Kapitel 10

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, betete ich, dass alles nur ein Traum war, doch die verpassten Anrufe und Nachrichten auf meinem Handy sprachen andere Bände. Ich löschte alle Nachrichten ungelesen und schmiss mein Handy auf mein Bett. Plötzlich klopfte es an meiner Zimmertür. Maja streckte ihren Kopf herein. „Hey.“ Sie sah mich mitleidig an. Sofort stiegen mir wieder die Tränen in die Augen. Maja kam rein und nahm mich in den Arm. „Nicht weinen, Maddie.“ Wir setzten uns auf mein Bett und ich weinte in ihrem Arm weiter. „Warum immer ich?“ Maja streichelte beruhigend meinen Kopf. „Es tut mir so leid, Maddie.“ Ich riss mich zusammen und strich mir die Tränen von meinem Gesicht. „War es das, was du mir sagen wolltest?“ Sie nickte. „Wie bist du denn so plötzlich darauf gekommen?“ Maja seufzte. „Sophia wollte doch Filme mit dir gucken, und weil du nicht da warst, musste ich mit ihr gucken. Und da sie ein riesen Fan von Florian ist, waren alle DVDs mit ihm. Und da fiel es mir wieder ein. Er spielt ja auch bei Doctors Diary mit, daher kannte ich ihn.“ Ich seufzte und mir kamen schon wieder die Tränen. „Ich hab mich richtig in ihn verliebt Maja, so richtig! So war ich noch nie verliebt gewesen. Es war ganz anders mit ihm, als mit den Typen, die ich vorher hatte. Und da dachte ich schon, das wäre die große Liebe. Aber mit Florian war alles schöner, intensiver. Und jetzt das! Ich hab wirklich gedacht, er empfindet auch was für mich, dabei hat er die ganze Zeit nur mit mir gespielt!“ Ich schluchzte laut auf. „Ach Maddie. Ich glaube das alles nicht.“ Ich sah sie an. „Was glaubst du nicht?“ Sie seufzte. „Ich glaube nicht, dass er nur mit dir gespielt hat. Also erst habe ich das ja auch gedacht, aber jetzt… ach keine Ahnung, ich weiß auch nicht, was ich im Moment von ihm halten soll. Er war heute Morgen hier.“ Ich sah sie geschockt an. „Was?! Er war hier?!“ Sie nickte. „Er wollte zu dir, aber ich hab gesagt, du schläfst noch und es wäre sowieso besser, wenn er dich erstmal nicht sieht. Er sah total traurig aus, am Boden zerstört. Er hat gesagt, ich solle dir sagen, dass er das alles nicht wollte.“ „Ach Maja, was hat das alles zu bedeuten?“ „Ich weiß es nicht Maddie, aber du solltest mit ihm reden.“ Ich schüttelte energisch mit dem Kopf. „Auf keinen Fall!“ Maja seufzte. „Ich muss los, bis nachher Maddie.“ „Bis nachher!“ Und damit ließ Maja mich wieder alleine. Und ich schnappte mir meinen Laptop und googelte den Namen Florian David Fitz. Oh Gott, er war ja wirklich ziemlich berühmt. Ich versuchte, ein bisschen mehr über sein Privatleben rauszufinden, aber darüber war erstaunlich wenig bekannt. Eigentlich gar nichts. Schade eigentlich… Doch im nächsten Moment klappte ich den Laptop wütend zu. Ich wollte nicht mehr an ihn denken! Reiß dich zusammen, Maddie! Ich seufzte und legte mich wieder auf mein Bett. Was sollte ich denn jetzt machen? Ich fühlte mich so gedemütigt. Ich war voll auf ihn reingefallen. Aber warum kannte ich ihn denn nicht, wenn er so berühmt war? Ich war so ein Blondchen. Es klopfte wieder an der Tür, doch diesmal war es Sarah, die ihren Kopf zur Tür hereinsteckte. „Hey. Darf ich reinkommen?“ Ich nickte, Ablenkung konnte schließlich nie schaden. Sophia setzte sich zu mir aufs Bett und sah mich an. „Ich kann’s gar nicht glauben, dass du dich mit Florian David Fitz getroffen hast.“ Ich stöhnte auf und ließ mich zurück in mein Kissen fallen. Sophia legte sich neben mich. „Entschuldigung, ich bin total doof. Und ich habe mich gestern auch total doof verhalten, ein Florian David Fitz steht in meiner Wohnung und ich starre ihn nur an. Was er jetzt wohl von mir denkt?“ Ich musste einfach lachen. Ich lag hier in meinem Bett zu weinen, weil er mich angelogen hatte, und sie kann an nichts anderes denken, als dass er überhaupt bei uns war, und was er jetzt von mir denkt. Bei jeder anderen wäre ich wahrscheinlich beleidigt gewesen, bei Sophia aber fand ich es nicht schlimm, ich wusste ja, dass sie das nicht böse meinte. Sophia drehte ihr Gesicht zu mir, sodass wir uns anguckten. „Was willst du jetzt machen?“ Ich zuckte traurig mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, Sophia. Ich weiß es nicht.“ „Ach man, Maddie! Sehe das doch nicht so ernst, er hat dich doch gar nicht direkt angelogen, oder hat er gesagt, er ist von Beruf Maurer und total unbekannt?“ „Nein, hat er nicht, aber er hat es mir eben auch nicht gesagt, und das ist ja jetzt nicht mal eben so eine Kleinigkeit! Wahrscheinlich hat er sich noch über mich lustig gemacht, dass ich ihn nicht kannte.“ Sophia starrte an die Decke. „Ich glaube das nicht, Maddie.“ Ich versuchte zu lachen, was mir allerdings misslang. „Sophia, du bist ein Fan von ihm, es ist klar, dass du sowas nicht von ihm denkst. Aber ist leider so.“ „Ich weiß, dass ich ein beklopptes Fangirl bin, aber das hätte ich auch gesagt, wenn ich ihn nicht gekannt hätte. Wie er dich angeguckt hat gestern Abend. Total verzweifelt. Das war nicht gespielt, Maddie. Und heute Morgen war er auch da, Maja hat ihm gesagt, dass du noch schläfst, und dass es wahrscheinlich keine so gute Idee wäre, wenn er jetzt zu dir kommen würde. Er hat vorsichtig genickt und sah total traurig aus, ich konnte das fast nicht mit ansehen. Er sah aus, als ob er Boden zerstört war.“ „Ach Sophia, er war doch nur da damit er sichergehen kann, dass ich mit unserer kleinen Geschichte nicht an die Presse gehe, oder vielleicht hatte er auch einfach nur ein schlechtes Gewissen, was weiß ich.“ „Maddie, der Mann sah nicht so aus, als ob er nur ein schlechtes Gewissen hat! Es hat ihn wirklich mitgenommen! Und wie er gestern erst geguckt hat! Als er mich gesehen hat, wie ich ihn angegafft habe, hat er total panisch und verzweifelt geguckt!“ „Ja, weil sein kleines Spiel dann aufgeflogen ist.“ Sophia seufzt. „Du musst es selber wissen, Maddie. Aber gib ihm wenigstens die Chance, mit dir zu reden. Und rate ich dir als deine beste Freundin und nicht als der Fan von einem Schauspieler und gleichzeitig dem Mann den du liebst.“ „Ach Sophia hör auf das zu sagen!“ „Wieso? Du liebst ihn doch! Das kannst du mir nicht erzählen. Und er hat auch Gefühle für dich, das hat jeder Blinder mit einem Krückstock gesehen!“ Ich seufzte und starrte wieder an die Decke. Wir lagen noch kurz so da, beide an die Decke starrend, doch dann rappelte Sophia sich auf. „Ich muss los, wenn du brauchst, dann ruf mich an, okay?“ Ich nickte. Sophia umarmte mich noch einmal und ging dann aus meinem Zimmer. Und ich war wieder allein.

Die nächsten Tage verbrachte ich wie in Trance. Ich stand morgens auf, frühstückte, ging in mein Zimmer, starrte an die Decke, ging zwischendurch nochmal was essen, ging wieder in mein Zimmer, starrte weiter an die Decke, aß zu Abend und ging schlafen. Maja und Sophia betrachteten mich immer skeptisch, doch ich ignorierte sie. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf gar nichts. Die beiden fragten mich ein paar Mal, ob ich mit ihnen in die Disco wollte, doch ich bloggte jedes Mal ab. Was sollte ich denn auch da? Es hatte doch eh keinen Sinn. Ich würde höchstens mein Make-Up verschwenden. In den Tagen, wo ich alleine in meinem Zimmer hockte, fing ich auf einmal wieder an, meine Eltern zu vermissen. Ich hätte mich so gerne bei meiner Mutter ausgeheult. Ich weiß, ich bin schon 25, aber nur, weil man erwachsen ist und mittlerweile sein eigenes Leben führt, darf man sich nicht mehr bei den Eltern ausheulen, wie man es fast 20 Jahre lang getan hat? Meine Mutter war immer wie eine beste Freundin für mich gewesen, sie hatte mir als ich noch ein Kind war immer meine Haare geflochten und ist immer mit mir shoppen gegangen. Alle anderen Mädchen aus meiner Klasse hatten sich immer über ihre Mütter beschwert, dass die keinen Geschmack hätten, doch meine Mutter hatte denselben Geschmack wie ich, sie hat mich auch immer beraten. Sie war immer mein größtes Vorbild gewesen. Eine glückliche Ehe, zwei Kinder, ein schönes Haus und obendrein noch erfolgreich und hübsch.  Und dann wurde sie plötzlich aus dem Leben gerissen, das Leben, was sie führte existierte plötzlich nicht mehr. Zu meinem Vater hatte ich auch ein sehr enges Verhältnis. Er war immer ein bisschen wie mein großer Bruder. Er hat mit mir, als ich klein war, immer draußen Fußball gespielt, weil er der Meinung war, auch Mädchen sollten Fußball spielen können. Er hat mir später bei meinen Hausaufgaben geholfen und mit mir für Arbeiten gelernt, und als ich in der Grundschule mal von einer Jungenclique, die zwei Jahre älter waren, geärgert wurde, hat mein Vater sich die Jungs vorgenommen und ein ernstes Wörtchen mit ihnen geredet. Und als mein Bruder Bennet geboren war, und Mama sich um ihn kümmern musste, hatte mein Vater mich trotzdem nie vernachlässigt. Meine Eltern waren alles für mich gewesen. Und das einzige, was von ihnen noch blieb, war die Erinnerung. Eine Zeit lang hatte ich alles, was man um im Leben glücklich zu sein brauchte, eine Familie, die mich liebte und die ich liebte, die besten Freundinnen auf der Welt, eine Beziehung und einen Arbeitsplatz, den ich liebte. Geblieben waren nur die Freundinnen und der Arbeitsplatz. Und natürlich mein Bruder. Aber Bennet ist anders, seitdem unsere Eltern verstorben waren. Ich hatte manchmal das Gefühl, als wollte er den Kontakt zu mir abbrechen, vielleicht weil ich ihn zu doll an unsere Zeit früher erinnerte, in der noch alles gut war. Wer weiß. Ich auf jeden Fall wusste, dass ich Bennet auf gar keinen Fall auch noch verlieren wollte. Ich hatte mir als Kind oft vorgestellt, wie es wäre, wenn Mama oder Papa später einmal sterben würden. Aber ich hatte mich selber immer schon im fortgeschrittenen Alter gesehen, wenn sie einmal sterben würden, und nicht wenn ich Anfang 20 bin. Ich hatte früher ja schon geweint, wenn Mama und Papa sich mal gestritten hatten, weil ich immer Angst hatte, dass sie sich trennen würden. Ich hab mir auch vorgestellt, wie das wäre. Wenn einer von beiden nicht mehr zu Hause wohnen würde. Die Vorstellung fand ich total schrecklich. Und jetzt würde ich beide nie wieder sehen. Nie wieder. Ich würde meine Mutter nie wieder in den Arm schließen können und mit meinem Vater rumalbern können. Ich fragte mich oft, ob ich mein Leben anders gelebt hätte, wenn ich wüsste, dass meine Eltern schon so früh sterben würden. Ob ich dann mehr Zeit zu Hause verbracht hätte, oder mir immer auf die Zunge gebissen hätte, wenn wir uns gestritten hatten. Aber letztendlich war es schon gut, wie ich gelebt hatte. Sie wären ja doch gestorben. Aber die Vorstellung, dass ich jetzt durch mein Leben alleine gehen muss, tat einfach nur weh. Mein Vater hatte mir schon mit 14 das Versprechen abnehmen müssen, dass er mich zum Traualtar führen darf, wenn ich mal heiratete. Und wenn ich jetzt wirklich irgendwann einmal heiraten würde, wär mein Vater nicht dabei. Bei allen wichtigen Ereignissen, die in meinem Leben noch kommen, würden meine Eltern nicht dabei sein. Obwohl ich sie so sehr brauchte. Meine Mutter hätte bestimmt nicht zugelassen, dass ich mich hier so hängen ließ. Aber sie war ja nun einmal nicht mehr da. Wie mir in diese Tagen mal wieder schmerzlich bewusst wurde.

Im Leben von Florian David FitzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt