Mit klopfendem Herzen rannte Raisa entlang der vielen Straßen Epysas. Nur gedämpft drang der Lärm ihrer Umgebung an sie heran, unterlag dem Pochen ihres Blutes, das sie in ihren Ohren wahrnahm. All die verschiedenen Empfindungen, die ihr Innerstes ins Chaos stürzten, verlangten die Erfüllung eines Ziels: Das Gasthaus ausfindig machen und sich von Revalis Unversehrtheit überzeugen. Denn, ganz gleich wie begabt sie oder Revali sein mochten, sollte der Feind wirklich der Koga sein, der ihr als Anführer der Yiga bekannt war, so durften sie die Gefahr nicht unterschätzen!
So drängelte sie sich an den unzähligen Personen vorbei, die wie sie auf den Straßen unterwegs waren. Jene, mit denen sie unsanft zusammenstieß, verdienten nicht einmal ihre bösen Blicke, die sie sonst über die Schulter werfen würde. Stattdessen suchten ihre goldenen Augen, gleich denen eines Raubtiers, jedes einzelne Gebäude ab, dass sie passierte. Doch Epysas Größe und ihre Unkenntnis über die Stadt sorgten lediglich dafür, dass sie inmitten der hohen Gebäude und zahllosen Bewohnern verloren war. Aus diesem Grund blieb sie stehen und zwang sich zur Ruhe; Ihre Gefühle herrschten derzeit über ihre Gedanken und ihr Handeln, wodurch es ihr misslang, eine rationale und schnelle Entscheidung zu treffen. Unter diesen Umständen würde sie das Gasthaus und Revali am kommenden Tag noch nicht gefunden haben!
So entschloss sie – wenngleich ihre Durchführung durchaus rabiat war – einen Passanten von der Straße zu greifen und nach dem Weg zu fragen. „Das Gasthaus zum Wolkenkratzer, wo finde ich es?!", fragte sie laut und verfestigte dabei ihren Griff um den Oberarm desjenigen, nach dem sie gegriffen hatte. Die Konsequenzen für ihr Handeln würde sie in Kauf nehmen, das hatte sie früher schon und heute würde sie damit nicht aufhören! Der Mann, den sie am Weitergehen gehindert hatte – größer und breiter als sie – sah zunächst ungläubig zu ihr hinab, ehe sein Blick sich zu einem wütenden Stieren wandelte. Hätte sie die Zeit, hätte Raisa den einen oder anderen Witz darüber geäußert, wie sich die Haut des Mannes in ein dunkles Rot färbte oder dass ihm sein Schnauben aufgrund des dichten Schnurrbarts missglückte.
„Du kleines Biest", erwiderte er schließlich und befreite sich gewaltsam von Raisas Griff, „dein Vater und dein Mann waren bisher zu gnädig mit dir, was die Züchtigung angeht." Seine Redensart, sein Körperumfang, seine Kleidung... Raisa vermutete einen reichen Kaufmann vor sich zu haben, wie es sie in Hyrule-Stadt zur Genüge gab. Vielleicht hätte sie nicht wahllos nach der erstbesten Person greifen sollen, doch jetzt war es zu spät, diese Entscheidung zu bereuen.
Dieser Mann – ein menschlicher Iwarok, was seine trägen Bewegungen und sein Umfang anbelangte – schien es sich nun zur Aufgabe zu machen, Raisa, die in seinen Augen ihren Platz nicht kannte, auf diesen zu verweisen. Für diesen Angriff brauchte die braunhaarige Schwertkämpferin weder Waffe zur Verteidigung, noch ihre Gabe zum Ausweichen – in ihrer Vergangenheit war sie derart oft in Situationen wie diese geraten, sie hätte mit verbundenen Augen kämpfen können! Mit einer flinken Bewegung war sie dem Schlag zur Seite ausgewichen, hatte das Handgelenk des Mannes ergriffen und dieses erbarmungslos bis zur Schmerzgrenze gedreht. „Das Gasthaus zum Wolkenkratzer. Ich wiederhole mich nicht noch einmal", sprach sie ebenso kühl, wie ihre Augen die seinen fixierten, während er in gebeugter Haltung versuchte, den Schmerz zu lindern. „Es... Es ist das Gebäude unten am Platz. Mit dem Turm! Ihr müsst nur der Straße hinab folgen!", erklärte ihr der Fremde mit bibbernder Stimme. Anstatt sich rasch mit dieser Information auf den Weg zu begeben, blieb sie jedoch stehen und kostete ihre Überlegenheit noch ein wenig aus, während ihr Gegenüber Schmerzen litt. Doch schließlich besann sich Raisa, da es durchaus Wichtigeres gab, und ließ den Mann wieder los, ehe sie ihres Weges eilte.
Mit Sicherheit hätte sie auf einem diplomatischeren Wege erfahren können, wo sich das Gasthaus befand. Doch das Adrenalin in ihrem Körper und ihre schlechten Erfahrungen mit Kaufleuten wie diesem hatten ihr altes Wesen ein wenig durchscheinen lassen. Dabei war dies noch milde, im Vergleich zu den Methoden, die sie noch vor ihrem Dasein als Recke angewandt hatte. Immerhin waren Dolch und Schwert an Ort und Stelle geblieben und sie hatte nicht einen Knochen gebrochen.
Raisa bahnte sich ihren restlichen Weg frei, die Straße hinunter zu dem Platz, wo sich das Gasthaus befinden sollte. Zwar konnte sie kein Schild erkennen, das den Namen des Gasthauses präsentierte, doch sie stand vor dem ihr beschriebenen Gebäude mit dem Turm. Es glich einem Wunder, dass die Flügeltüren nicht aus den Angeln gerissen wurden, während Raisa diese beim Eintreten in das Haus derart schwungvoll geöffnet hatte, dass diese links und rechts gegen die Wände krachten.
Für gewöhnlich hätte sie sich für diese Aktion schon eine Schelte vom Wirt anhören müssen, doch nichts ertönte. Ihr Blick wanderte durch den großen Saal, der nur von schwachem Licht erleuchtet wurde. Zahllose Tische und Bänke waren leergefegt, keine Seele war zu sehen. Doch nicht nur an den Tischen, es schien überhaupt niemand anwesend zu sein. Jedoch glaubte Raisa, dass eben dieser Schein trug. Ihre Gabe gab ihr keinen Grund, einen Angriff zu erwarten, jedoch hatte sie ein beklemmendes Gefühl in ihrem Bauch. Dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging, verdeutlichte zumindest dieser leere Speisesaal, wo doch Epysa in sonst jeder Hinsicht überfüllt war.
Über die hölzerne Theke hinweg griff Raisa nach dem großen Gästebuch, das dort auslag. Auf der aktuellsten Seite konnte sie Revalis Namen ablesen, womit feststand, dass der Orni hier zumindest angekommen war. Fraglich war nur, was aus ihm wurde... Das Buch wieder auf den Tresen legend, wandte sich Raisa der Treppe zu, die in die oberen Stockwerke führte. Gerade als ihre Hand das Geländer berührte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Eiswürfel schienen sich den Weg von ihrem Nacken den Rücken hinab zu bahnen – zumindest fühlte es sich so an, während sie von der anderen Seite des Raumes eine derart bedrohliche Aura wahrnahm, die nur von einem Fluch Ganons übertroffen werden konnte.
„Ich würde nicht nach oben gehen. Das würde noch die Magie durchbrechen und das wäre lästig." Raisa schloss kurz die Augen und atmete durch, ehe sie sich langsam umdrehte. Aus der Dunkelheit des Raumes trat jemand hervor. Stiefel, Hose, Gewand... Alles schien auf einen einfachen Reisenden hinzuweisen. Mit Ausnahme der Maske. Obwohl diese kein Yiga-Symbol trug, wusste Raisa, dass der Mann vor ihr ein Yiga war. Nein, nicht irgendein Yiga – dies war Koga. Die Fähigkeit, seine Präsenz derart zu verstecken, als wäre man nicht anwesend, konnte nur von äußerst begabten Schattenmagiern unter den Shiekah angewandt werden.
Die Gerüchte, dass der Anführer der Yiga-Bande lediglich ein fauler Holzkopf sei, der seine Lakaien die Arbeit erledigen ließ, da er selbst zu unfähig dazu war, wurden gewiss auch an Raisa herangetragen. Sollten sie der Wahrheit entsprechen, so vertrat sie zumindest die Ansicht, dass niemand grundlos zu einem Anführer wurde – gewiss war er durchaus gefährlicher und stärker, als seine Reputation vermuten ließ. Aus diesem Grund blieb sie besonders wachsam.
„Recke der Hylianer, Raisa. Was ein Zufall... Es gab eine Zeit, da hätte ich alle Mittel in Bewegung gesetzt, deinen Kopf rollen zu sehen", sprach Koga mit beinahe schon krächzender Stimme. Er ließ sich auf einem der Holstühle nieder, der bedrohlich unter dem Gewicht zu knacken begann. Dies ignorierend, legte der Yiga lediglich die Füße auf den Tisch und kippelte mit dem Stuhl. Ein wenig entgeistert von dem, was sie zu Gesicht bekam, trat Raisa einen Schritt voran, blickte rasch nach links und rechts, um sicherzustellen, dass nicht eine andere böse Überraschung auf sie wartete. Aber nein, der Anführer der Yiga, Koga, stellte sich ihr auf einem Stuhl fläzend gegenüber.
„Was soll die Farce? Als würde dieses Treffen reiner Zufall sein – es gibt keine Zufälle, wenn man auf euch Yiga trifft. Und dieser Aufzug... Als würde ich das in irgendeiner Weise abnehmen? Was ist mit den Leuten hier geschehen? Was ist mit Re..." Sie unterbrach sich selbst, als Koga seine Hand ihr gegenüber ausstreckte, was sie blitzschnell nach ihrem Schwert greifen ließ. „Lass den Zahnstocher, wo er ist. Mir gingen deine vielen Fragen lediglich auf die Nerven. Was du glaubst, ist mir letztlich egal. Aber dies hier ist lediglich ein Aufeinandertreffen zweier Personen mit einer sehr langen Vergangenheit."
Nur äußerst langsam ließ Raisa von dem Griff ihres Schwertes ab. Mit verengten Augen musterte sie den Yiga vor sich, der nach wie vor mit seinem Stuhl kippelte. Sie wusste diese Situation nicht einzuschätzen, doch feststand, dass sie Koga nicht vertraute. Kein Stück weit. Er und seine Yiga waren Meuchelmörder, Assassinen... Ein Messer aus dem Hinterhalt war nichts, das sie für unwahrscheinlich hielt. Es blieb ihr nur zu hoffen, dass ihre Gabe sie früh genug die Zukunft sehen ließ, sollte etwas geschehen.
„Deine Vergangenheit scheint überaus lang zu sein", entgegnete Raisa skeptisch. Mit verschränkten Armen trat sie etwas weiter in den Raum hinein. Ihre Vorbehalte ließen sie jedoch einen gesunden Abstand zu dem Yiga einhalten, ehe sie an einen der leeren Holztische lehnte. „Dir fehlt jede Vorstellung, wie lang, kleiner Recke." Raisa konnte es nicht leugnen... Die Frage, wie lange Koga bereits lebte, interessierte sie wirklich. Allein die Tatsache, dass er die Jahrhunderte zwischen ihrem ersten Leben und diesem überdauert hatte... Das ließ einen doch wundern, wie lange er schon davor existiert hatte?
„Wie auch immer. Revali... Was ist mit ihm?", fragte Raisa erneut. Sie war ratlos in Bezug auf ihre Überlegungen, was Koga mit all dem erreichen wollte... Doch sie wusste, dass sie sich darauf nicht einlassen konnte, solange sie nichts über den Verbleib des Orni wusste. „Oben. Wie jeder andere. Ich würde sagen, eine plötzliche Müdigkeit überfiel sie", erwiderte der Yiga. „Also hast du all diese Mühen auf dich genommen, um mit mir ein paar Worte zu wechseln. Wieso? Was habe ich, was beispielsweise Revali nicht hat?" Sollten die Worte des Yiga der Wahrheit entsprechen, so musste er sehr spontan gehandelt haben. Immerhin hatte Revali sie auch nur sehr kurzfristig zu dieser Reise bewegt. Was also trieb den Anführer der Yiga an? Was war ihm wichtig genug, all diese Mühen auf sich zu nehmen?
„Ein Vermächtnis, dessen Bedeutung du nicht erahnen kannst."
Entgegen seiner fast schon flegelhaften Manier hatte er diese Worte unerwartet ernst gesprochen. Raisa ließ es sich nicht anmerken, doch mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Es erschien ihr fast so... Als würde dieser Koga sie besser kennen, als sie es tat. Oder aber... Natürlich, er besaß Wissen über die Vergangenheit, dass ihr selbst verborgen blieb! Er hatte jene Zeit wahrscheinlich selbst miterlebt. Könnte es sein, dass er... „Du weißt etwas über mich, dass ich selbst nicht weiß. Es könnte meine Herkunft betreffen, meine Ahnen... Was es auch ist, du wirst es mir nicht verraten. Und mir scheint, diese Überlegenheit amüsiert dich köstlich", schlussfolgerte sie, während der Yiga mit dem Stuhl wippte und fast schon vor sich hin summte. Es war unglaublich, wie schnell ihr Blut bei diesem Verhalten zu kochen begann. „Ich existierte schon, da war dein Urgroßvater noch nicht einmal in Planung. Natürlich weiß ich das ein oder andere." Und das verärgerte Raisa ungemein. Sie quälte sich durch Bücher, ließ andere Bücher durcharbeiten für ein Fünkchen Aufklärung... Dabei saß die Antwort auf alle Fragen vor ihr, nur würde sie nichts davon zu hören bekommen.
Koga seufzte gedehnt, als wäre er derjenige, der den Kürzeren zog. „Ich kam nicht her, um über dich zu reden. Eigentlich wollte ich über mich reden und dir eine kleine Warnung mit auf den Weg geben. Weil ich so herzensgut bin." Obwohl er nicht viel sprach, trieb er Raisa zur Weißglut damit. „Und woher kommt der plötzliche Sinneswandel?", fragte sie mit zusammengepressten Zähnen. Die Yiga waren nicht gerade bekannt dafür, Verbündete der Recken oder Hyrules zu sein – gelinde ausgedrückt. „Nun ja, meine Ziele haben sich geändert. Man könnte sagen, wir haben uns die Finger verbrannt, weshalb nur noch wenige von uns existieren", erklärte der Yiga vage. Was Revali erzählt hatte, schien also zuzutreffen. Die Yiga wurden fast vollständig ausgelöscht... „Unter den Wegen, auf denen wir wandern, lauern Dämonen, kleiner Recke. Meine Dämonen haben mich bereits heimgesucht. Und deine sind bereits seit langem dabei. Und glaube nicht, dass wir Yiga Dämonen waren. Du hast wahren Schrecken noch nicht kennengelernt." Sie, die gegen einen Fluch Ganons angetreten und diesen nur unter Einsatz ihres eigenen Lebens bezwingen konnte, hatte wahren Schrecken noch nicht kennengelernt? Was für ein Unsinn...
Aber, wenn sie ihn richtig verstand, dann gab es zumindest ein noch größeres Übel, als die Yiga? Ein Übel, dass die abtrünnigen Shiekah mit Leichtigkeit vernichtet und es ebenso auf ihr Leben abgesehen hatte? „Ich denke, ich weiß von den Feinden, die mir nach dem Leben trachten", entgegnete sie schließlich abwertend. „Du weißt gar nichts", setzte Koga sogleich nach, womit er erneut einen Nerv der Hylianerin traf. „Du solltest deine Unfähigkeit, die Konsequenzen zu überblicken, nicht auf mein Schicksal übertragen. Hättet ihr euch nicht gegen Hyrule gestellt, wären deine Lakaien nicht aus Rache umgebracht worden."
Polternd schlug Koga seine Hände auf den Tisch vor sich, nachdem er von seinem Stuhl aufgesprungen war. „Sie waren nicht einfach nur meine Lakaien! Und sie sind keinem Rachefeldzug zum Opfer gefallen!", rief er nun säuerlich. Offensichtlich hatte Raisa nun einen Nerv bei ihm getroffen. Aber ein wenig überraschend kam sein Geständnis schon. Nicht nur einfache Lakaien? Als besäße dieser kaltblütige Mörder vor ihr ein Herz...
„Uh, ich sollte mich nicht so aufregen. Das geht nur noch mehr auf meine Stimmbänder", beruhigte er sich wieder und ließ sich zurück auf den Stuhl fallen, der erneut bedrohlich knackte. Ob sich Raisa wünschte, dass dieser zusammenbrach? Selbstredend tat sie das. „Eine Quizfrage, kleiner Recke", sprach Koga und hob einen Zeigefinger. „Wie lange gibt es die Yiga-Bande bereits?" Argwöhnisch zog Raisa ihre Augenbrauen zusammen. Was sollte das denn jetzt? Bei jedem anderen würde sie sich fragen, ob man sie zum Narren halten wollte... Doch dieser Koga besaß versteckte Intentionen, da war sie sich sicher.
„Euch Shiekah zerwarf es doch, nachdem die Titanen erschaffen und die Verheerung versiegelt wurde, wie es in der zehntausend Jahre alten Legende erzählt wird. Also...", beantwortete Raisa die Frage nach bestem Wissen, wenn auch nicht sonderlich enthusiastisch.
„Ahh, leider falsch. Ihr Hylianer wisst wirklich überhaupt nichts. Kaum hatten die Shiekah der Königsfamilie damals ihren Dienst erwiesen und erheblich zu dem Erfolg der Versiegelung beigetragen, hatte der damalige König sie verraten und vertrieben. In meinem Klan wird berichtet, dass die königliche Prophetin jener Zeit in verschiedene Zukünfte blicken konnte. In einigen Zukünften schienen die Shiekah und die Titanen zu einer Gefahr zu werden, weshalb sie den König zu dieser Entscheidung beriet. Auf der Suche nach einer neuen Heimat spaltete es schließlich unsereins. Es gab jene, die hofften, die Gunst des Königshauses wiederzuerlangen. Und es gab jene, die Hyrule den Rücken kehrten. Für diese Einstellung wurde Jagd auf uns gemacht, sodass der Zorn in den Herzen meiner Ahnen wuchs."
So oder so ähnlich hatte Raisa diese Geschichte sicherlich schon einmal gehört. Der wenige Unterricht, der ihr im Waisenhaus zuteilwurde, hatte jedoch nie ein Wort über die königliche Prophetin verloren. Dass die Königsfamilien Hyrules sich auf diese verließen, war jedoch keine Überraschung. In dieser Zeit; vor einigen Jahrhunderten während der letzten Verheerung... Und offensichtlich vor zehntausend Jahren, zur Zeit der Erschaffung der Titanen und Wächter, begleiteten Propheten und Weissager die Geschehnisse.
„Jedenfalls, einige Zeit vor der letzten Verheerung – wann genau geht dich einen feuchten Kehricht an – wurde ich zum Anführer des Klans bestimmt. Während wir verborgen durch die Welt streiften, noch immer auf der Suche nach einer neuen Heimat, fiel mir im fernen Ausland etwas in die Hände. Es waren uralte Schriften, die vielleicht sogar noch älter als die zehntausend Jahre alte Legende selbst waren. Sie beherbergten magische Geheimnisse, noch dunkler als die Schattenmagie der Shiekah. Darüber hinaus war in ihnen ein Gedankengut niedergeschrieben, das die Wiederkehr der Verheerung guthieß", erklärte Koga und klang dabei zunehmend bereuend – Raisa konnte ihrem guten hylianischen Gehör selbst nicht trauen. „Und getrieben von Zorn und Hass haben du und deine Leute euch nach diesem Gedankengut gerichtet. Ihr habt die Magie genutzt, von der ihr erfahren habt, was wohl auch erklärt, warum du immer noch am Leben bist", schlussfolgerte Raisa, während sie mit ihren Fingern ein wenig auf ihrem Oberarm tippte, „wann kommen wir zu dem Punkt, an dem ihr euch die Finger verbrannt habt?", fügte sie schließlich noch hinzu.
Koga gab ein genervtes Zischen von sich. „Ich erzähle hier eine Geschichte und dich interessiert nur der Punkt, an welchem wir wohl unsere Strafe erhalten haben. Was für ein kaltblütiges Weib du doch bist." Raisa quittierte diese Aussage mit einem Augenrollen. Jeder trug sein Päckchen Leid mit sich herum, das war nichts Neues. Doch sie interessierte wirklich der Punkt, an welchem Koga für die Nutzung dieser fremden Magie Leid über die Verhältnismäßigkeit hinaus erfahren musste.
„Du erinnerst dich an die Dämonen unter unseren Wegen, kleiner Recke? Das war der Punkt, an dem ich sie heraufbeschworen habe. Nur war mir der Name dieses Kultes einfach zu lang. Yisu Gilta rollt doch wirklich nicht gut von der Zunge, oder?", er erwartete eine Antwort von Raisa, doch diese schwieg eisern, weshalb er fortfuhr: „Yisu Gilta sind die Dämonen, kleiner Recke. Sie bestehen immer noch, haben nie damit aufgehört. Nachdem du und deine Reckenfreunde gestorben seid, haben sie sich die Yiga als neues Ziel gesetzt und uns beinahe vollständig ausgelöscht. Wir, die wenigen Überlebenden, sind seither auf der Flucht."
Das erklärte den Vorfall der Yiga; das Karma, das sie heimgesucht hatte. Doch Koga, dessen Launen entschieden, wie viel oder wenig er von etwas erzählte, hatte in Raisas Augen noch einen wichtigen Punkt vergessen. „Ich sehe noch immer nicht meine Berührungspunkte mit diesem Kult." Ihre Frage wurde zunächst mit Schweigen beantwortet. Koga, der wieder kippelte und knarzend mit dem Stuhl hin und her wippte, schien zu überlegen, ob er ihr dies gnädigerweise verriet oder nicht.
„Wie viele Attentate wurden auf dich und deine Freunde verübt, dessen Drahtzieher nie gefunden werden konnten?", fragte der Yiga sie schließlich. Raisa konnte nicht verhindern, dass ihr ihre Gesichtszüge ein wenig entglitten. Als würde ein lückenhaftes Puzzle vervollständigt werden, wurde diese Erkenntnis in ihrem Kopf verarbeitet. Und es bereitete ihr ein noch unangenehmeres Gefühl im Bauch, als so manch andere unerwartete Wendung in ihrem Leben.
Revali, der in Akkala von Verrätern angegriffen wurde.
Urbosa und sämtliche Personen, die beim Neujahrsfest beinahe einer Vergiftung erlagen.
Raisa, auf die Taiga – von Fremden erpresst – ein Attentat auszuüben versuchte.
„Ich sehe es deinem Gesicht an. Es gab Berührungspunkte – natürlich gab es die. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder etwas geschehen wird. Jetzt, wo ihr ins Leben zurückgekehrt seid. Nun, das ist nichts, womit ich mich befassen will. Dieser Kult hat meinen Klan genug gestraft, ich muss sehen, dass ich selbst irgendwie überlebe. Und meine Leute bestenfalls auch. Sie sind alles, was mir in dieser ins Chaos gestürzten Welt geblieben sind." Ächzend stand Koga von seinem Stuhl auf und streckte ausgiebig seine müden Knochen. Jetzt, wo er vor ihr stand, musste Raisa feststellen, wie unangenehm groß dieser Yiga war.
„Ich habe dir etwas sehr Nützliches verraten. Ich sollte dafür eigentlich eine Gegenleistung verlangen. Wie wäre es damit... Sollten deine Freunde und du es irgendwie schaffen, Yisu Gilta auszulöschen – und glaub mir, wenn ihr das nicht tut, werden sie euch das Lebenslicht auspusten – dann ermöglichst du uns, wieder in Hyrule zu leben." Auf seine Forderung hin konnte Raisa nur verächtlich schnauben. „Aber natürlich! Wer hätte denn nicht gerne Assassinen zum Nachbarn! Abgesehen davon habt ihr auch das ein oder andere Mal versucht uns zu töten! Ganz zu schweigen, dass ich darüber keine Entscheidungsbefugnis habe...", zählte sie ohne zu zögern die Gegenargumente auf.
„Wenn jemand das Recht besitzt, darüber zu entscheiden, dann gerade du", erwiderte Koga. Da war es schon wieder! Das überlegene Wissen, dass er besaß... Was sollte das nur bedeuten? „Gut, dann verlange ich, dass du Prinzessin Zelda zumindest darauf ansprichst", lenkte er schließlich ein. Ehe sie etwas erwidern konnte, tauchten mithilfe der Schattenmagie in dem gesamten Saal Yiga auf. Ähnlich wie Koga waren sie allesamt ein wenig unauffälliger gekleidet, wobei ihre Masken dies wieder hinfällig machten.
„Meister Koga, wir müssen gehen. Wir sind bereits zu lange an diesem Ort", sprach einer der Yiga, der noch größer als Koga selbst war. „Ah, Supah! Wurde auch Zeit, ich habe mir hier den Mund fusselig gesprochen", erwiderte der Anführer. Das unangenehme Gefühl der Hylianerin, dass sie aufgrund des Umstandes empfand, zwischen derart vielen Attentätern zu stehen, war wie verflogen. Stattdessen kam Ärger in ihr auf... Ja, Koga hatte sich den Mund fusselig gesprochen, doch sicherlich nicht, weil sie ihm darum gebeten hatte.
„Ah, eine Sache wäre da noch", meinte der Anführer der Yiga, während er ihr bereits den Rücken zugewandt hatte. Wie zuvor hob er seinen Zeigefinger zur Betonung. „Wähle deine Freunde mit bedacht. Man kann niemanden in den Kopf sehen, auch Reckenfähigkeiten ermöglichen das nicht." Was für ein Rat, als wüsste sie das nicht schon längst...
„Wir Yiga kleideten uns einst in Rot, weil wir Hyrules Geschichte in der Farbe des Blutes neu schreiben wollten. Es ist eine gefährliche Farbe, von der du dich fernhalten solltest. Vergiss das nicht." Und mit diesen Worten formten die abtrünnigen Shiekah Fingerzeichen, mit denen sie sich von Ort und Stelle teleportieren konnten.
Raisa blickte noch lange Zeit auf den Fleck, an welchen Koga gestanden hatte. Seine letzten Worte hatten sicherlich einen Sinn, den sie noch nicht begreifen konnte. Oder aber er war wirklich ein wenig wahnsinnig. Unabhängig davon musste sie eine bittere Erkenntnis nach diesem Gespräch feststellen. Selbst wenn sie ihr Dasein als Recke aufgeben würde, gab es einen unbekannten Feind, der sie trotzdem bis an das Ende der Welt verfolgen würde. Das war etwas, worüber sie alle in Kenntnis setzten musste.
Da fiel ihr ein... Sie sollte sich nach Revali umsehen. Vielleicht auch nach all den anderen Personen, die beim Auftauchen der Yiga in diesem Gasthaus waren und unfreiwillig in die Sache hineingezogen wurden. Raisa lenkte ihre Schritte wieder zur Treppe und stieg diese hinauf. Das Öffnen der Tür zum Obergeschoss schien die Magie zu brechen, denn sämtliche Türen zu den verschiedenen Zimmern wurden geöffnet und die verschiedensten Personen traten irritiert heraus. Angefangen bei dem Personal, bis hin zu den Gästen. Aufgrund seiner Größe konnte Raisa auch Revali unter den vielen Leuten ausmachen. So drängelte sie sich zu ihm durch und zog ihn gleich wieder in das Zimmer, ehe sie die Tür schloss und versperrte. „Raisa, was...?", fragte der Orni noch immer verwirrt
„Du standst unter ein bisschen Yiga-Magie. Wie war es denn so? Gut geschlafen?", fragte sie und beobachtete fast schon amüsiert, wie er ihre Worte verarbeitete und immer ungläubiger dreinsah. „Yiga?! Sie sind hier?!", fragte er rasch und wollte nach seinem Bogen greifen, doch Raisa hinderte ihn daran. „Sie waren hier, ja. Setz dich und sperr die Lauscher auf, ich habe dir einiges zu erzählen." Sie nahm auf einem in dem Zimmer stehenden Sessel Platz und überschlug die Beine, während sich Revali ihr gegenüber auf das Bett setzte und seine Flügel skeptisch verschränkte.
Dann begann Raisa zu erzählen. Alles, was sich Momente zuvor unten in dem Saal zugetragen hatte.
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Until the last heartbeat
RomanceJahrhunderte vergingen, seit die Recken im Kampf gegen die Verheerung fielen. In diesen Jahrhunderten herrschte nichts als Frieden, was den einstigen Kampf immer mehr in Vergessenheit geraten ließ. Bis zu dem Tag, an dem eine Weissagung die erneute...