Goldene Augen fixierten das aus Kristall und Leuchtstein gefertigte Kunstwerk, welches das Herzstück des Dorfes der Zoras bildete und die Umgebung mit einer Wärme erfüllte, wie man sie für Ranelle nicht möglich hielt: Miphas Statue. Das unglaubliche Talent der Zoras, Gegenstände von größter Schönheit und Eleganz herzustellen, spiegelte sich in der Statue des Recken wider. Bei diesem Anblick würde ein Niemand es wagen zu behaupten, dass dieses Kunstwerk der großen Mipha nicht gerecht wurde.
Raisa, die zwar unempfänglich für derartige Gefühle war, spürte dennoch die einzigartige Aura, die von diesem Ort ausgestrahlt wurde. Und es faszinierte sie. Ihre Wege waren oft von großem Desinteresse gezeichnet, dass sie nun einer Sache mehr ihrer Aufmerksamkeit schenkte, als sie es eigentlich verdiente, mochte dementsprechend etwas heißen!
Allerdings ging es dem Recken nicht unbedingt um die Sentimentalität, die mit diesem Ort verbunden war, an welchem Gebete gesprochen und Trauer vermittelt wurde. Raisa interessierte sich viel mehr für die Tatsache, dass alle Lebenswesen – sie eingeschlossen – einen Drang verspürten, etwas für die Nachwelt zu hinterlassen, was an ihren Verlust erinnerte. Im Dorf der Orni hatte sie auf einem Platz gestanden, der nach Revali benannt wurde und hier, im Dorf der Zoras, stand eine Statue Miphas. Zweifelsohne wurden auch Daruk und Urbosa in ihrer Heimat verewigt.
Raisa selbst hatte in Hyrule-Stadt ihr eigenes Denkmal angetroffen, doch dies war etwas ganz anderes, wie sie feststellen musste. Die Statuen der Recken in Hyrule-Stadt wurden aufgestellt, um die Nachwelt daran zu erinnern, wer ihnen diese Zukunft ermöglicht hatte. Der Revali-Platz im Dorf der Orni und die Statue Miphas im Dorf der Zoras wurden allerdings von Personen aufgestellt, die den Verlust der Recken betrauerten...
Und Raisa, die keine Verwandten besaß und auch nur wenige Seelen zu ihren Freunden zählte, war nach ihrem Tod wohl nur von einer Handvoll Leuten betrauert worden – wenn überhaupt.
Sie schloss kurz ihre Augen und atmete tief durch. Was in ihr Vorging würde wohl für alle Zeiten ein Rätsel bleiben, nicht nur für Außenstehende, sondern für sie selbst ebenso. Schließlich wand sie sich von der Statue ab und lenkte ihre Schritte nun zu der Brücke, die sie zu dem Stausee bringen sollte. Hätte sie nach der Eskapade im Rüstungsladen nicht noch so unglaublich viel Zeit totschlagen müssen, dann hätte sie sich wohl nie vor Miphas Statue begeben und ihre Gedanken in diese Richtung kreisen lassen.Bis die Sonne jedoch hinter den Bergen von Ranelle wieder verschwunden war und bis der Vollmond sein Licht auf das Dorf der Zoras fallen ließ, war Revali noch ganze drei Male bei ihr aufgetaucht und hatte von seinen erfolglosen Rundflügen berichtet. Mehr brauchte sie dazu nicht sagen, oder? Ein gutes hatte es zumindest – der Recke der Orni war von seinen Flugeinlagen nun so erschöpft, dass er vorhin beinahe im Stehen eingeschlafen war. So konnte sich Raisa sicher sein, dass er nicht unerwartet auftauchen würde, während sie ihre nächtliche Expedition beschritt.
Während sie die unzähligen Treppenstufen hinauf zum Stausee ging, studierte sie eine Karte, auf welcher das Gebiet von Ranelle abgezeichnet war. Diese war eine der Entschädigungen, die sie sich im Rüstungsladen hatte geben lassen. Als jemand, der sein erstes Leben damit verbracht hatte, nicht lesen zu können und sich Orientierung mittels anderer Gegebenheiten, wie den Sternen und der Sonne zu verschaffen, wäre sie sicher auch ohne dieses Stück Papier zurechtgekommen. Doch musste sich der Recke der Hylianer eingestehen, dass ihr ihre neugewonnenen Fähigkeiten durchaus zusagten: Sie machten ihr das Leben einfacher. Dazu muss jedoch auch gesagt sein, besäße sie ihre Gabe der Voraussicht nicht, wäre es in diesen Zeiten sicher gefährlich, bei all den Monstern mit der Nase in der Karte herumzulaufen.
Nichtsdestotrotz faltete sie das Papier fein säuberlich und steckte es sich zurück in eine der beiden Taschen, die an ihrem Gürtel, gleich neben dem beinahe leeren Beutel für Rubine, befestigt waren. Wenn man mal von ihrer leichten Geldbörse absah, so musste sie feststellen, dass sie doch die ein oder anderen Pfunde an sich trug und das ohne je mit der Wimper zu zucken. Ihr Schwert, ein Dolch, die Taschen an ihrem Rücken... Andere Frauen sammelten dieses Gewicht mit hundert Schichten von Stoffen, mehr schlecht als recht zusammengenäht zu einem Ballkleid, das so pompös wirkte, dass meinen könnte, sie hätten darunter ein Wohnhaus versteckt, in welchem sie heimlich lebten. Raisa erschauderte bei dem Gedanken, ein solches Kleidungsstück an ihrem Leibe zu tragen. Da stieg sie noch eher in die Kleider der Gerudo, immerhin konnte sie sich darin bewegen und kämpfen!
DU LIEST GERADE
Until the last heartbeat
RomanceJahrhunderte vergingen, seit die Recken im Kampf gegen die Verheerung fielen. In diesen Jahrhunderten herrschte nichts als Frieden, was den einstigen Kampf immer mehr in Vergessenheit geraten ließ. Bis zu dem Tag, an dem eine Weissagung die erneute...