10. Kapitel

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Die Stille die sich nach dieser Frage über die kleine Gruppe senkte erdrückte mich unter ihrer Last.
Ich blickte hilfesuchend nach links- zu Jason - er hatte doch für keine Strafe gestimmt. Da musste er doch glauben, ich sei unschuldig.
Er starrte in die Flammen, wohlwissend das ich ihn ansah.

"Ich glaube es nicht." Sagte er schließlich und wandte den Blick zu mir. Seine grauen Augen musterten mich. Sie erinnerten mich ein wenig an abgeschliffenes Metall.
"Ich auch nicht." Sagte Peter mit voller Ernsthaftigkeit.
Frank nickte nur zustimmend und schenkte mir ein leichtes Lächeln.
Mein Blick huschte zu Abygail, welche ebenfalls in die Flammen starrte.
Ihr volles, braun gewelltes Haar hing seitlich über die Schulter sodass es ihr Gesicht halb vor mir verbarg.
Jetzt strich sie die Haar zur Seite und sah mich ausatmend an.
"Ich glaube es eigendlich auch nicht. Viele glauben es nicht mehr. Arthur... hat uns allen erzählt wie schlimm es wäre, wenn wir Verräter in unserem Dorf hätten. Oder-" Sie schwieg einen Moment. "Sogar Mörder."
Ich wollte etwas erwidern, hielt es aber zurück, da es so schien als wäre Abygail noch nicht fertig.
"Er hatte recht. So etwas wäre... Fatal.
Aber ich glaube nicht mehr, dass du deinen eigenen Bruder tötest."
Damit starrte sie wieder in die Flammen.

Etwas in meiner Brust wurde warm.
Eine Wärme wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt hatte.
Es war nicht heiß, wie die Wut.
Es war wärmend, wie die Erleichterung. Es war, als würde sich etwas von meinem Herzen lösen, ein Teil, welcher dort gesessen hatte, sich in meinem Herz verankert hatte, und beschlossen hatte, zu bleiben.
Ein Teil, der mir nur das Gefühl der Angst und Ungewissheit vermittelte.

Vielleicht war es eine Art Glücklichkeit. Ich fühlte mich mit einem Mal wohl hier. Hier an diesem Lagerfeuer, mit Leuten die mir vielleicht sogar ein wenig vertrauten.

Ich starrte nach oben in den Himmel, an dem die Sterne leuchteten.
Für einen Moment war alles vertrieben, die Sorge alle könnten denken ich sei eine Mörderin, die Angst vor den Feinden, und vorallem die Trauer um Alan, sowie meine Eltern.
Es war ein wunderbares Gefühl.


Zitternd rollte ich mich zusammen, zog die Knie näher an meinen Bauch.
Die Augen noch immer geschlossen, wurde mir klar, das es bereits Morgen sein musste.
Plötzlich spürte ich, wie sich etwas über mich legte. Ich blinzelte und drehte den Kopf.
Dort stand Jason, welcher mir gerade eine Jacke über die Schultern legte.

Ich sah ihn überrascht und gleichzeitig dankend an.
Als er bemerkte das ich wach war, lächelte er mir zu.
Es war ein halbes Lächeln, oder eher eine Andeutung, trotzdem bemerkte ich, dass ich ihn noch nie lächeln gesehen hatte.
Ich versuchte es selbst, doch es fühlte sich seltsam fremd an.
Er ließ sich neben mich fallen und sah zu den anderen.
Ich folgte seinem Blick.
Frank schlief und schnarchte leisen. Abygail lag auf dem Boden, zugedeckt mit ihrer Jacke, Peter ebenso.
Ich war also die einzige, die den Fehler gemacht hatte, meine Jacke als Kopfkissen zu benutzen und nur in dem dünnen grauen Pullover zu schlafen.

Mattes Licht schimmerte durch die Bäume, die Sonne war noch nicht aufgegangen.
Das Grass auf der Lichtung war noch nass vom Tau und der gewöhnliche morgendliche Wind wehte.
Wir saßen schweigend da, bis Jason sich räusperte. Ich blickte auf.

"Ich war heute früh unterwegs. Ich...
Ich finde keine Spuren mehr."
"Und was machen wir jetzt?"
Jason zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht. Keiner von uns kennt Syrax richtig... Meilen weit Wald, Wiesen, vielleicht auch Berge.
Woher sollen wir wissen ob die Feinde überhaupt in der Nähe leben ?"
Jasons graue Augen zuckten unruhig auf der Lichtung umher.
Als ich überlegte, was er hatte, spürte ich es wieder. Das gleiche Gefühl, wie gestern.
Es war als würde sich ein Blick in meinen Rücken bohren, als würde uns etwas beobachten. Oder jemand.
Als ich mich umdrehte war das Gefühl wieder weg.

"Spürst du das auch?" Fragte Jason, welcher jede meiner Bewegungen aufmerksam verfolgt hatte.
Ich nickte langsam.
"Es ist als würde uns irgendetwas beobachten. Geht es dir auch so?"
Er nickte Stumm.
Ich hörte das Scharben, wie wenn jemand ein Schwert aus der Scheide zieht.
Kurz versteifte ich mich, doch dann merkte ich, daß dieser jemand Jason war.
Er starrte auf die Büsche hinter mir.
Ich schnappte mir meinen Bogen, welcher direkt neben mir lag und sprang auf.

Wir liefen langsam in Richtung der Büsche, als es hinter uns raschelte.
"Was... was macht ihr denn da?" Abygail sah uns schlaftrunkend an.
Jason fuhr zu ihr herum und machte eine Geste des schweigens.
Neben Abygail setzten sich nun auch Peter und Frank auf.
Frank packte sogleich sein Beil, Peter und Abygail zogen die Schwert.

Ich setzte einen Pfeil an die Sehne und spannte den Bogen.
Mit dem Blick auf das Gebüsch gerichtet trat ich näher.
"Wir wissen das du da bist. Komm raus!" Sagte ich laut.
Kein Geräusch, keine Bewegung im Unterholz.
"Ich ziele auf dich." Meinte ich leicht drohend.
Plötzlich raschelte etwas. Die Blätter des Gebüsches bewegten sich.
Jason neben mir spannte sich an, ich hielt den Bogen noch ein Stück fester gepackt.
Das Laub, unmittelbar vor uns bewegte sich.

Eine Gestalt trat mit erhobenen Händen hervor.
Nach genauerem Hinsehen erkannte ich ein Mädchen, etwa in meinem Alter. Blonde Lange Haar hingen offen über ihre Schulter, blaue Augen blickten mich an.
Im Dorf hatte ich sie noch nie gesehen. Vielleicht war sie eine der Feinde?

"Wer bist du?" Fragte ich laut.
Hinter mir hörte ich ein leises Aufkeuchten, konnte aber nicht sagen von wem es stammte.
Das Mädchen schwieg kurz und sagte dann,
"Ich bin Lilly und ich würde gerne mit meinem Bruder sprechen."


Danke das ihr dieses Kapitel wiedermal gelesen habt!
Wie hat es euch gefallen?

Was denkt ihr ist das für ein Mädchen?
Woher kommt sie?
Und wer ist ihr Bruder?

Diese Fragen werden im nächsten Kapitel beantwortet! ❤️

Schreibt mir gerne Verbesserungsvorschläge!

Wir lesen uns! (Hoffentlich ;)❤️)

Evelyn Rose - GefangenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt