Prolog

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Yve Winter:

Heftig prasselt der starke Herbstregen auf das gläserne Dach des Berliner Hauptbahnhofes. Die wilden Muster, die die Regentropfen auf den Glasscheiben bilden, sind mit dem wilden Treiben am Morgen auf dem Bahnhofsgelände zu vergleichen. Menschenmassen laufen gehetzt an mir vorbei und ich wünsche mir für einen Moment die Zeit anhalten zu können, damit ich kurz durchatmen und mich sammeln kann. Aber es hilft alles nichts, denn dank der vielen Verspätungen der Bahn habe ich nur noch 20 Minuten Zeit um an mein Ziel zu kommen. Ich krame also hektisch in meiner Manteltasche um mein Handy zu finden, denn natürlich habe ich vor lauter Aufregung vergessen welche letzte Bahn ich nun nehmen muss.

„Tram, M8 Richtung Invalidenplatz. Ach ja, genau." flüstere ich mir leise selbst zu, damit der Gedanke mich nicht schon wieder genauso schnell verlässt, wie die Regentropfen, die draußen an den Scheiben herunter rinnen.

Ungünstigerweise merke ich, dass ich meinen geliebten Regenschirm, den ich mir damals bei einem Ausflug in Schottland gekauft hatte, in der Bahn vergessen habe. Also muss ich zu allem Übel auch noch durch den Starkregen Berlins bis zur nächsten Tram Haltestelle rennen. Dabei versuche ich über große Pfützen drüber zu springen, damit ich nicht auch noch den Umweg außenrum nehmen muss. Natürlich wurde mir die letzte Pfütze zum Verhängnis. Ich bin beim Versuch darüber zu springen, in einer noch größeren Pfütze dahinter gelandet. Ein riesiger Schwall Wasser spritzt aus der Pfütze nach oben. Ich spüre wie das kalte, schmutzige Regenwasser von unten in meine Hose und Schuhe läuft.
Ein Glück habe mich heute Morgen gegen die helle Anzugshose entschieden und habe stattdessen die dunkelblaue Variante gewählt. Und meine hellblaue Bluse ist zum Glück durch meinen dicken, schwarzen Herbstmantel geschützt.

Völlig durchnässt schaffe ich es gerade noch in die Bahn, die mich endlich an mein Ziel bringen wird. Angekommen am Invalidenplatz sind es nur noch ein paar Meter in denen mich der Regen nun auch nicht mehr weiter durchnässen kann.
Ein letzter Blick auf meine Uhr, verrät mir, dass ich es grade noch pünktlich zu dem gelben Gebäude mit grünen Fenster- und Türrahmen geschafft habe. Zeit um mich zu sammeln bleibt natürlich nicht mehr und auch die triefnassen Haare werden in den paar Minuten, die ich noch habe, wohl auch nicht mehr trocknen. Ein wunderbarer erster Eindruck für das Bewerbungsgespräch, welches über meine Zukunft entscheiden wird...

Mit spitzen Fingern versuche ich die Regentropfen vom Klingelschild zu entfernen, damit ich sehen kann welcher der zwei Knöpfe, der Richtige ist. „Bundesgeschäftsstelle Bündnis90/Die Grünen" lese ich leise vor und drücke im gleichen Moment den etwas schwerfälligen Knopf.
Nur wenige Sekunden später höre ich die rauschende Stimme durch die Gegensprechanlage „Ja, bitte?" Ich erläutere der männlichen Stimme, dass ich wegen dem Vorstellungsgespräch für den Posten der Pressesprecherin da bin. Im nächsten Moment stoppt das Rauschen des Lautsprechers und der Türöffner surrt laut. Ich lehne mich mit meinem ganzen Gewicht gegen die schwere, grüne Holztür, die mit einer großen Glasscheibe schon einen ersten Einblick ins Treppenhaus gewährt.

Endlich wieder im Trockenen angekommen, schaue ich mich kurz um und sehe auf einem großen grünen Schild in welches Stockwerk ich muss. Entschlossen, aber auch voller Ehrfurcht gehe ich die Stufen hoch und merke dabei wie hoch das Wasser in meinen Schuhen steht. Ich versuche mich nicht von diesem unangenehmen Gefühl noch mehr verunsichern zu lassen.
Im richtigen Stockwerk angekommen, bemerke ich einen großen, bodentiefen Spiegel an der einen Wand und werfe dort nochmal einen flüchtigen Blick hinein. Zum Glück, denn meine nicht wasserfeste Mascara war gefühlt durch mein ganzes Gesicht gelaufen. Ich nehme mir also noch ein paar Minuten Zeit um mich schnell zu richten damit neben meinen triefnassen Haaren und der Kleidung wenigstens mein Make-up wieder sitzt.

Ich atme tief ein, schaue währenddessen noch ein letztes Mal in den Spiegel, drehe mich dann in Richtung Eingangstür des Büros. Mit meinem ersten Schritt in Richtung meiner hoffentlich neuen Zukunft lasse ich die zuvor eingeatmete Luft, mit einem zischenden Geräusch aus meiner Lunge entweichen.

Jetzt gibt es kein Zurück. Ich hebe meinen rechten Arm, forme meine Finger zu einer Faust und klopfe 3 Mal an die hölzerne Bürotür. Von der anderen Seite drang ein lautes „Herein" zu mir hindurch. Die eben noch erhobene Hand bewegt sich etwas ängstlich, aber dennoch entschlossen zur Türklinke der Bürotür und öffnet diese somit.

Falling slowly Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt