5. Kapitel

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Schemenhafte Umrisse tanzten vor meinen Augen umher, als ich sie blinzelnd aufschlug.
Die heißen grellen Flammen erleuchteten alles um mich herum, blendeten mich.
Menschen schrien voller Schmerz oder Angst. Verzweiflung.
Ich versuchte mich aufzurichten, doch mein Körper sträubte sich dagegen.
Mein Schädel dröhnte und meine Muskeln verkrampften sich.
Liegend betrachtete ich das Dorf – oder eher das was davon übrig war.
Die Häuser brannten lichterloh, überall liefen Menschen herum, manche von ihnen trugen Eimer, aus denen Wasser schwappte und versuchten diese über die Flammen zu schütten.
Andere halfen den Verletzten die keuchend auf dem trockenen Boden lagen.
Feinde waren keine mehr zu sehen.
Wie als hätten sie nun ihre Aufgabe hier erfüllt. Vielleicht hatten sie das auch. Vielleicht wollten sie einfach nur unser Dorf zerstören. Aber wozu?
Ich hatte noch nie von anderen Menschen auf diesem Planeten gehört.
Unsere Vorfahren waren die einzigen Überlebenden gewesen, die es von der Erde hierher geschafft hatten.
So hatte man es uns zumindest erzählt.
Schwankend kam ich auf die Füße und entdeckte den Jungen mit den schwarzen Haaren, der gerade neben einem der Verletzten hockte.
Ich stolperte zu ihm herüber, ohne zu wissen was ich sonst tun könnte.
Erst als ich nur noch wenige Meter entfernt war, erkannte ich das der Verletzte der blonde Mann war.
Über seinen Unterschenkel zog sich ein tiefer Schnitt, aus dem zunehmend Blut quoll.
»Frank!«, rief der hochgewachsene junge gerade durch den Lärm hindurch.
So hieß der blonde Mann also. Frank.
»Du schaffst das! Komm jetzt!« Der schwarzhaarige Junge sah sich um, sein Blick stockte bei mir.
»Evelyn.« Ich zuckte zusammen als ich meinen Namen hörte.
Eine Sekunde lang fragte ich mich, woher dieser Junge meinen Namen kannte, doch diese Frage konnte ich mir Augenblicke später auch selbst beantworten.
Ich war eine berüchtigte Mörderin. Arthur hatte meinen Namen bei der Abstimmung allzu oft ausgesprochen.
Ich war nicht mehr unbekannt, nicht mehr das Mädchen das in der letzten Reihe im Unterricht saß und von niemandem beachtet wurde.
Sie kannten mich jetzt alle. Und sie würden mich auch nicht wieder vergessen.
Sie würden mich nach alledem immer noch beschuldigen. Vielleicht.
Ich hätte abhauen müssen.
»Evelyn?«, wiederholte der hochgewachsene Junge.
»Hilfst du mir, ihn vom Platz zu bringen?«
Ich nickte, trat zu Frank und hievte ihn gemeinsam mit dem Jungen hoch.
Wir stützen ihn bis zum Waldrand und ich merkte wie meine Beine unter mir nachgeben wollten.
Endlich ließ Frank uns los und sank erschöpft an einen der breiten Baumstämme.
Es hatten sich schon ein paar Leute hier versammelt. Viele verletzte, aber auch Kinder.
In all ihren Gesichtern spiegelte sich mein eigenes Entsetzen wieder.
Der schwarzhaarige Junge räusperte sich und stellte sich vor die Versammelten Leute.
»Alle Erwachsene die noch laufen können und alle Kinder die älter als zwölf sind, kommen mit. Wir müssen die Verletzten von dem Dorfplatz holen.
Versucht nicht, die Flammen mit Wasser zu löschen, es bringt nichts.« Er hielt kurz inne und schüttelte dann wie zur Bekräftigung seiner Worte den Kopf.
»Unser Dorf ist verloren, das einzige was wir noch retten können, sind die Bewohner.«
Es versetzte mir einen stich ins Herz, doch es schmerzte weniger als erwartet.
Lag es daran, dass alle hier glaubten ich hätte etwas getan, das ich niemals hätte tun können? Lag es daran das alle Menschen die ich je geliebt hatte fort waren?
Das dieses Dorf ohne diese Menschen nicht mehr mein Zuhause war?
War es mir deshalb nicht mehr wichtig?
Ich sah zu, wie sich Erwachsene und Leute in meinem alter aus der Menge erhoben.
Der hochgewachsene Junge wandte sich um und rannte nun wieder in Richtung Dorf, gefolgt von einer Truppe Menschen, die darauf aus waren, alles zu retten, was es noch zu retten gab.
Ich war eine von ihnen.

Meine Hände hielten die eiskalten Handgelenke fest umschlungen, verhinderten somit, dass der leblose Körper nicht über den Boden schleifte.
Ein Mann mittleren alters hatte die Beine der toten Frau gepackt und trug sie  gemeinsam mit mir aus den Flammen, die sich die Hauswände empor fraßen.
Meine Hände schmerzten wegen der Last, doch ich ließ nicht los.
Die Verletzten waren alle schon beim Waldrand und wurden von den Heilern aus unserem Dorf versorgt.
Jetzt ging es nur noch darum die Toten aus dem Feuer zu holen.
Sie hatten etwas besseres verdient, als in den Flammen zu verbrennen.
Wir wollten nicht auf der Asche der toten stehen, wenn das Feuer vorbei war.
Sie würden auf dem Friedhof neben dem See begraben werden.
Dort würden sie ruhen, so wie Alan. So wie meine Mutter.
Das war ein Brauch, dem unser Dorf jetzt schon seit vielen Jahren folgte.
Mein Blick wanderte umher und ich bemerkte, dass alle Bewohner es schon aufgegeben hatten, das Feuer zu löschen.
Sie glaubten nicht mehr an die Rettung unseres Dorfes. Unseres Zuhauses.
Der dünne Körper fiel auf den Boden neben die anderen Leichen.
Die Grabsteine ragten dunkel hinter den Leichen auf, doch ich wagte es nicht, mich ihnen zu nähern.
Einer der Grabsteine war der von Alan und noch würde ich es nicht ertragen diesen zu sehen.
Schnell wandte ich mich um und rannte wieder in Richtung Dorf.
Auf halben Weg kam mir der dunkelhaarige Junge entgegen.
Die Leiche hatte er sich über die Schulter gehievt, wie als würde er einen Sack Kartoffeln tragen.
Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, als ich ihn so sah.
Der dunkelhaarige sah mich mit ausdrucksloser Miene an, dann schweifte sein Blick über die Häuser hinter ihm.
»Es gibt keine Leichen mehr. Wir sind hier fertig.«
Hier fertig. Das klang so endgültig.
Das war es ja auch.
Das Dorf brannte nieder, daran konnte niemand mehr etwas ändern.
Bald würde es hier nur noch eine von Asche bedeckte Wiese geben, nichts das noch an das ursprüngliche Dorf erinnerte.
Das Dorf am See gab es nicht mehr.
Es war vorbei.



Ein neues Kapitel!
Wie fandet ihr es?
Es ist vielleicht etwas kurz, aber das mag ich persönlich irgendwie lieber! :D

Evelyns zuhause ist zerstört.
Wie wird sie damit zurecht kommen, und wird man sie immernoch als Mörderin verdächtigen?

Ich hoffe es hat euch gefallen und würde mich riesig freuen wenn ihr weiterlest! :D ❤️

Evelyn Rose - GefangenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt