Kapitel 2

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Yve Winter

Ich lasse meine erneut durchnässten Klamotten auf den schwarzen Boden meines Badezimmers fallen. In der Ecke steht immer noch eine Kiste, die ich seit meinem Umzug nach Potsdam kürzlich, nicht geschafft habe auszuräumen. Auch an den kahlen Wänden merkt man, dass ich noch nicht sonderlich lang hier wohne.

Noch nie in meinem Leben habe ich mir so sehr gewünscht zu duschen. Ich bin heute einfach so oft nass geworden. Sei es von Starkregen, dreckigen Pfützen oder von meinem Angstschweiß.

Ich steige in meine ebenerdige Dusche und drehe das Wasser auf volle Stufe auf. Endlich warmes, sauberes Wasser. Ich werfe meinen Kopf in den Nacken, schließe meine Augen und lasse einen Schwall Wasser über mein Gesicht laufen. Der warme Wasserstrahl umhüllt meinen ganzen Körper und ich fange endlich an meine durchfrorenen Gliedmaßen wieder zu spüren. Der feuchte Dampf breitet sich im ganzen Badezimmer aus, sodass man kaum noch seine eigene Hand vor Augen sieht.

Ich hatte noch nicht wirklich viel Zeit über das Gespräch am Vormittag nachzudenken, das will ich auch definitiv nicht in diesem entspannenden Moment unter der Dusche tun. Aber ich erwische mich gerade selber dabei wie ich immer wieder an diese tiefblauen Augen von Annalena denken muss. Daran wie diese Augen Freundlichkeit, aber dennoch eine gewisse Angespanntheit ausgedrückt haben. Aber selbst ihr leicht genervter Blick hat mich nicht abgeschreckt. Ganz im Gegenteil. Was ist das nur für ein Gefühl, dass sich in mir breit macht?

Nach gefühlt einer Stunde unter der Dusche, öffne ich die gläserne Tür und greife nach einem der altrosafarbenden Handtüchern im Regal. Ich wickele es um meinen, ausnahmsweise nicht vom Regen durchnässten Körper und trockne mich sorgfältig ab. Heute Abend gibt es nur noch was zu Essen und eine Folge meiner Lieblingsserie auf Netflix, deswegen ziehe ich mir nach dem Duschen direkt meinen karierten Pyjama und ein Paar Kuschelsocken an.

Fast blind tappe ich durch die dunkle Wohnung. Man könnte ja auch einfach das Licht anmachen, aber das wäre zu einfach. Außerdem finde ich den Weg zum Kühlschrank schon ganz gut. Ich öffne also dessen Tür und das grelle Licht schießt mir förmlich in die Augen. „Und genau deswegen lasse ich das Licht aus!" schimpfe ich mit fest zugepressten Augen. Nachdem sich meine Augen langsam an das Licht gewöhnt haben, kann ich auch endlich meine Reste vom Vortag rausnehmen und sie in der Mikrowelle aufwärmen. Ein Glück muss ich heute nicht mehr kochen. Ich nehme meinen Teller, mein Handy mit angemachter Taschenlampe in der anderen Hand und mache mich auf den Weg in mein neues Wohnzimmer. Immerhin habe ich es schon geschafft eine Couch und einen Fernseher zu kaufen. An Deko und Bildern muss ich dringend noch arbeiten, aber nicht mehr heute.

Ich mache es mir schließlich auf dem dunkelgrünen Möbelstück bequem, esse meine Reste, schaue meine Serie und komme endlich zur Ruhe.

„Schämen sie sich nicht so hier aufzukreuzen?" Ihre Augen wirken durch ihren genervten Blick klein und stechend. „Sie wissen schon, dass es sich hier um eine seriöse Stelle handelt, in der ein gepflegtes Äußeres durchaus wichtig ist? Und sie kommen hier mit einer matschigen hellen Hose an!" Ich versuche nach Worten zu ringen, aber es kommt einfach kein Ton raus. Ich schaue mich um. Schwarze Wände, verwelkte Pflanzen. Matschige helle Hose? Ich schaue an mir hinunter. Sie hat Recht. Aber ich habe mich doch noch gefreut eine dunkle Hose zu tragen.
Mein Blick wandert langsam wieder nach oben, bis ich ihr schließlich wieder direkt in die Augen sehe.

Ein lautes Klirren, lässt mich zusammenschrecken und ich sehe nichts mehr vor lauter Dunkelheit. Ich suche hastig mit meiner rechten Hand nach meinem Handy, um damit etwas Licht ins Dunkle zu bringen. Da sehe ich auch schon den riesigen Scherbenhaufen meines Geschirrs auf dem dunklen Boden meines Wohnzimmers. „Ein Traum, es war nur ein Traum", flüstere ich mir erleichtert zu.
In diesem Traum muss ich sehr wild um mich geschlagen und getreten haben. Wieso sonst liegt der völlig zerstörte Teller plötzlich neben mir.

Noch etwas schockiert von der doch sehr strengen Annalena aus meinem Traum, sammle ich vorsichtig die weißen Porzellanscherben von meinem Boden auf. „Heißt es nicht immer Träume spiegeln unsere sehnlichsten Wünsche wieder. Ach Quatsch, Alpträume doch nicht. Warum sollte ich mir sowas auch wünschen. Ich muss echt in mein Bett und diesen Tag hinter mir lassen." denke ich stumm und gehe nach einem kurzen Gang ins Bad endlich in mein, bereits fertig eingerichtetes und dekoriertes Schlafzimmer.

Ich falle direkt in mein großes, gemütliches Bett, welches nach frischen Blüten und Frühling riecht. Ein lauter Seufzer verlässt meinen, ein wenig geöffneten, Mund. Ich schließe die Augen und da sind Sie wieder. Ihre tiefblauen Augen scheinen direkt in meine Seele zu starren.

Falling slowly Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt