Kapitel 14

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Yve Winter:

Es sind nun einige Tage seit dem Vorfall vor dem Restaurant vergangen und langsam verschwindet auch der Blaue Fleck im Gesicht der Parteivorsitzenden.
Natürlich hat die Presse schnell Wind von der Sache bekommen und die Sache in den Medien ausgeschlachtet. Die Kommentare unter den Posts waren fast so schlimm wie die Sache selbst. So wurde zum Beispiel geschrieben, dass die 40-jährige das verdient habe und dass der Typ hätte ruhig fester zuschlagen sollen.
Ein Glück liest Annalena nur selten die Kommentare auf Social Media und ich habe mich auch durch Löschung der Kommentare darum bemüht, dass sie das nicht zu lesen bekommt. In was für einer traurigen Welt leben wir eigentlich?
Aber jetzt ist die Zeit für ein bisschen Ablenkung gekommen. Es ist bereits Nachmittags als wir Kollegen uns alle vor dem gelben Haus versammeln und uns bereit für unseren Ausflug machen.

Es ist ein angenehm sonniger Novembertag. Die Sonne hat so viel Kraft, dass sogar die dicke Jacke heute auf der Garderobe geblieben ist. Stattdessen habe ich einen leichten, dunkelgrünen Mantel übergeworfen und einen dünnen Schal der meinen Hals etwas schützt.
Die Vorfreude ist den meisten Kollegen regelrecht anzusehen. Alle unterhalten sich angeregt, während sie auf den Bus warten. Ich bekomme von vielen Gesprächen nur Wortfetzen mit, bis plötzlich alle Geräusche zu verstummen scheinen und ich nur noch ihre warme Stimme in meinem rechten Ohr höre: „Yve, das heute ist wirklich eine super Idee von dir. Ich hab bis jetzt nur positives über deinen Vorschlag gehört!" Annalena steht plötzlich dicht neben mir und ich spüre ihren Arm an Meinem. Ich drehe mich etwas zur Seite und schaue ihr direkt in die strahlenden Augen. Wir verharren so, bis schließlich ein großer Bus vorfährt, der die ganze Mannschaft sicher zum Potsdamer Weihnachtsmarkt fahren soll.

Nach und nach steigen die Kollegen in das große Gefährt und ich laufe zielstrebig auf den Platz neben Annalena zu, doch ehe ich mich versehe sitzt Robert Habeck schon neben ihr. Also entscheide ich mich kurzerhand für den Platz hinter ihr. Es ist vielleicht gar nicht schlecht mal etwas weniger Körperkontakt mit der durchaus attraktiven Frau zu haben.
Der Bus startet und ich versuche noch etwas darin zu entspannen. Ich lehne meinen Kopf gegen den Sitz, schließe die Augen und sehe wieder nur sie vor mir. Ob das jemals nochmal besser wird? Wann ich es wohl schaffe sie mir aus dem Kopf zu schlagen? Fragen über Fragen schießen mir in den Kopf.

Die quietschenden Bremsen des Busses wecken mich schließlich wieder auf. Ich öffne mein linkes Auge und versuche durch die beschlagene Scheibe irgendwas zu erkennen, da erhebt sich die Parteivorsitzende aus dem Sitz vor mir schon und sieht mich an. Ich öffne rasch Beide Augen und lächle sie freundlich an. Mit einem Schwung werfe ich den Schal um meinen Hals und Knöpfe meine Mantel wieder zu. Die Türen des Busses öffnen sich und keine Sekunde später steigt der Duft von gebrannten Mandeln und Glühwein in meine Nase. Es ist gefühlt eine Ewigkeit her seitdem ich diesen Duft das letzte Mal gerochen habe.
Ich steige rasch aus dem Bus aus und schaue mit großen Augen auf den Eingang des Weihnachtsmarktes. Ein Torbogen mit geschmückten Tannenzweigen und allerlei Lichterketten. Noch war es zu hell um die Lichter zu sehen, aber heute Abend wird hier alles in glitzernden Lichtern erstrahlen. Mit großen Augen starten wir alle in den Nachmittag und bestimmen einstimmig erstmal etwas zu essen. An einem Stand, an dem es allerlei Verschiedenes gibt, bleiben wir stehen und einige reservieren schonmal zwei lange Tische an denen wir alle Platz haben.
Ich lese mir die Karte genau durch und finde schnell etwas vegetarisches. Im gleichen Moment trete ich nach vorne und gebe meine Bestellung auf.
Der Geruch der glühenden Kohle unter dem Schwenkgrill steigen mir in die Nase. Dieser Markt ist ein einziges wildes Geruchserlebnis. An jeder Ecke scheint es anders zu riechen und plötzlich steigt ein bekannter, blumiger Duft in meine Nase. Annalena steht schon wieder dicht neben mir und gibt ihre Bestellung auf. Kurze Zeit später legt sie einige glitzernde Münzen auf den Tresen um zu bezahlen: „Die Bestellung der jungen Dame geht auf mich!" sagt sie und grinst mich an. Ich schaue sie etwas fragend an und sie beantwortet diesen Blick prompt: „Ich habe nicht vergessen, dass du das Taxi letztens bezahlt hast. Der heutige Abend geht auf mich! Bringst du mein Essen gleich mit wenn es fertig ist?" Bevor ich antworten kann verschwindet sie schon wieder in der Menge.

Falling slowly Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt