„Ach, meine Knochen tun vom Gehen so weh, dass ich die nächsten Tage wohl nur herumliegen werde", jammerte Amina, während sie mit Rina den Berg hinauf nach Hateno ging. Mittlerweile hatte sich die Dunkelheit bereits über den Himmel erstreckt und ein Meer von Sternen erleuchtete am dunklen Firmament. Zum Glück waren sie gleich Zuhause, viel länger hätte die Rothaarige das auch nicht mehr ausgehalten. Rina hingegen schien überhaupt keine Schmerzen zu haben oder auch nur ein Zeichen der Erschöpfung von sich zu geben. „Du hältst mehr aus, als du zugibst, Rina. So schlimm kann mein Gerede dann doch nicht sein", merkte Amina an. „Doch das ist es", kam prompt die Antwort. Beide grinsten sich an, wobei das Grinsen bei Rina doch recht klein und unscheinbar war. Aber immerhin überhaupt eine kleine Gefühlsregung.
Auch wenn sie nicht so herumjammerte wie Amina, war auch Rina heilfroh gleich Zuhause, wenn man es denn so bezeichnen konnte, zu sein. Der heutige Tag zählte zu jenen, von denen sie keine Wiederholung wünschte. Grauenhaft... Allein schon der Gedanke, was passieren würde, wenn man herausfand, dass sie diejenige war, die für diesen Hauch von Leben in dem Titanen verantwortlich war. Dieser Titan... Warum hatte er ausgerechnet zu ihr gesprochen und was sollte das heißen, dass es geendet hatte, um neu zu beginnen?
Rina hätte sich noch weiter darüber den Kopf zerbrochen, wäre hinter ihr nicht das Wiehern von Pferden und das Aufschlagen von Hufen auf dem Boden ertönt, grade in dem Moment, wo sie unter Hatenos Torbogen stand. Sie drehte sich um und so tat es Amina ihr gleich. Aus der Dunkelheit, hervorgerufen durch den dichten Wald vor dem Dorf, kamen drei Ritter des königlichen Hofes vor, die dafür sorgten, dass Rinas Herz kurz aussetzte. Mehrere Szenarien spielten in ihrem Kopf ab und kurz spielte sie mit dem Gedanken abzuhauen, doch das würde ihr wohl kaum etwas nützen. Auch hoffte sie für einen Moment, dass diese Ritter einfach nur vorbeireiten würden, doch dieses Wunschdenken wurde jäh unterbrochen, als das Tempo der Pferde gezügelt wurde und die Ritter vor den beiden zum Stehen kamen.
„Seid Ihr Rina?", fragte der vorderste sie, wobei sie über zwei Dinge direkt erstaunt war. Zum einen wurde sie wie eine Adlige angesprochen und zum anderen kannten diese Ritter scheinbar schon ihren Namen. Gut, unmöglich war dies für den königlichen Hof nicht, immerhin hatte Rina sich dort vorgestellt, um einen Platz unter den Bediensteten zu bekommen. „Ja", antwortete sie knapp. Ein Blick zu ihrer Freundin verriet ihr, dass Amina ein wenig ängstlich war. Oder eher besorgt, was das Wohlergehen beider belangte.
„Auf Geheiß ihrer Königlichen Hoheit, Prinzessin Zelda, werdet Ihr zu einer Audienz nach Schloss Hyrule geladen. Die Prinzessin entschuldigt, mit diesem Anliegen zu dieser späten Stunde Euch zu stören, jedoch sei es von höchster Dringlichkeit und nicht auszuschlagen." Oder einfach gesagt, sie hatte sich ohne Wenn und Aber in das Schloss zu begeben, noch heute. „Sagt eurer Hoheit, dass ich nicht..." – „Sie wird euch begleiten", unterbrach Amina sie. Nicht zu fassen... Diejenige, die an dieser Miesere schuld war, zwang sie jetzt auch noch mit diesen Affen in Rüstung mitzugehen, in das Schloss Hyrule, wo sie womöglich nie wieder herauskommen würde.
Auch Amina war aufgefallen, wie Rina angesprochen wurde. Wie eine Adlige oder jemand von hoher Bedeutung... Dies bedeutete aber auch, dass Rina wohl nicht schlecht behandelt werden würde, weshalb der Rothaarigen zumindest eine Sorge genommen wurde. Demnach, auch weil es von der Prinzessin so befohlen wurde, sagte sie für Rina zu. Auch weil sie wusste, dass ihre Freundin sich sonst widersetzt hätte...und das hätte nur noch mehr Probleme gebracht.
„Wenn ich dann bitten dürfte?" Der vorderste Ritter hielt Rina seine Hand hin, damit diese auf das Pferd aufsteigen konnte. Soweit sollte es noch kommen, dass sie sich von jemandem, der offensichtlich jünger als sie war, bevormunden lassen würde. „Ich bin bald zurück", sagte sie noch zu Amina, ehe sie sich ohne fremde Hilfe auf den Sattel des Pferdes hochzog. Etwas umständlich, aber was erwartete man auch, wenn bereits jemand auf dem Ross saß?
Ohne groß weiter Zeit zu verschwenden, trieben die Ritter wieder ihre Pferde an, die nun den Hügel, auf welchem Hateno lag, wieder heruntergaloppierten. Rina sah, solange sie es eben noch konnte, nach hinten zu Amina, bis die Rothaarige im Mantel der Dunkelheit verschwand. Ein unbehagliches Gefühl machte sich nun in ihr breit, wo sie sich ganz allein unter jenen befand, die mit Leichtigkeit über ihr Leben bestimmen konnten. Ja, selbst die Ritter. Diese wurden schließlich nicht umsonst im Schwertkampf ausgebildet... Und obwohl sich Rina als zäh beschreiben würde, sie würde sich nie anmaßen gut im Schwertkampf zu sein... Es überhaupt zu können. In Hateno war alles steht's ruhig, welchem Zweck hätte es also dienen sollen zu lernen, wie man mit dem Schwert umging? Auch das Bogenschießen oder Reiten kümmerte Rina nicht. Bis jetzt war sie noch nie in eine Situation geraten, in der diese Fähigkeiten von ihr verlangt wurden.
Wo sie nun schon dabei war, sich im einen Fort zu beschweren, es missfiel ihr ebenfalls, mit einem dieser Ritter auf einem Pferd sitzen zu müssen. Dabei kam sich körperlich nun mal unausweichlich nahe... Und die Tatsache, dass sie sich an jemand fremden Halt suchen musste, machte dies nicht im Geringsten besser. Es war auch nicht so, dass sie keine anderen Möglichkeiten ersucht hätte... Der Versuch, sich mit allen Kräften an dem Sattel festzuhalten, scheiterte nur kläglich und endete fast damit, dass sie heruntergefallen wäre. Demnach musste sie sich wohl oder übel ihrem Schicksal fügen und dies über sich ergehen lassen. Vielmehr sollte sie sich mögliche Ausreden zurechtlegen, damit sie ihren Hals noch aus der Schlinge befreien konnte. Wer wusste schon, was im Schloss Hyrule auf sie warten würde? Außer einer viel zu jungen Prinzessin, die im Grunde noch gar nicht die Ambitionen und nötige Reife besitzt, um ein Land zu regieren? Nun, so etwas sollte ihr im Schloss besser nicht herausrutschen.
Der Weg nach Schloss Hyrule führte durch ganz Necluda und dann noch über die Ebene von Hyrule nach Norden. Zu blöd auch, wo doch sowieso nach ihr gesucht wurde, hätte sie sich auch den Rückweg mit Amina sparen können. Aber niemand hatte das, was in Vah Inazuma passiert war, erahnen können. Schon gar nicht Rina... Und noch immer fühlte sich dies so unwirklich an.
Die Stille um sie herum wurde nur durch das Aufeinanderstoßen der einzelnen Metalle der Rüstungen, die die Ritter trugen, unterbrochen und von dem Aufschlagen der Hufe auf dem Boden. Ansonsten war alles so ungemein still, dass es schon erdrückend anfühlte... Oder wie eine eisige Kälte, die einem durch den Körper ging. Vielleicht aber auch machte Rina sich grade selbst wahnsinnig, da sie dem Schloss mit jedem Aufschlagen der Hufen näher kamen. Die drei Ritter taten auch nichts, um diesen Ritt in irgendeiner Art und Weise angenehmer zu machen. Sie schwiegen und schienen Rina nicht zu beachten, wobei die Betonung auf ,schienen' lag. In ihrem Inneren wusste sie genau, dass sie die beiden anderen Ritter ihr verstohlene Blicke zuwarfen. Bestimmt fragten sie sich, wie jemand unscheinbares wie Rina in eine solche Situation geraten konnte. Um ehrlich zu sein, da waren die Ritter nicht die einzigen.
Aber sich zu beschweren, dass das Leben unfair sei und immer die falschen Leute erwischte, würde ihr auch nichts bringen. Zudem war das Leben doch zu jedem irgendwann einmal unfair, also brauchte sie sich gar nicht einbilden, dass sie da eine Ausnahme bildete. Wobei der Zeitpunkt dennoch nicht unpassender sein könnte...
Sie seufzte lautlos und versuchte über die Schulter des Ritters, der vor ihr saß, zu sehen. Vielleicht gab es in der Ferne etwas Interessanteres, als der metallische Rücken vor ihr oder die unzähligen Bäume, an denen sie bereits vorbeigeritten waren. Auch der Nachthimmel mit seinen funkelnden Sternen und der weiß schimmernden Mondsichel war nach einiger Zeit uninteressant geworden. Aber auch in der kommenden Ferne war nichts, was ihr Interesse wecken konnte. Und nun, wo sie die Zwillingsberge hinter sich gelassen hatten, hatte Rina nur noch eines im Blick. Das prächtige Schloss von Hyrule, welches mit jedem hinterlassenen Meter größer wurde. War es falsch von Rina, ihre Situation wie die Pest jemand anderem zu wünschen?
Die Sekunden vergingen und ehe sie sich versah, stand sie auf der Brücke vor den Toren von Schloss Hyrule. Mit skeptischem Blick blieb sie an den verzierten Metalltüren hängen, ehe sie einen leichten Druck an ihrem Rücken spürte und sie leicht nach vorne geschoben wurde.
„Prinzessin Zelda wartet." Und sie konnte Rinas Meinung nach warten, bis sie schwarz wurde! Widerwillig setzte sie sich in Bewegung und trat nach vorne. So musste es sich also anfühlen, dass Tor zur Hölle zu passieren.
Eine Angewohnheit Rinas war es, sich alles immer gut einzuprägen, ganz gleich, wo sie war. Man konnte schließlich nie wissen, wann man dieses Wissen für sich selbst benötigte. Und so schaute sie sich ganz genau um, während sie in das Schloss von Hyrule gebracht wurde und auch, als sie im Inneren durch die Gänge geführt wurde. Ein wenig verwirrend war es allerdings schon... Aber kaum zu glauben, wie viel Schnickschnack in diesen Mauern ausgestellt wurde oder mit wie viel Gold und Silber alles Mögliche verziert wurde. Das war fast schon dreist, wie gut es der Oberschicht ging. Sollte sie jemals wieder aus den Fängen dieses Ortes entfliehen können, dann würde sie Amina eine Menge von diesem Ort berichten können. Wenn...
Sie kam, noch immer von den Rittern geführt, vor einer Tür aus Mahagoni stehen. Die Ritter verließen sie nun, jedoch nicht ohne sich vor ihr noch einmal zu verbeugen. Das zeugte noch mehr Verwirrung bei Rina. In welchem falschen Spiel steckte sie eigentlich? Kopfschüttelnd wandte sie sich wieder der Tür zu, hinter der wohl die Prinzessin Hyrules steckte. Was für eine Ausrede wollte sie noch gleich verwenden? Vielleicht sollte sie auch einfach so tun, als würde sie das Bewusstsein verlieren... Auch wenn ihr das langfristig nichts bringen würde. Zudem war es eigentlich auch nicht ihre Art vor Problemen davonzulaufen.
Fast schon energisch klopfte Rina dreimal gegen die dunkle Tür, worauf ein seltsam freundliches „Herein", ertönte. Sie atmete noch einmal tief durch, ehe sie durch die Tür hinein in das Zimmer trat. Rinas Blick schweifte durch das geräumige Wohnzimmer. Die Möbel waren alle dunkel gehalten, an der Wand prasselte ein Feuer im Kamin vor sich hin. Es sollte einladend wirken...
Von der Sitzgarnitur erhob sich nun die junge Prinzessin. Trotz dessen, dass sie definitiv jünger war als Rina, befand sie sich dennoch fast auf Augenhöhe mit der Braunhaarigen. „Ihr müsst Rina sein", sagte sie abschätzend und musterte Rina mit ihren grünen Augen. „Setzt Euch doch", einladend wies die Blondhaarige auf den Platz vor ihr. Mit gemischten Gefühlen setzte Rina sich gegenüber der Prinzessin von Hyrule, noch immer schweigend. Wie sollte sie sich der Prinzessin gegenüber verhalten, ohne zu sehr aufzufallen?
„Ich habe Euch bereits erwartet", redete Zelda, als sie bemerkte, dass Rina nicht von der gesprächigen Sorte war. „Tee?", fragte sie und deutete auf die Porzellan-Teekanne.
„Was soll das alles hier?", kam daraufhin die harsche Frage von Rina. Die Gelassenheit von der Prinzessin gemischt mit der Tatsache, dass sie in keinster Weise zu durchschauen war, trieben Rina fast schon an den Rand des Wahnsinns. Die Gewissenslosigkeit einer Sache, die einen selbst betraf, war grauenvoll. Zelda ließ es sich nicht nehmen dennoch eine Tasse Tee zu nehmen und von dieser einen Schluck zu nehmen. „Es überrascht mich, dass Ihr Fragen habt Rina, ich dachte, ich wäre diejenige, die voller Fragen steckt. Aber gut, da Ihr zu Gast in diesem Schloss seid, werde ich versuchen, Eure Frage zu beantworten. Im Gegenzug werdet Ihr dann meine Fragen beantworten. Klingt doch fair?"
Rina atmete noch einmal tief durch. Dieses kindhafte gemischt mit diesem erzwungenen Erwachsengehabe war fürchterlich mitanzuhören. „Ich habe wohl keine andere Wahl", stellte Rina ruhig fest. „Das ist wohl wahr." Was ein verkorkstes Kind... „Also, was soll das hier alles? Ich bin mir keiner Schuld bewusst", sagte Rina und wartete fast schon gespannt auf die Antwort der Prinzessin. Diese schmunzelte kurz in ihre Teetasse. „Schuld? Wenn Ihr eines Verbrechens schuldig wärt, hätte ich Euch in ein Gefängnis geschickt und nicht in einen meiner privatesten Bereiche dieses Schlosses", antwortete Zelda.
Nun, das brachte Rina zwar noch immer nicht auf einen grünen Zweig, jedoch musste sie jetzt nicht mehr damit rechnen, eingesperrt zu werden. „Und warum spricht mich jeder so komisch an." Nun schossen die Augenbrauen der Prinzessin in die Höhe. „Allgemeine Höflichkeit. Lernt man das nicht in einem Heim für Jugendliche und junge Erwachsene?", fragte Zelda. Oh, wäre sie nicht die Prinzessin von Hyrule, dann hätte dieses Kind von Rina jetzt schon die Ohren langgezogen bekommen. Das fehlte dieser Göre, da waren ihre Eltern wohl ein wenig zu früh abgekratzt.
„Nun, aber im Grunde habe ich die Ritterschaft darum gebeten, Euch mit Samthandschuhen anzufassen. Dazu gehört es auch, Euch angemessen anzusprechen, Rina." Zum ersten Mal klang das Gör nicht so überheblich oder verstellt. „Waren das nun Eure Fragen?"
Rina schüttelte leicht den Kopf. „Eine noch", sagte sie angespannt. „Warum bin ich so wichtig?" Klang dies nun nicht auch überheblich? Aber wie hätte sie es denn sonst ausdrücken sollen?
„Nun...", Zelda nahm erneut einen Schluck Tee, „Weil Ihr die Wiedergeburt der großen Raisa seid."
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Until the last heartbeat
Roman d'amourJahrhunderte vergingen, seit die Recken im Kampf gegen die Verheerung fielen. In diesen Jahrhunderten herrschte nichts als Frieden, was den einstigen Kampf immer mehr in Vergessenheit geraten ließ. Bis zu dem Tag, an dem eine Weissagung die erneute...