9. Mason

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Seit gestern kann ich nicht mehr aufhören, dümmlich zu lächeln. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich mal so irrational verhalten würde, doch ich fürchte, ich kann nichts dagegen tun. Ich bin verliebt. Am liebsten würde ich meine Freude mit jemandem teilen wollen. Mit einem wahren Freund oder einer Freundin. Ich würde gerne von dem bevorstehenden Date erzählen, schwärmen wie gut Logan doch aussieht, spekulieren, was für ein Sixpack er haben müsste, fragen, ob er der Richtige für mich ist und einfach so mal ausflippen. Doch ich habe leider niemanden mehr...

"Hey, Lara!" Verwirrt lege ich mein Matheheft in den knallroten Spind vor mir, schlage dessen Türe noch schnell zu, ehe ich mich nichts ahnend umdrehe. Überrascht blicke ich in die amüsierten Augen von Mason, dem wohl gerade die Worte "Hey, Lara" ausgerutscht sind. Da dieser selbst nach ein paar stillen Sekunden weder auf meiner hochgezogenen Augenbraue, noch auf mein höchst verwirrtes Dasein reagiert, atme ich genervt aus. Dann erwacht er aus deiner Starre.

"Ehh...wie geht's?!", aus seinem unsicheren Tonfall kann ich heraushören, dass er sich garantiert nicht um mein Wohlbefinden schert. Schon seit der 8. Klasse tut er das doch nicht mehr. 

"Was willst du, Mason?", zische ich giftig.

"Hey, warum denkst du gleich schlecht von mir? Darf ich dich denn nicht fragen, wie es dir geht? So was nennt man Höflichkeit!", schelmisch grinst er mir entgegen, wobei ich nur den Kopf schütteln kann.

"Du darfst nicht höflich zu mir sein, wenn ich ganz genau weiß, dass es nicht ernst gemeint ist."

"Au", gespielt getroffen fasst er sich an die linke Brust und verzieht sein Gesicht stets amüsiert zu einer Fratze. "Mensch Lara. Das tat weh."

"Jaja ich glaube du bist nur überrascht, dass ich dich noch so gut kenne. Was willst du?", gebe ich nun auch leicht aufgeheitert von mir. Ich setzte einfach mal voraus, dass er mir folgen wird, wenn ich mich schon mal auf den Weg zum Musiksaal mache.

"Okay, es besteht die Möglichkeit, dass ich doch wegen etwas Anderem zu dir gekommen bin."
Hastig versucht er bei meinen Schritten mitzuhalten.
"Ich wollte dich fragen,...ob du heute Abend auch zu meiner Party kommst."

Ach, ja, diese scheiß Party!
Gerade will ich zu einem "Nein" ansetzten, da spüre ich beim Anblick in seine eisblauen Augen einen Hauch von Reue. Etwas, das ich lange nicht mehr in ihnen gesehen habe. Unwillkürlich muss ich zurück an die 8. Klasse denken:

Es war der letzte heiße Sommertag, an dem ich wegen meines absichtlich langärmligen Pullovers fast verschmachtet wäre.
Mason meinte, er müsse mir etwas Wichtiges erzählen und nachdem ich so viele andere Dinge im Kopf hatte, die mich innerlich fast aufgefressen hatten, zeigte ich wenig Mitgefühl. Er gestand  mir verunsichert seine Liebe. Wie gesagt, ich hatte andere Dinge im Kopf und das Wort "Liebe" existierte in meinem Wortschatz nicht mehr, weswegen ich ihm schwere Vorwürfe machte. Schließlich endete es darin, dass wir uns lautstark stritten. Und als wir fast dabei waren uns den Hals umzudrehen, platze er plötzlich mit der Nachricht raus, dass er nach Los Angeles ziehen müsse. Ein Tag später schrieb er mir, dass es ihm leidtäte und er versuche mich zu vergessen. Doch antworten konnte ich nicht mehr...
So habe ich meinen einzigen wahren Freund verloren.

Erst als ich vor einigen Monaten auch nach LA gezogen bin, haben wir uns zufällig in der Schule wiedergesehen. Der eiskalte Blick, den er mir damals zugeworfen hatte, werde ich nie vergessen. Es ließ mein Herz bluten. Ich wusste, dass die Freundschaft wegen mir zerbrochen war, doch als ich mich bei ihm entschuldigen wollte, machte er mir oft genug klar, was ich doch für eine Witzfigur wäre. Ich schätze, das hat er getan, um seinen beliebten neuen Freunden zu gefallen. Dieses Gelächter werde ich jedoch genauso wenig wieder vergessen. Seitdem haben wir nie mehr miteinander gesprochen. 

Wieder an die unglücklichen Umstände, wie unsere einst starke Freundschaft in die Brüche ging, zu denken, lässt auch bei mir Reue aufkeimen. Doch überzeugt von einer Party bin ich noch nicht. Das scheint Mason zu merken. Seine Gesichtszüge werden weich und verwandeln sich langsam zu dem kleinen Mason, den ich noch von früher kenne. 

"Bitte Lara, es würde mir viel bedeuteten, wenn wir dort etwas Zeit miteinander verbringen würden", fleht er ungewohnt. Ich hatte so lange gehofft, ihn solche Worte sagen zu hören, also kann ich nicht anders als "okay" zu murmeln. 

"Klasse! Ich versichere dir, das wirst du nicht bereuen", brabbelt er begeistert, was mir ein kleines Lächeln ins Gesicht zaubert. Es scheint ihm wirklich wichtig zu sein.

"Nun denn...", schon wieder wirkt er nervös, was er mit einem Kratzen hinter seiner Cap im Nacken unterstreicht.

"Soll ich dich dann abholen?"

Mittlerweile sind wir am Musiksaal angekommen und mit einem kurzen Blick auf meine Uhr, kann ich schließen, dass ich mich schleunigst hineinbegeben sollte. Mason bemerkt dies aufmerksam und grummelt zum Abschluss einfach nur: "Ich hol' dich um 8. Bis dann."

Unsicher nicke ich, merke jedoch, dass er schon aus meinem Blickfeld verschwunden ist. Da kommt mir der lästige Gedanke, dass ich erst noch Theresa um Erlaubnis fragen müsste. Und das wird sicher alles andere als ein Zuckerschlecken...

Baby don't hurt meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt