22. Kapitel

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Wir betraten den steinigen Weg, der sich die Berge hinaufschlängelte.
Ich, Jason, Peter und Abygail waren nicht mehr an die Pferde gebunden.
Der Dunkelhaarige ritt voran, danach folgte unsere kleine Gruppe und hinter uns ritten die anderen zwei Fremden.
Es tat gut, nicht ständig hinter den Pferden hergezogen zu werden, doch meine Handgelenke schmerzen immernoch.
Sie brauchten keine Angst mehr zu haben, das wir flohen, denn auf der einen Seite des Weges erhob sich die Felswand steil in den Himmel und auf der anderen ging es Meter weit in den Abgrund hinab.

Ich hörte dem knirschen der kleinen Steine unter meinen Schuhsolen zu, betrachtete die Berge und den blauen Himmel.
Je höher wir hinauf kamen, desto weiter konnte ich blicken.
Da war die Wiese, dahinter der Wald.
Meilenweit Wald.
Mein eigenes Zuhause - den See konnte ich nicht sehen, was mir einen kleinen Stich versetzte.
Aber eigendlich war es auch gut, ich wollte den Ort nicht sehen, an dem so viel schreckliches passiert war.


Es ging immer weiter hinauf, die Sonne stand schon hoch am Himmel und meine Füße schmerzten.
"Bald sind wir da", sagte der Anführer der Fremden.
Er ließ sein Pferd halten, und sah in die Ferne, auf das Land das sich vor uns erstreckte.
Überall Wald - Tannen und Laubbäume.
An vereinzelten Stellen waren große Lichtungen oder Wiesen zu sehen, ab und zu auch Seen.

Plötzlich bemerkte ich das der Weg vor uns eine scharfe Kurve machte und hinter der Steilen Felswand verschwand.
Der schwarze Rappe vor uns setzte sich wieder in Bewegung, kurz darauf verschwand er hinter den Felsen.

Peter lief vor mir, und noch während er hinter der Biegung verschwand, hörte ich ihn nach Luft schnappen.
Ich beschleunigte meine Schritte um zu sehen was dort los war.
Und ich sah es.
Dort war ein Tal, welches von drei Seiten mit Berghängen gesäumt war.
Es lag nicht so tief wie die Wiese, aber viel tiefer als das kleine Felssims auf dem wir nun standen.

Auf der saftigen Wiese standen Holzhütten, so wie wir sie in unserem Dorf hatten.
Zwischen den Häusern erhoben sich vereinzelte Bäume, kleine Wege führten von einem Gebäude zum nächsten.
An einem der Berghängen rauschte ein kleiner Wasserfall hinab, stürzte in einen See.
Auf der einen Seite der Wiese gab es keine Berghängen die sie schützten.
Die Wiese führte weiter und dahinter begann der Wald.
Hatte Lilly nicht gesagt sie lebten in Höhlen?
Als lebten sie wie wir.
Doch hier sah es so aus als wären sie wie wir.

Ich schaute zu den anderen, die erstaunt in das Tal sahen.
Mein Blick fiel auf den Dunkelhaarigen Anführer.
Er sah hinab, über sein Gesicht breitete sich ein Lächeln aus.
Er wandte sich zu uns um, und als er meinen Blick bemerkte verdunkelt sich sein Gesicht.
Er gab einen kleinen ruck mit den Zügeln, lenkte das Pferd zu dem Weg der ins Tal hinab führte.

"Wir müssen weiter", sagte er knapp und ließ sein Pferd mit einem kurzen schnallen in Gang setzten.
Wir stolperten hinterher, den Weg hinab.
Ich konnte meinen Blick kaum von den Häusern abwenden.
Es sah so vertraut aus.
Viel zu vertraut.

Als meine Schuhe das Graß berührten atmete ich kurz aus.
Das klettern durch die Berge war ermüdend gewesen und endlich war es vorbei.
Zumindest fürs erste.
Ich sah mich um.
Dahinten war der Wasserfall mit dem kleinen See, weiter vorne begann das Dorf.
Ein paar Leute waren zwischen den Häusern, ihr Lachen wehte zu mir herüber.
Sie lachten.
Aus irgendeinem Grund kam es mir seltsam vor.
Ich hatte sie mir anders vorgestellt, gefährlich.

Wir liefen auf das Dorf zu, immer mehr Menschen versammelten sich am Dorfrand, starrten uns an.
Zwei Kinder spielten wenige Meter von uns entfernt im Graß, lachten und schienen uns kaum zu bemerken, bis eine Frau- warscheinlich ihre Mutter - zu ihnen lief, sie an den kleinen Händen nahm und zum Dorf führte.
Erst jetzt schienen die beiden uns zu bemerken.
Sie schauten verängstigt zu uns hinüber, versuchten sich hinter ihrer Mutter zu verstecken.
Sie hatten Angst vor uns.
Was hatten wir getan?

Im nächsten Moment fiel es mir auf.
Für sie waren wir die Fremden.
Sie hatten genau so eine Angst vor uns, wie wir vor ihnen.
Weil damals irgendetwas passiert war, was auch immer das sein möge.
Irgendetwas weswegen das passierte, was gerade passierte.

Der Dunkelhaarige Mann nickte den Dorfbewohnern zu, wendete sein Pferd und ritt auf die Felswände zu.
Erst jetzt erkannte ich, daß hinten, unter dem Weg auf dem wir gekommen waren, wirklich Höhlen im Felsen zu sehen waren.
Uns blieb nichts anderes übrig uns von dem kleinen Dorf abzuwenden und dem Reiter zu folgen.





Der Dunkelhaarige steuerte auf den größten der Höhleneingänge zu, sprang kurz davor vom Pferd und überreichte die Zügel einem der Fremden die uns begleitet hatten.

"Kommt", sagte er zu uns gewandt und trat in den Dunklen Gang.
Ich warf den anderen einen kurzen Blick zu, folgte dem Fremden dann.

Kurz darauf umgab mich tiefe Dunkelheit.
Ich hörte ein leises klacken vor mir, dann schimmerte aus dieser Richtung Licht.
Der Fremde hielt eine Laterne, in der eine entflammte Kerze stand, die mit ihrem wärmenden Licht die Dunkelheit durchleuchtete.

Der Fremde blickte sich kurz zu uns um und lief dann voraus.
Als ich mich ebenfalls umsah, bemerkte ich das die anderen beiden Männer uns nicht folgten.
Abygail folgte dicht hinter mir, Peter der hinter ihr lief, starrte mit unwohlem Gesichtsausdruck in die Dunkelheit.

Ich spürte auch Angst, die sich in meinem Bauch breit machte, aber vorallem die Ungewissheit.
Wir wussten nicht was uns noch erwarten würde, was mit uns passieren könnte.
Doch auch Aufregung mischte sich in meine Gefühle.
Wir würden ihn sehen, denjenigen der für das alles verantwortlich war.
Vielleicht konnten wir alles mit ihm klären.

Ich lief los, dem Fremden hinterher.
Auf einmal weitete sich der Gang in eine Höhle. Sie war so riesig, daß der Schein der Laterne sie nicht ausleuchten konnte.
Ich erkannte die Umrisse eines großen Felsen.
Er war wie ein Thron geformt.
In der Höhle ertönten Schritte, und sie konnten nicht von dem Dunkelhaarigen Fremden kommen, denn dieser war stehen geblieben.

"Sie sind da", erhob der Dunkelhaarige die Stimme.
Plötzlich entflammte Weiteres Licht.
Zwei Fackeln die an der Wand befestigt waren.
Zwei Fremde standen daneben, spärlich von dem Fackellicht beleuchtet.
Nacheinander gingen die Fackeln an, in einer Reihe, welche schließlich bei dem Felsenthron endete.
Darauf saß eine Gestalt, die eine Kapuze übers Gesicht gezogen hatte.
Sie breitete die Arme aus und der ihres Mantels raschelte.
"Ich habe euch erwartet."

Plötzlich wurde mir eiskalt, Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen und ich konnte kaum noch Atmen.
Mir wurde bewusst das ich diese Stimme kannte.

Arthur.
Diese Stimme gehörte eindeutig Arthur.
Ein Kloss bildete sich in meinem Hals, als ich die Zusammenhänge verstand.
Deshalb hatte er allen erzählt, ich wäre eine Mörderin, nur um von den Fremden abzulenken.
Die Feinde hatten vermutlich so getan als ob sie ihn entführten, dabei hatten sie ihn eigendlich nur mit zu seinem Zuhause genommen.

Die letzten beiden Fackeln wurden von zwei in schwarz gekleideten Männern entfacht und die Gestalt auf dem Thron streifte die Kapuze ab.
Er war es.
Arthur.
Auf einmal kam Wut in mir auf.
Er hatte uns alle belogen, und schlimmer noch, er musste Alan getötet haben.

Ich stürmte los, ohne zu überlegen was ich da tat.
Sofort kamen die Männer von allen Seiten auf mich zu und packten mich. Ich trat um mich, fühlte mich
genauso hilflos wie an dem Tag an dem mich Frank und Mason vom Steg gezerrt hatten, und Arthur mir einfach nur hinterher gesehen hatte.

Genau das tat er jetzt auch, sein schmaler Mund zuckte, wie als wollte er lächeln.
Wie gerne würde ich ihm dieses Lächeln aus dem Gesicht wischen.
Er war ein Lügner. Ein Mörder.
Jason hatte ihm nicht getraut, aber ich hatte Jasom nicht geglaubt.
Ich hatte geglaubt das Arthur nur das Beste für uns wollte, aber jetzt....
Jetzt war er bei den Fremden.
Jetzt war er ein Feind.





Willkommen zurück! 🥰
Ich hoffe euch hat dieses Kapitel gefallen!

Was denkt ihr was damals anscheinend passiert ist?
Oder warum jetzt passiert ist was passiert ist?

Ich freue mich natürlich mal wieder über eure Theorien und super lieben Kommentare! ❤️

Bis zum nächsten Kapitel!

Evelyn Rose - GefangenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt