Aus Reflex hatte Rina ihre Augen geschlossen, doch bemerkte sie schnell, dass dieses helle Licht sie nicht blendete. Jedoch konnte sie weder Zelda noch die Steuerungseinheit ausmachen, als wären sie im Licht verschwunden. „Du fragst dich, was dies hier ist?" Eine Stimme drang zu ihr durch, doch konnte sie nicht ausmachen, von wo diese Stimme kam. Zu ihrer Verwunderung klang sie zudem vertraut. „Woher..?", verlangte sie zu wissen. „Du kannst deine Gedanken nicht vor mir verbergen." Rina verzog daraufhin das Gesicht. Diese Person, die hinter dieser Stimme steckte, konnte also ihre Gedanken lesen?
„Dies ist ein Ort, den du einzig und allein mit deinem Geist betreten kannst. Er dient dazu, unsere Gedanken und Worte den jeweils anderen zu übermitteln. Zu früheren Zeiten hast du ihn verwendet, wenn es dir nicht ausgereicht hat, die Steuerungseinheit zu verwenden", erklärte die Stimme ihr. Nun verstand die Braunhaarige. „Du bist also Vah Inazuma." Jetzt erkannte sie auch die Stimme wieder. Die Stimme, die sie in den Titanen gelockt hatte. „Zumindest ist dies der Name, den meine Meisterin mir gegeben hat. Jedoch scheint meine Meisterin im Laufe der Zeit die Erlebnisse und Erinnerungen ihrer damaligen Zeit vergessen zu haben, so auch mich."
Wie die Braunhaarige nun feststellen musste, war auch Inazuma davon überzeugt, dass sie Raisa war. Langsam aber sicher erdrückte dies sie. Ein jeder war der Meinung, sie sollte den Namen einer verstorbenen Person annehmen und wie durch Zauberei wäre sie diese dann? Lächerlich.
„Und dennoch muss ich dir danken. Trotz der fehlenden Erinnerungen hast du mich aus meinem tiefen Schlaf bereit. Als die Recken vor einigen Jahrhunderten diese Welt verließen, vermochte nichts mehr uns Titanen mit der Welt der Sterblichen zu verbinden. Und so beschlossen wir den Tag zu erwarten, an dem die Recken zurückkehren würden. Und der Tag war gekommen, als du zu mir kamst, Rina. Du bist dir dessen sicherlich bewusst, dass du meine Meisterin, Raisa, bist."
Nun gab es keine Ausflüchte mehr. Sie war Raisa, ob sie es nun wollte oder nicht. Vor Jahrhunderten starb sie im Kampf gegen die Verheerung Ganon und wurde nun wiedergeboren, um erneut im Kampf gegen diese anzutreten. Ein Schicksal, das sich wiederholte. Doch war sie einfach nicht in der Lage, sich mit dieser Tatsache anzufreunden. Rina wollte sie selbst sein und nicht irgendeine Person, die vor hunderten von Jahren lebte. Eine Person, über die man heutzutage in Geschichtsbüchern las oder deren Andenken man in Hyrule Stadt besichtigen konnte. Zu welchem Zweck sollte man eine alte Ära wieder aufleben lassen?
„Ich denke, nun ist es an der Zeit, dass auch ich meine Meisterin aus ihrem tiefen Schlaf befreie." Rina horchte auf. Was sollte das bedeuten, dass er seine Meisterin aus ihrem tiefen Schlaf befreien würde? Ehe sie sich versah, wusste Rina, was damit gemeint war. Die Erinnerungen, die tief in ihr verborgen waren und die sie zu vergessen haben schien, spielten sich soeben vor ihren goldenen Augen ab. Von Anfang bis Ende durchlebte sie noch einmal das Leben der großen Raisa, ihr Leben.
„Kehre zurück, Recke der Hylianer, Raisa", waren die letzten Worte, die sie vernahm, ehe das helle Licht um sie herum verschwand und sie in ein tiefes Loch fiel. In der Realität geschah nichts weiter, als das sie von dem Podest vor der Steuerungseinheit abrutschte und auf die Knie fiel.
Hyrules Prinzessin, für die nur ein kurzer Augenblick vergangen war, blickte noch immer voller Überraschung nach vorn zu der Steuerungseinheit, von der sie nun eine starke Präsenz wahrnahm. Sogleich fiel ihr auf, dass der Titan in keinster Weise mehr wie ein Haufen Schrott aussah. Er glänzte, wie scheinbar zu alten Zeiten. Auch die Funktionstüchtigkeit kehrte allmählich zurück. Und das alles verdankte die blondhaarige Prinzessin Rina, zu der sie auch direkt hinlaufen wollte. Doch stoppte sie in ihrer Bewegung als sie bemerkte, dass diese Präsenz nicht von der Steuerungseinheit kam, sondern von der braunhaarigen Person davor, die sich grade wieder aufrichtete. Diese Präsenz hatte Rina gestern Abend schon einmal gespürt und auch jetzt sorgte sie dafür, dass ein eiskalter Schauder ihren Rücken herunterlief. „Rina?"
Die Braunhaarige sah mit stechendem Blick zu der Prinzessin herüber. Jedoch entspannte sich die Situation, als besagte Braunhaarige ihre Augen schloss und seufzte. „Nein, nicht Rina." Zeldas Augen weiteten sich bei diesem Satz. Sie lag in ihrer Vermutung also richtig. „Natürlich, Recke der Hylianer, Raisa." Sprach die Prinzessin. Dies war das unglaublichste, was Zelda in ihrem gesamten Leben je erlebt hatte. Nicht nur, dass sie einen Recken gefunden hatte... Dieser Recke stammte nun auch aus jener Zeit, als die Schlacht gegen die Verheerung Ganon geführt wurde.
Raisa fasste sich an den Kopf und musste erstmal einen klaren Gedanken fassen. Alles fühlte sich seltsam und surreal an, zudem verspürte sie im Moment denselben Schmerz, der sie begleitet hatte, als sie das zeitliche gesegnet hatte. Es war fast so, als würde ihr Leben dort weiter gehen, wo es aufgehört hatte. Und dennoch trug sie die Erinnerungen eines anderen Menschen in sich, ein Leben, dass sie fast zwanzig Jahre lang geführt hatte, nicht wissend, wer sie eigentlich war.
„Ich werde dein Andenken wahren, Rina", sprach sie zu sich selber und ließ von ihrem Kopf ab.
„Kann ich etwas für Euch tun?", fragte Prinzessin Zelda, die an sie herangetreten war.
„Ja, mir den Gefallen tun, einen Moment lang leise sein, damit ich mich erstmal daran gewöhnen kann", sagte sie. Die Prinzessin war daraufhin mucksmäuschenstill. Mit Raisa zu sprechen, war für die Blondhaarige ein ganz anderes Kaliber, als mit Rina. Schließlich wusste sie von Raisas Unberechenbarkeit.
Doch ein wenig waren Raisas Erinnerungen mit denen von Rina außer Gleichgewicht geraten.
„Revali, Mipha, Urbosa, Daruk und Link... Was ist mit ihnen?", fragte Raisa. Zelda faltete die Hände und sah leicht zu der Braunhaarigen auf. Viel fehlte zwischen den beiden schließlich nicht mehr. „Über den Verbleib der anderen Recken können wir bisher nur mutmaßen. Und einen Ritter, der das nötige Talent besitzt, um in der Liga des Helden zu spielen, wurde bislang nicht entdeckt. Ihr und dieser Titan seid bislang die einzigen aus jener Zeit", erklärte die Prinzessin. Raisa nickte leicht und fasste sich an die Brust. Allmählich verschwand das Gefühl, von einem Schwert durchbohrt zu werden. „Werdet Ihr... Hyrule erneut gegen die Verheerung Ganon verteidigen?" Zelda konnte sich diese Frage nicht verkneifen. Auch wenn es das letzte Mal für die Frau vor ihr nicht glimpflich ausging, so wusste sie trotzdem, wie man gegen diesen immer wieder kehrenden Fluch kämpfen musste.
„Ich bin vielleicht nicht so gebildet, wie eine Prinzessin, aber ich bin doch nicht von allen guten Geistern verlassen! Ich bin schon einmal für dieses Land gestorben und jetzt wo ich die Chance habe, mein Leben weiterzuleben, lasse ich mich doch nicht noch einmal auf so etwas ein. Niemals! Ich bin aus zwei Gründen damals Recke geworden. Zum einen, weil die damalige Prinzessin Zelda noch etwas bei mir gut hatte und zum anderen, weil ich allen anderen etwas beweisen wollte. Der erste Grund fällt weg, schließlich habt Ihr nichts bei mir gut und der zweite Grund geht mir mittlerweile so gepflogen sonst wo vorbei. Ich will damit nichts mehr zu tun haben. Ich bin raus aus der Nummer. Ein schönes Leben noch."
Mit diesen Worten stieß Raisa sich von dem Podest ab und ging Richtung Ausgang. Beim besten Willen, den sie aufbringen konnte, war sie nicht bereit, das alles noch einmal zu durchleben.
„Wartet bitte. Ihr habt damals dem Königshaus geschworen, dieses Land zu verteidigen. Dieses Königshaus und dieses Land existieren immer noch. Die Konditionen sind immer noch die gleichen, nur die Personen, denen Ihr dient, haben sich verändert, also..." Zelda war nicht bereit, ihr Ass im Ärmel so schnell laufen zu lassen. „Ich diene nur mir selbst", erwiderte Raisa und schenkte der Prinzessin wieder einen stechenden Blick.
„Was ist mit den anderen Recken? Wollt Ihr sie nicht wiedersehen?", fragte Zelda. Raisa schnaubte. „Die können meinetwegen dort bleiben, wo der Pfeffer wächst." Doch so ganz stimmte dies nicht. Raisa wollte die anderen schon wiedersehen, schließlich waren sie in dieser gottverdammten Welt die einzigen, die wie sie aus jener Zeit stammten. Da war sie sogar bereit über ihren Schatten zu springen und sich für sie einzusetzen. „Es wäre viel einfacher, wenn wir kooperieren würden." Darauf konnte sie nur spöttisch lachen. „Was hätte ich denn davon?", fragte Raisa, was die Prinzessin verdutzte. „Was Ihr...davon hättet?", fragte Zelda. „Das Leben ist ein geben und nehmen. Ihr nehmt meine Dienste in Anspruch und was gebt Ihr mir dafür?", fragte Raisa.
„Was wollt ihr denn? Rubine?" Raisas spöttisches Grinsen wurde nur größer. „Das ist das Problem. Das wonach ich mich sehne, kann man weder anfassen, noch sehen. Es ist nichts Materielles. Und Ihr könnt Euch noch so anstrengen, Ihr werdet niemals in der Lage sein, es mir zu geben. Dazu ist jemand anderes bestimmt." Raisa ging weiter Richtung Ausgang, schließlich hatte sie mit dieser Zelda nichts weiter zu besprechen. Doch die junge Prinzessin versuchte es noch ein letztes Mal.
„Wie wäre es damit: Ihr tretet vorläufig in Hyrules Dienste und ich werde Euch dabei unterstützen die anderen Recken zu finden. Wenn ihr Recken dann vollzählig seid, könnt ihr unter euch ausmachen, ob ihr, wie damals, wieder in Hyrules Dienste tretet."
Und tatsächlich stoppte Raisa in ihrer Bewegung. Im Grunde war ihr nichts waghalsig genug und sie nahm auch gerne den schweren Weg in Kauf, obwohl neben ihr der leichte Weg verlief, jedoch... Würde es sich schon schwierig gestalten, die anderen ohne jeglichen Anhaltspunkt wiederzufinden. Hätte sie den Titel des Recken könnte man es ihr nicht verübeln, dass sie durch das Land reiste, um die anderen zu finden. Und es würde sich auch leichter gestalten, blöde Fragen würden wegfallen... Dieser Titel brachte schon einige Vorzüge mit sich, dies war nicht zu leugnen. Und wenn es nur vorübergehend war...
„Haben wir eine Abmachung, Recke der Hylianer?", fragte Zelda und sah zu der Braunhaarigen, die innerlich noch immer die Vor- und Nachteile abwog. „Die endgültige Entscheidung wäre noch nicht getroffen?", fragte Raisa. „Nach außen hin schon, wir können unsere Beziehungen schließlich zu keiner Seifenoper für das Volk machen, aber was wir unter uns abmachen, sind natürlich die wahren Konditionen. Ja, die endgültige Entscheidung trefft ihr Recken dann in Konsens", sagte Prinzessin Zelda. Raisa zog amüsiert einen Mundwinkel nach oben. „Das sind aber dreckige Spielchen, die Ihr da Spielt, Zelda", sagte sie. Zu ihrer Überraschung verzog Zelda keine Miene. „Das habe ich von Euch gelernt", erwiderte die Blondhaarige.
„Gut, wir haben eine Abmachung. So wie Ihr das gesagt habt, keine Abweichungen, kein nichts. Inazuma sei mein Zeuge, ebenso die Götter und ich sage Euch, wenn Ihr mich hintergeht..." Zelda winkte schnell ab. „Das wird nicht passieren. So wie ich Euch einschätze, ist Euer Zorn schlimmer als ein heraufbeschworener Fluch." Damit war Raisa zufrieden. Sie hatte eben nichts verlernt. Die Welt war ihr Schachbrett und sie bewegte die Figuren – zumindest wenn niemand sich einmischte, so wie Revali es gerne tat. Oder die Zelda, die sie einst kannte.
Ein seltsames Gefühl machte daraufhin sich in der Hylianerin breit. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Die Personen ihrer Zeit, ihres Hyrules... Sie waren alle nicht mehr am Leben. Jene Zelda, Prinz Timor, Taiga... Aber auch andere Persönlichkeiten wie Miphas Bruder, Sidon. Sie lebten einzig und allein in ihren Erinnerungen. Aber dafür... „Seina!", brachte Raisa über die Lippen, was Verwunderung bei Zelda stiftete. „Was?", fragte die Prinzessin, jedoch hörte Raisa ihr gar nicht zu. Die Erkenntnis, dass aus jener Zeit Seina mit ihr gekommen war, traf sie hart. Amina... Ihr ganzes Leben lang lebte sie neben ihr, ohne überhaupt zu wissen, wer sie war.
Sie verspürte das Verlangen auf der Stelle nach Hateno zu reisen, doch wurde ihr in diesem Moment auch bewusst, dass Amina keine Erinnerungen an damals besaß... Selbst wenn sie ihr also gegenüber treten würde, würde ihr dies nichts nützen. Aber immerhin hatte auch sie eine zweite Chance bekommen und lebte...
„Wie sieht der Plan aus?", fragte Raisa mit dem Rücken zu Zelda gewandt. „Nun, ich halte es für angemessen, zuerst dem Dorf der Zoras einen Besuch abzustatten", erwiderte Zelda. Raisa nickte daraufhin. „Gut, damit wäre das geklärt. Wir reisen zum Dorf der Orni, ich habe da noch eine alte Rechnung offen...", bestimmte sie, die Pläne Zeldas ignorierend.
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Until the last heartbeat
RomansaJahrhunderte vergingen, seit die Recken im Kampf gegen die Verheerung fielen. In diesen Jahrhunderten herrschte nichts als Frieden, was den einstigen Kampf immer mehr in Vergessenheit geraten ließ. Bis zu dem Tag, an dem eine Weissagung die erneute...