7. Kapitel

73 23 49
                                    

Ich und das braunhaarige Mädchen kehrten gemeinsam wieder zurück zu den anderen.
Das Mädchen hatte seit unserem Gespräch kein Wort mehr gesagt, nur still beobachtet, wie ich einen Pfeil nach dem anderen abschoss.
Jetzt lief sie immer noch schweigend neben mir her.

Als wir aus dem Wald heraustraten sah ich, dass sich die Leute versammelt hatten und irgendetwas aßen.
Wir liefen zu den Leuten hin und mir wurde eine Scheibe Brot in die Hand gedrückt.
Sofort biss ich hinein und genoss den Geschmack auf meiner Zunge.

Ich hatte jetzt schon lange nichts mehr gegessen.
Seit ich von Arthur in die Vorratskammer eingesperrt worden war.
Was ganz schön hart gewesen war, da ich immer den freien Blick auf das gelagerte Essen hatte, aber nichts davon nehmen durfte.

Ich hockte mich etwas abseits auf den Boden und beobachtete, wie sich ein großer Mann vor die Menge stellte.
Es war John.
Er war so wie Arthur ein wichtiger Mann in diesem Dorf und hatte einiges mitzureden.
Sein dunkles Haar stand zu allen Seiten ab und Kratzer bedeckten seine Arme, vermutlich von dem gestrigen Kampf.
Er sah erschöpft aus, so wie alle hier.

John räusperte sich und es wurde still.
»Sie haben uns aus dem Hinterhalt überfallen!«, begann er. »Sie haben unser Dorf zerstört und viele der Menschen die wir lieben getötet! Und wir wissen nicht wer sie sind.« Er machte eine kurze Pause.

»Noch dazu haben sie jemanden entführt. Arthur und Mason wurden von ihnen mitgenommen! Das glauben wir zumindest.« Mason war wohl der Wächter, der bei der Abstimmung neben Arthur gestanden hatte.
Ein raunen ging durch die Menge und wütende rufe wurden hörbar.

Als John die Hand hob, verstummten die Geräusche.
»Die Angreifer haben Spuren hinterlassen. Es wird ein Team aus vier Leuten oder mehr losziehen um den Feinden zu folgen! Wir müssen herausfinden was sie im Schilde führen, wir müssen uns sicher sein, dass sie nicht nochmal angreifen!«
Zustimmende Rufe ertönten.

»Wer meldet sich freiwillig?« Johns Blick huschte von einem zum anderen.
Ich wusste nicht warum John dachte, jemand von uns würde sich freiwillig melden.
Alle der Dorfbewohner betrauerten Verluste, waren erschöpft und hatten kaum noch Hoffnung.
Niemand würde sich für eine Reise freiwillig melden, die sogar lebensgefährlich war. Sie würden nicht einfach so das verlassen, was ihnen noch geblieben war.
Wie erwartet senkte sich Stille über die Menge.

John verzog seufzend das Gesicht, als plötzlich doch eine Stimme ertönte.
»Ich melde mich freiwillig.«
Als ich mich umwandte, erblickte ich Jason, der nun nach vorne trat.
Sein Gesichtsausdruck zeigte keine Emotionen.
»Du bist minderjährig«, entgegnete John.
»Ich kann allemal besser mit Waffen umgehen als ihr«, erwiderte Jason ruhig.

Er hatte recht. Wir Jugendlichen hatten erst vor kurzem unser Training absolviert.
Wir hatten deshalb öfter Kontakt mit Waffen, als die Erwachsenen.
»Und ich denke wir werden diese Fähigkeit brauchen«, schob Jason noch hinterher.

John wiegte den Kopf hin und her und seufzte dann. Obwohl es ihm sichtlich schwerfiel nickte er.
»In Ordnung. Du bist ja schon 15.«
Dann wandte er sich wieder an die Menge.
»Aber ich will ehrlich zu euch sein! Es ist nichts tolles, was Spaß machen wird, sondern eher wie eine Strafe.
Niemand von uns kennt diesen Planet wirklich. Die, die eine Reise angetreten sind, um den Planeten zu erkunden sind nie zurückgekehrt...
Aber wenn ihr lebend zurückkehrt, werdet ihr Helden sein.«

Etwas an seinen Worten ließ mich aufhorchen.
Es ist eher eine Strafe. Das war es!
Die Worte waren über meine Lippen bevor ich richtig darüber nachdenken konnte.

»Ich komme mit!« Alle Blicke richteten sich auf mich und etwas in meinem Bauch zog sich zusammen, als ich sah, wie angewidert sie mich anschauten.
Sie trauten mir nicht, sie dachten immer noch ich sei eine Mörderin.
»Ihr wollt alle, dass ich eine Strafe bekomme. Das ist diese Reise doch, oder? Vermutlich werde ich hierbei sterben.«
Aber das ist vielleicht besser als hier zu bleiben, bei dem Dorf, das es nicht mehr gibt, bei dem See, welcher die schmerzhaften Erinnerungen an Alan hervorruft.

»Es ist noch nicht bewiesen das du Alan Rose umgebracht hast, Evelyn.«
Gemurmel erhob sich und es hörte sich keineswegs zustimmend an.
John hob beruhigend die Hände.
»Aber diese Reise scheint eine gute Lösung zu sein.«
Ja, weil ihr mich dann endlich loswerden würdet.
Ich biss mir auf die Lippe um diese Worte nicht auszusprechen.
Ein gewisses Gefühl der Freude machte sich in mir breit.
Ich würde von hier verschwinden, von diesem Ort der so viele grausame Erinnerungen mit sich trug.

»Ich komme auch mit.« Es war Peter, der stirnrunzelnd zu Jason, dann zu mir und schließlich zu John sah.
Vermutlich kam er nur wegen Jason mit. Nach seinem Blick zu urteilen freute er sich aber nicht gerade über seine, oder Jasons Entscheidung.
John sah auch nicht sehr erfreut aus.
»Jetzt sind es schon drei minderjährige die mitgehen! Das können wir doch nicht zulassen.« John war mit den Nerven sichtlich am Ende, doch niemand sprang ihm bei.

»Peter!«, erklang plötzlich eine Stimme aus der Menge. Ein großer blonder Mann trat hinaus. Er humpelte zu Peter hinüber und warf gleichzeitig abschätzige Blicke zu John.
»Ich werde auf gar keinen Fall zulassen das mein Sohn auf diese Reise geht.«
Peters Schultern sackten ein kleines Stück nach unten.
Eigentlich müsste er doch erleichtert sein, dass sein Vater es ihm nicht erlaubte.
Doch anscheinend wollte er Jason nicht im Stich lassen.

»Das ist doch Selbstmord! Wie können wir das nur zulassen?«, rief der Mann in die Runde. »Sie sind doch noch Kinder!« Die Leute bewegten sich unruhig oder starrten betreten zu Boden.
»Jason!« Peters Vater wandte sich dem schwarzhaarigen Jungen zu. »Du darfst nicht gehen.«
Still beobachtete ich, wie Jason langsam den Kopf schüttelte.
»Mir kann es niemand verbieten.«
Sein Blick fiel auf die Menge, doch ich konnte nicht genau ausmachen wen er da ansah. Seine Miene verfinsterte sich aber deutlich.

»Wollt ihr etwa sterben?«, fragte Peters Vater laut.
Peter lief zu ihm, sagte leise etwas und zog ihn dann mit sich.
Die Menge blieb Still, bis Peter und sein Vater etwas abseits zum stehen kamen. Dann brach auf einmal Gemurmel aus.
Ich strich mir eine Haarlocke aus dem Gesicht und sah hinüber zu Jason, der meinen Blick erwiderte.

»Jeder muss das für sich selbst entscheiden«, sagte John schließlich. »Aber wenn wir alle nichts unternehmen, wissen wir nicht ob wir bald erneut angegriffen werden. Wir erfahren nie, wer diese Fremden sind. Deshalb danke ich denen die auf diese Reise gehen.« John nickt Jason und sogar mir kurz zu.
»Ich komme auch mit.« Als ich mich umdrehe, sehe ich Frank. »Ihr braucht doch noch jemand Volljährigen. Hier bin ich!«
John nickte erschöpft.
»Noch irgendwer?«

Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen.
Viele senkten den Blick, bis auf eine. Abygail.
»Ich komme ebenfalls mit!«
»Jetzt sogar eine 13- jährige! Ich Fass es nicht!« John hob verzweifelt die Hände in die Luft woraufhin Abygail ihn mit einem scharfen Blick bedachte.

John zuckte mit den Schultern.
»In Ordnung! Du bist dabei.« Die hochgewachsene Frau, die hinter Abygail stand legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Aus der Ähnlichkeit der beiden schloss ich, dass die Frau vermutlich Abygails Mutter war. Aber müsste die Frau ihre Tochter nicht eigentlich davon abhalten auf eine Lebensgefährliche Reise zu gehen?

In diesem Moment kamen Peter und sein Vater zurück.
»Ich komme mit«, verkündete Peter.
Sein Vater sah alles andere als glücklich aus, doch irgendwie schien Peter ihn überzeugt zu haben, wie auch immer er das geschafft hatte.

John nickte und die Menge wurde still.
Niemand sagte etwas. Nicht einmal John schien recht zu wissen was er sagen sollte.
Ich trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und wartete darauf, das irgendetwas passierte.
Peter erhob die Arme und setzte ein schiefes Grinsen auf.
»Na super! Wir haben uns gerade quasi freiwillig dafür gemeldet zu sterben.
Was jetzt?«




Wie fandet ihr das Kapi?
Was haltet ihr von den Charakteren, die mit Evelyn die gefährliche Reise antreten?
Vielen Dank fürs lesen!

Evelyn Rose - GefangenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt