40. Liebeskummer

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6 Tage später

"Und was hast du so in den Ferien gemacht?", fragt Sky, ein Mädchen aus meinem Englischkurs, während wir beide den stickigen Klassenraum verlassen. Die Tatsache, dass sie Smalltalk mit mir führen möchte, mag sicherlich gut gemeint zu sein, aber ausgerechnet heute habe ich keinerlei Kraft bei diesem Spiel mitzuspielen. Nichts regt mich gerade mehr auf, als dieses gespielte und aufgesetzte Lächeln. Die strahlend weißen Zähne scheinen genauso unecht wie ihre Frage und dieses plötzliche Interesse. Wieso kann sie nicht einfach still sein? Wieso können sie nicht einfach alle still sein? Dann kann auch keiner mehr Lügen erzählen...

"Nichts", sage ich kalt, während ich mir meine Kapuze tief ins Gesicht ziehe und verschwinde. Meine dreckigen Sneakers schleifen durch den vollen Gang, bis sie in der Mädchentoilette endlich Halt finden. Hastig schließe ich mich in eine Kabine ein und setzte mich auf den eiskalten Boden. Was habe ich mir auch dabei gedacht, heute in die Schule zu kommen?

Mit zitternden Fingern fische ich mein Smartphone aus meiner Hosentasche. Ohne groß darüber nachdenken zu müssen, gebe ich Maxs Telefonnummer ein. Mittlerweile kann ich sie auswendig. In den letzten paar Tagen habe ich ihn so oft angerufen, wie ich noch nie jemanden angerufen habe. Tatsächlich war er auch derjenige, der mich ermutigte, Stärke zu zeigen und an diesem Montag den Schritt nach draußen, in die Schule, zu wagen. Das heutige Telefonat hat er sich also selbst einzubrocken!

"Ich kann das nicht", flüstere ich sofort ins Telefon. "Ich kann es wirklich nicht, Max." Und schon kullert die erste eiserne Träne meine rote Wange hinunter. "I-ich hätte zu Hause bleiben sollen. In meinem Bett. Unter meiner Bettdecke, begraben von Taschentüchern", füge ich hinzu.

"Ach, Lara..."

Schluchzend wische ich mir die nächsten Tränen aus dem Gesicht. "Max...ich bin zu schwach. Ich kann es wirklich nicht."

Kurz poltert es ohrenbetäubend laut am anderen Ende. "Hast du dich auch an meine Ratschläge geha-"

"Ja ", schniefe ich unterbrechend. "Es wird aber nicht leichter. Es wird nur noch schwerer!"

Max atmet leise aus. "Ist etwas Bestimmtes vorgefallen?"

"Nein, das ist es ja...", antworte ich aufgelöst. "Es muss nicht mal etwas Besonderes passieren. Ständig muss ich an ihn denken. Die Enttäuschung verfolgt mich überall hin und lässt mich nicht in Ruhe. Ich kann mich kaum konzentrieren."

Das stimmt. Ich bekomme Logans traurige Augen einfach nicht aus dem Kopf. Seine Stimme ist alles, was ich vernehme. Immer wieder wiederholen sich seine Worte im Inneren meines Herzens. Der Schmerz gleicht einer unvorstellbar grausamen Foltermethode. Mir fällt es schwer zuzuhören, zu reden und ja selbst zu atmen. Alles schmerzt so sehr. Und das Schlimmste ist, dass es keinerlei Heilmittel gibt. Nichts hilft.
Maxs logische Ratschläge scheinen das Einzige zu sein, das die Qualen in meinem Herzen kurzzeitig befriedigen.

Max seufzt hörbar aus. Ich stelle mir vor, wie er sich ratlos durch die Haare fährt.

"Also, warum soll ich dann überhaupt noch in die Schule?", frage ich klagend.

Lange Zeit höre ich es nur Rauschen und starre orientierungslos auf die bunten Verewigungen auf der Toilettentür. Ohne es bewusst zu wollen, beginne ich sie still zu lesen.

"Du weißt, wie ich darüber denke. Und ich glaube, es würde dir jetzt auch nicht viel bringen, wenn dir das Gleiche rate, dass ich dir schon das ganze Wochenende zugeflüstert habe..." Wieder Stille.
"Warte mal!", er scheint plötzlich enthusiastisch. "Ich muss ehrlich sagen, dass ich dir gerade nicht weiterhelfen kann. Aber ich glaube, ich kenne jemanden, der das vielleicht kann..."

Verwundert runzele ich die Stirn und wische mir eine letzte Träne aus dem Augenwinkel. Leise meine ich ihn noch etwas murmeln zu hören: "Jetzt hilft nur noch die weibliche Intuition..."

Und im nächsten Augenblick höre ich plötzlich Scarletts zärtliche Stimme: "Hey, Süße." Augenblicklich breitet sich ein schwacher Windzug voller Wärme in meinem Herzen aus. Ich bin jedoch so überrumpelt, dass ich erstmals ein paar Sekunden schweige, bis ich meine Stimme irgendwann wiederfinde. "Hi."

"Max hat mich auf dem Laufenden gehalten und weißt du, was mir immer hilft, wenn ich Liebeskummer habe?"

Ich wische mir lautlos noch eine Träne aus dem Gesicht. "Hm?"

"Ich vergrabe mich in meinem Bett und stopfe mich mit Schokolade voll. Hehe."

"Tja, das hat mir dein toller Freund aber verboten, weswegen ich mich jetzt in der Schultoilette meiner Highschool verbarrikadieren musste."

Ein fröhliches Lachen ist zu hören: "Ach, scheiß drauf! Da ich Maxs Freundin bin, habe ich das Recht dieses Verbot wieder aufzuheben und dir sogar zu erlauben, die restliche Woche zu Hause zu bleiben. Mach einen entspannenden Mädelsabend und versuche dich mal abzulenken. Ich denke, das wird dir guttun."

Auch wenn Scarlett es nur gut meint und ich ihre erfrischende Art echt vermisst habe, überzeugt mich das noch nicht so ganz. "Und dann? Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich zu Hause plötzlich nicht mehr daran denke." Und wieder werden meine erschöpften Augen feucht.

"Nein, aber vielleicht fällt dir ja auch eine Lösung für dieses Problem ein."

Ich schüttele mit dem Kopf, ehe ich bemerke, dass sie das gar nicht sieht, weswegen ich dann flüstere: „Es gibt keine Lösung. Ich wurde ausgenutzt."

„Doch, es gibt eine Lösung. Du bist nur noch nicht bereit, sie als solche zu erkennen. Aber das ist okay. Es braucht Zeit." Sie macht eine kurze Pause. „Wie wäre es, wenn du dich endlich an den Strand traust. Er wird heute schon nicht da sein..."

Tief schlucke ich den Klos in meinem Hals herunter. „Okay."

-

Sobald ich zu Hause angekommen bin, schmeiße ich meine Schultasche in eine Ecke und beherzige Scarletts Vorschlag. Bevor ich die Hintertür der Villa öffne, schließe ich kurz die Augen und atme tief ein. Er wird heute schon nicht da sein. Und es wird mir guttun, endlich wieder das Meer zu sehen. Entschlossen nicke ich mir selbst kurz zu, als ich die Tür öffne und einen wohltuenden Schritt in den weichen Sand mache. Eine angenehme Brise weht mir ins Gesicht, während ich zu meiner Lieblingsstelle laufe. Dann lasse ich mich zufrieden nieder und merke förmlich, wie mein Herz neue Kraft schöpft. Gott, ich kann nicht fassen, dass ich mich wegen Logan nicht mehr getraut habe an den Strand zu kommen.

Und da ist er wieder: Logan. Erneut hat er sich einen Platz in meinen Gedanken gesichert. Es ist als würde ich den süßen Duft seines Aftershaves genau riechen können. Als würde mein Herz plötzlich so schnell schlagen, weil es Logans Anwesenheit spürt. Und auf einmal ist es so, als könnte ich seine tiefe Stimme rau hinter mir erklingen hören: „Lara...Lara...Lara?"

Schlagartig vernehme ich eine leichte Berührung auf meiner Schulter. Was? Ich drehe mich um und kann meinen Augen nicht trauen. Es war keine Tagträumerei! Es ist tatsächlich Logan, der hinter mir steht und mir hoffnungsvoll mitten ins Herz sieht.

„Lara? Wir müssen reden."

Mein Herz setzt aus.




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