, den ich gebraucht habe, um mich nun emotional von meiner Vergangenheit zu lösen. Und bis jetzt klappt das auch ganz gut - emotional zumindest. Denn, was das Körperliche angeht, scheinen Logan und ich plötzlich ein unausgesprochenes Hindernis vor uns zu haben, dass wir nicht zu bezwingen wissen.
Erst gestern passierte es, dass Logan und ich uns nämlich körperlich näher kamen als je zuvor. Es war das erste Mal, dass ich nicht, wie sonst, sofort abblockte. Das erste Mal, dass ich nicht traurig mit dem Kopf schüttelte und Logan sich sofort verständnisvoll entschuldigte. Normalerweise gibt er mir dann immer einen Kuss auf die Kopfhaut und hält mich fest im Arm. Manchmal sogar die ganze Nacht. Das ist zwar schön und erreicht sonst auch immer den gewünschten Beruhigungseffekt, aber gestern fühlte es sich irgendwie... anders an. Gestern spürte ich, wie mein Herz voller Enttäuschung schwer wurde, als Logan von sich aus seine Hände von meiner nackten Haut abließ, als sei sie eine heiße Herdplatte. Wie immer murmelte er vor sich hin, dass wir ja Zeit hätten. Und ich wusste, dass er es damit nur gut meinte, aber ein Teil von mir, den ich jahrelang mutwillig unterdrückte, wünschte sich in diesem Moment doch mehr. Das kann ich mittlerweile nicht mehr leugnen.
Doch Logan versteht das vermutlich nicht. Er denkt vielleicht, dass ich gar kein Bedürfnis danach hätte. Dabei ist es nicht so. Ganz und gar nicht! Langsam spüre ich, dass da etwas in mir erwacht, das mein Verlangen anwachsen lässt. Ich spüre, dass ich seinen Körper auf meinem beben fühlen möchte. Dass ich gerne meine Lippen auf die leidenschaftlichste Art, die es gibt, gegen seine pressen will. Mir gefällt es immer mehr, ihn so nah zu spüren, wie es nur geht. Sich so zu fühlen wie eine Frau und ein Mann, die sich innig lieben. Eine Frau und ein Mann, für die es nichts anderes gibt, als diesen kostbaren Moment mit diesem kostbaren Menschen. Das hätte ich gestern gerne gehabt. Und ich hätte es Logan gerne geschenkt. Aber bis jetzt war das irgendwie nicht möglich.
„Oh Mann...", seufze ich, als ich auf das dunkle Meer vor mir blicke. Es ist schon relativ spät, weswegen ich kaum mehr die feine Linie zwischen Meer und Himmel erkennen kann. Selbst der hellleuchtende Mond hat sich schon gezeigt. Erst bei diesem Gedanken merke ich, dass die Abendluft recht frisch geworden ist. An meinen nackten Armen bildet sich eine Gänsehaut. Aus diesem Ereignis heraus, beschließe ich mich auf dem Weg nach Hause zu machen.
Nach guten zwölf Minuten, in denen ich die paar Schritte zur Tür, die sinnlosen Fragen meiner Tante und auch das kurze Telefonat mit Scarlett überwunden habe, sitze ich schon in meinem warmen Bett. Gähnend stehe ich aber wieder auf, um mir mein Schlafanzug anzuziehen und mir gemütlich die Zähne zu putzen. Als ich mich gerade wieder mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ins Bett kuschele, vibriert mein Handy ungewöhnlich laut auf meinem Nachtisch. Neugierig ziehe ich es hervor.
Eine Nachricht von Logan: „Noch wach?"
„Ja."
„Gut."
Dann ist Funkstille und gerade als ich mich über diese seltsame Unterhaltung wundern will, trällert mein Handy fröhlich meinen Klingelton.
„Hallo?"
„Hi, Baby." Beim Geräusch seiner Stimme macht mein Herz automatisch einen Sprung.
„Hi, was ist los?"
„Nichts. Ich wollte nur fragen, wie es sich anfühlt, die letzten Stunden deines Lebens ein Kind zu sein?"
Verwirrt ziehe ich die Augenbrauen zusammen. Manchmal ist dieser Typ echt ein Spinner ...
„Was redest du da?"
„Na. Ab morgen bist du eine erwachsene Frau. Das sind gerade deine letzten Stunden als unschuldiges Kind!" Das sagt Logan mit so einer Ernsthaftigkeit, dass ich leise auflachen muss.
Schnell versuche ich mich allerdings zu beherrschen: „Na ja... um ehrlich zu sein, fühlt es sich ganz normal an."
„Aha, notiert."
Dann ist kurz Stille.
„Was ist dein Plan für morgen?"
„Ich mache keine große Sache daraus. Immerhin ist es ein Tag, wie jeder andere."
„Aha", er macht eine Pause, „Willst du wissen, was ich an meinem 18. gemacht habe?"
„Ja?"
„Ich hab mich so vollgesoffen, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnern kann." Unwillkürlich muss ich auflachen, aber dieses Mal lache ich ihn aus.
„Im Ernst?"
„Ja. Und das war nicht gerade mein schlauster Moment. Denn 18, und damit erwachsen zu werden, das passiert nur ein Mal im Leben, Lara. Ich bereue das." Logans Stimme hallt ungewöhnlich ernst durch das Telefon. „Ich meine ja, ich hatte sicherlich Spaß, aber was bringt es mir, wenn ich mich an all das nicht erinnern kann?" Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll, weswegen ich einfach schweige. „Und deswegen werde ich deinen 18. Geburtstag unvergesslich machen, sodass du dich dein ganzes langes Leben daran erinnern wirst!"
Instinktiv will ich gerade widersprechen und beschwichtigen, dass er sich keine Umstände machen muss, aber ich halte meinen Mund. Denn tatsächlich wäre ein Geburtstag, den ich nicht traurig, allein in einer Zimmerecke verbringen muss, eine schöne Abwechslung.
-
„Happy Birthday, Herzchen", schreit meine Tante fröhlich, als ich mich unten blicken lasse. Keine Sekunde später zieht sie mich in eine innige Umarmung und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Danke", erwidere ich, als ich ihr nach Magnolien duftende Parfüm unbewusst tief aufnehme.
„Die Zeit vergeht so schnell. Auf einmal bist du erwachsen, was?" Ich weiß gar nicht so recht, wie ich darauf antworten soll, also nicke ich einfach zustimmend mit dem Kopf. „Ich habe auch eine Kleinigkeit für dich", grinst sie verschwörerisch, während sie ein kleines rotes Päckchen hervorhebt.
Überrascht hebe ich die Augenbrauen, nehme das Päckchen entgegen und kratze vorsichtig das Papier ab. Zum Vorschein kommt ein paar Sekunden später eine schmale goldene Kette mit einem filigranen Herzstück. Beim näheren Betrachten sehe ich, dass sie gebraucht zu sein scheint, dennoch glänzt sie mir hell und hochwertig entgegen.
„Sie hat deiner Mutter gehört", höre ich Theresa und augenblicklich stockt mir der Atem.
„W-was?" Mein Blick gleitet nochmal herunter zu der schimmernden Kette, während mein Herz einen Sprung macht. Auf einmal scheint diese Kette in meinen Händen das Kostbarste zu sein, das ich jemals gehalten habe.
„Ja, um ehrlich zu sein, deinem Vater. Er hatte sie ihr zu ihrem 18. Geburtstag geschenkt. Und ich weiß, dass sie gewollt hätte, dass du sie bekommst. Ich habe kein Recht dazu, sie hier verkommen zu lassen." Hörbar muss ich schlucken. Die Dankbarkeit, die ich nun in jeder Faser meines Körpers spüre, zaubert mir ein breites Lächeln auf die Lippen. Es fallen mir keine Worte ein, die dieser Dankbarkeit gerecht werden. Also falle ich meiner Tante lediglich in die Arme und wispere unaufhörlich „Danke! Danke! Danke!" in ihr Haar. Zufrieden hält sie mich im Arm, bevor sie mir die Kette feierlich um den Hals legt. Und alles, woran ich denken kann ist, wie dankbar ich sein kann, eine solche Tante zu haben, die mich liebt, als wäre ich ihr eigenes Kind. Aus diesem Grund umarme ich sie nochmal innig und gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
Zufrieden schmunzelt sie und schaut mir einige Sekunden lang stolz in die Augen. Dann senkt sie den Blick irgendwann, als sei sie ertappt worden. Rasch blinzelt sie ihre leicht glasigen Augen hinweg und ruft lächelnd: „Na komm, Herzchen. Du solltest dich fertigmachen, richtig?"
Ich nicke zögerlich, mache mich dann langsam auf den Weg in mein Zimmer, doch verschwinde nicht, ohne ihr noch hinterherzurufen: „Ich habe dich sehr lieb, Theresa!"
„Ich dich auch!", kommt prompt zurück und zaubert mir ein breites Grinsen in mein Gesicht.
Ein paar Minuten später bin ich gerade im Begriff meine verdreckten Sneaker anzuziehen, da werde ich auf einmal von einem Anruf unterbrochen:
"Hallo?"
„Hi Geburtstagskind. Alles Gute zum zu deinem 18. Geburtstag!!!" Automatisch beginne ich zu grinsen.
„Danke, Logan."
„Schau mal nach draußen." Verwirrt wage ich einen Blick aus meinem Fenster, sehe aber nichts Ungewöhnliches. Lediglich zwei Palmen, die vor dem weiten Strand im Wind schaukeln.
„Nein, ich meine vor die Haustür-Draußen..."
„Ach so!"
Schnell tapse ich die Treppenstufen hinunter und öffne die schwere Haustür.
Auf einmal grinst mir ein in Uniform gekleideter Mason entgegen. Und als ich ihn von oben bis unten mustere, kann ich meinen Augen kaum trauen. Ein eleganter schwarzer Anzug schmiegt sich eng um seinen Körper, eine blaue Krawatte versteckt sich hinter seinem Jackett und mit seiner schwarzen schlichten Kappe sieht Mason wahrhaftig aus wie ein... Chauffeur. Was soll das denn?
Gespielt verwirrt runzelt er die Stirn, ähnlich wie ich es gerade tue. Dann fragt er mich mit seltsam hoher Stimme: „Entschuldigen Sie, Miss, aber bin ich hier richtig, bei der 18-jährigen Lara Jenkins?"
„Was soll das, Mason?", schießt es mir sofort irritiert über die Lippen.
Er zieht seine lächerliche Kappe vom Kopf, und legt sie sich seitlich an den Mund. Mit seiner natürlichen Stimmlage, die ich vertraut wiedererkenne, flüstert er: „Spiel einfach mit, okay?" Mason zwinkert mit einem Auge und ich entscheide mich einfach, die Sache nicht weiter zu hinterfragen. Das hat doch eh keinen Zweck, oder?
„Ja, ich bin Lara Jenkins", sage ich schließlich und werfe mir dabei meine rechte Hand lachend an die Stirn.
„Na super, dann wünsche ich Ihnen von Herzen, alles Gute zum Geburtstag!" Mason schüttelt mir freudestrahlend die Hand. „Ich wurde von Mr. Coleman geschickt, Sie heute hier abzuholen, daher würde ich Sie bitten, mit mir zu kommen."
Mr. Coleman? Logan?
Immer noch vollkommen verständnislos folge ich Mason um die Ecke. Und was mich dort erwartet, raubt mir regelrecht meinen Atem. Denn dort steht eine traumhafte schwarze Limousine, die sich mehrere Meter vor meinen Füßen in die Länge streckt und in der Sonne regelrecht glänzt und blitzt. Was zum ...?
Genau in diesem Moment streckt Logan seinen Kopf durch die obere Öffnung, um mir laut entgegenzubrüllen: „Happy Birthday, Baby!"
Ungläubig halte ich mir die Hand vor den Mund. Mein Herzschlag beginnt, sich zu beschleunigen.
„Wa-wa...", etwas Besseres bekomme ich nicht heraus. Nur folgendes kann ich mehr oder weniger vernünftig hinterherschreien: „Du bist verrückt, Logan. Verrückt bist du!!!"
„Ich weiß!" Logan und ich grinsen uns zufrieden an. Dann öffnet mir Mason vornehm, wie seine Chauffeur-Rolle es erfordert, die Tür, um sich dann auf die Fahrerseite zu begeben. Als ich Logan erblicke, küsse ich ihn sofort innig. Er erwidert den Kuss lächelnd und vergräbt dabei seine Hand in meinen Haaren, was mir einen wollig warmen Schauer über den Rücken fahren lässt. Dann höre ich nur noch den Motor anspringen und spüre alles vibrieren, als wir langsam davonfahren.
„Wo fahren wir hin?", frage ich.
„Das wirst du schon noch sehen". Wieder grinst er verschwörerisch. „Aber in der Zwischenzeit lassen wir es uns gut gehen ..." Und genau in diesem Moment zieht er schmunzelnd eine Flasche Champagner hervor.
„Was? Ich dachte an seinem 18. sollte man sich nicht volllaufen lassen!"
Logan schenkt uns beiden schäumend in ein Glas ein. „Richtig, aber erstens machen wir das heute mit Stil und übertreiben nicht und zweitens habe ich doch genau deswegen einen Chauffeur organisiert!" Jetzt meldet sich auch Mason wirkend von vorne und ich kann nicht anders, als mein Gesicht zu verziehen und in lautes Gelächter zu verfallen.
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als kopfschüttelnd zu grinsen und das kalte Champagnerglas entgegenzunehmen.
Die sind doch alle beide verrückt!
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Baby don't hurt me
Teen FictionWie kann man zu seinem langweiligen Leben zurückkehren, wenn alles plötzlich aus den Fugen gerät? Wie sagt man jemanden, den man liebt, dass man es nicht mehr aushält in seiner Nähe zu sein? Und: Bitte, wie kann man jemanden vergessen, der alles für...