Derweil in der Alptraumdimension Teil II

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Tads Sicht

"Tad! Tad! Das musst du dir ansehen! Die Kinder haben tatsächlich eine Möglichkeit gefunden wie sie mich töten könnten!"

"Was?" Ich sah von meiner Zeitung auf und flog zu Charles, der schon wieder durch seine Glaskugel spionierte. Im Wiederspruch zu dem was er sagte klang er ausgesprochen fröhlich.

"Ja, nicht zu glauben was? Ihre Lösung ist die Fusion! Wie sie darauf wohl gestoßen sind?"

"Wenn du es herausgefunden hast wird jemand wie Bill, der ja nicht umsonst als allwissend gilt, mit Sicherheit auch davon gehört haben. Und warum musste ich jetzt herkommen? Das hättest du mir auch so sagen können."

"Ach ja, weil du dir das hier ansehen solltest. Stanford hat wirklich das gemacht was ich vorhergesagt habe und versucht jetzt Kill zu fangen."

Ich warf einen Blick in die Kugel und sah wie Kill und Stanford miteinander kämpften. Dann kam Will an den Rand der Bildfläche und sah kurz zu, Bill mischte inzwischen auch mit, dann sprang auch er dazu. Kurze Zeit später starb Stanford durch die Hand von Will.

"Wow, das hätte ich ihm ja gar nicht zugetraut. Hihi, vielleicht ist der kleine Willy ja doch zu etwas nutze."

Ich blieb still und beobachtete weiter. Kill kämpfte immernoch mit dem Jungen, Tyrone nannte er sich inzwischen. Dann passierte etwas noch viel unerwarteteres. Tyrone riss Kill das Herz raus und ließ es kurze Zeit später zerplatzen. Kill viel daraufhin zu Boden.

"Ist er, tot?", fragte ich leise. Mehr oder weniger zu mir selbst.

"Ich werde diesen Menschen vernichten."

Erschrocken über die Kälte in seiner Stimme sah ich zu Charles. Normalerweise beschränkte sich sein Gesichtsausdruck auf drei Varianten. Nr. 1: gelangweilte Gleichkültigkeit, Nr. 2: sadistisches Interesse mit einer Prise Belustigung und Nr. 3: schadenfrohe Überlegenheit, letzteres vor allem in der Nähe seiner Söhne. Bis vor ein paar Sekunden war Nr. 2 vertreten gewesen. Dies war jetzt für einen Ausdruck gewichen, den ich seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen hatte. Seine Ausdruck waren kalt, sein Mund war nur noch ein schmaler Strich und in seinen Augen loderte grün der Zorn.

"Weil er Kill getötet hat? Was du, nebenbeibemerkt, sowieso tun wolltest?"

Charles Gesichtszüge entspannten sich. Irritiert runzelte er die Stirn und öffnete leicht den Mund. Trotzdem antwortete er nicht und ich ließ es auch nicht dazu kommen.

Es gab Tage an denen war Charles so emotional wie ein Stein. Es gab aber auch Tage an denen man zumindest versuchen konnte mit ihm zu reden, vielleicht hörte er einem dann sogar zu. Denn, auch wenn er es nicht glaubte, er hatte immernoch ein Herz. Es war klein, unglaublich leise und extrem ramponiert, aber es schlug noch. Zumindest an besagten Tagen. Und heute hielt ich für einen jener Tage.

"Charles,", fing ich vorsichtig an, "ist dir nie in den Sinn gekommen, dass du deine Söhne gar nicht tot, sondern viel eher bei dir haben willst?"

Seine Irritation stieg und vermsichte sich mit einem leichten Anflug von Ärger.

"Was redest du da für einen Unsinn Tad? Natürlich will ich sie tot haben. Sie sind eine Bedrohung für mich.", das sagte er als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt und als wäre ich dämlich. Dabei weiß er ganz genau das letzteres definitiv nicht zutrifft. Ich bohrte weiter.

"Wie erklärst du dir dann, dass dir die Tränen kamen als du eine glückliche Version deiner Familie gesehen hast? Mehr noch, die Todsünde der Habgier hat sich aktiviert. Merkst du nicht, dass es das ist was du wirklich willst? Begreifst du nicht, dass du dir nur selbst schadest, dass du dich am Ende nur selbst hassen wirst, wenn du so weiter machst?"

Charles schüttelte den Kopf.

"Das ist lächerlich! Zu solchen Gefühlen bin ich gar nicht fähig."

"So wie damals, als du zu Abigals Tod nicht zu solchen Gefühlen fähig warst?"

Damit hatte ich einen Nerv getroffen, nein ich hatte einen Nerv zum explodieren gebracht. Wenn Charles einen Wunden Punkt hatte, dann war es seine verstorbene Frau Abigal, die Mutter der Drillinge. Eigentlich mied ich das Thema ja, wie er es tat, aber wie heisst es so schön? Drastische Situationen erfordern drastische Maßnahmen.

"Abigal hat sich SELBST entschieden zu sterben! Schließlich hat sie sich SELBST umgebracht! Ich hatte damit REIN GAR NICHTS zu tun!"

Das stimmt nicht Charles. Und das weisst du auch. Auch wenn du nicht verstehst warum, du weisst das es deine Schuld war. Auch dir ist klar das Menschen sich nicht einfach aus heiterem Himmel umbringen. Du kennst den Grund. Es ist derselbe Grund warum deine Eltern dich töten wollten, warum Bill dich umgebracht hat und es ist der Grund warum du letztendlich sterben wirst.

"Manchmal passiert das eben einfach. Da legt sich dann ein Schalter um und die Menschen wollen ihr leben beenden. Menschen haben eben einfach keinen Selbsterhaltungstrieb. Ein weiterer Grund warum es so viel besser ist ein Dämon zu sein. Dämonen denken nur ans überleben. Dämonen sind unsterblich. Bei Dämonen passiert so etwas wie ein Selbstmord nicht!"

Sekunde Mal. Bei Dämonen passiert sowas wie ein Selbstmord nicht? Charles hatte schon seit Jahren Ideen wie man Menschen in Dämonen verwandeln kann. Er hat schließlich mit 20 angefangen sich mit dem Thema zu beschäftigen und war 37 als er angefangen hat sie in die Tat umzusetzen. Hergott alles was er gebrtaucht hat war jemand um sich zu überzeugen das seine Ideen funktionen (was sie auch fast tadellos getan hatten). Das einzige was ihn so lange davon abgehalten hat war Abigal, die ihm mit Ethik und allem in den Ohren lag. Die beiden haben stundenlang deswegen disskutiert und sich auch häufiger gestritten, über Jahre hinweg war das, der einzige Streitpunkt der beiden. Charles war eigentlich ein ziemlich guter Ehemann, er hat stets versucht, dass es seiner Frau an nichts fehlt. Dann kam auch noch die Sache mit Bill und Will dazu. Charles solle doch auch mal mit ihnen sprechen, er kenne sie ja gar nicht und so weiter. Abigal hat ihn genervt. Sie hat ihm Vorschriften gemacht und sich aus dem Fenster gelehnt. Irgendwann ist sie zu weit gegangen. Auch wenn ich immernoch der Meinung bin das Charles sie, natürlich absolut unbewusst, geliebt hat, hat er angefangen ihr das Leben zur Hölle zu machen. Ohne es selbst wirklich mitzubekommen. Irgendwann war es ihr dann zu viel. Verständlich, Charles hat absolut keinen Filter und auch keinerlei soziale, ethische und zwischenmenschliche Hemmungen, das war schon immer so, und Abigal hat das mit voller Wucht zu spüren bekommen.
Ihr Tod war ein absoluter Schock für ihn. Seine Menschenkenntnis und seine sozialen Fähigkeiten waren aufgrund seines starken Autismus schon immer mies. Er hat ihren Tod also beim besten Willen nicht kommen sehen. Und das erste was er danach gemacht hat war seine Söhne, einer nach dem anderen unsterblich zu machen.
Gleichzeitig hat er damit auch dafür gesorgt dass keiner von ihnen je in der Lage sein wird es Abigal nachzumachen. War das eine Schutzreaktion? Und wenn ja, wen hatte er damit schützen wollen?

Charles redete immernoch auf mich, oder vielleicht eher auf sich selbst, ein.

"Dämonen haben einen sehr starken Selbsterhaltungstrieb. Sie vernichten alles was ihnen gefährlich werden kann. Und die Jungs sind mir gefährlich. Sehr sogar. Deswegen muss ich sie töten. Verstehst du? Ich muss es tun. So wie ich meine Eltern töten musste. Denn ich muss überleben. Verstehst du, Tad?"

Ich nickte. Charles wirkte jetzt erleichtert.

"Gut." Damit wandte er sich wieder seiner Kugel zu.

Ja ich habe verstanden. Du bist nicht mehr zu retten. Aber keine Sorge Sapling. Ich werde das beschützen was noch von dir übrig ist. Um jeden Preis.

"Hey, Kill lebt ja wieder! Sieht aus als wäre er auch nicht so einfach zu töten. Ich denke es wird an der Zeit für Plan B."

Ich nickte.

"Ich kümmere mich drum."
Dann ging ich, erleichtert einen Grund zu haben.

Future Falls hoch 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt