Kapitel 7

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Annalena Baerbock:

Die Türen, der Regionalbahn nach Berlin, sind kurz davor sich zu schließen, da hole ich mit meiner roten, großen Handtasche aus und schwinge sie im letzten Moment noch dazwischen. Mit einem lauten Piepen öffnet sich die Doppeltür wieder und ich kann ein Glück noch einsteigen.
Mein Morgen startete eher stressig. Nach der ereignisreichen, aufregenden Nacht, kam ich nicht wirklich pünktlich aus meinem Bett. Auf dem Weg zum Bahnhof, habe ich schließlich noch gemerkt, dass ich mein Handy zu Hause vergessen habe. Doch Dieses ist für meinen Arbeitstag essentiell, da meine Büromitarbeiter meistens besser über meine Termine Bescheid wissen, als ich selbst. Ohne dieses Ding wäre ich also aufgeschmissen.

Ich schaue mich kurz um und suche mir einen freien Sitzplatz, was an manchen Tagen gar nicht so einfach ist. Doch in der hinteren rechten Ecke erspähe ich noch ein paar freie Plätze und setze mich dort schließlich hin. Den Arbeitsweg nutze ich oft um noch etwas zu entspannen, da meine Nächte oft sehr kurz sind. Aber die letzte Nacht habe ich mir selbst zuzuschreiben. Oder vielleicht kann ich es auch einfach auf diesen mysteriösen Traum schieben.

Meistens ist es morgens in den Zügen sehr ruhig, obwohl sie immer gut gefüllt sind. Um diese Uhrzeit wollen die meisten Leute wohl einfach noch ihre Ruhe haben. Ich blicke aus dem Fenster und sehe nur die Lichter einiger Laternen an den Wegesrändern. Man merkt schon, dass die Tage wieder kürzer werden und die Sonne später aufgeht. In diesen Jahreszeiten kommt es oft vor, dass man morgens, in der schwarzen Dunkelheit, zur Arbeit fährt und abends, wenn die Sonne bereits wieder untergegangen ist nach Hause fährt.

Mein Kopf dreht sich etwas zur linken Seite und ich beobachte einige Menschen die zur Bahntür gehen, um an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Dann blicke ich auf die Kopflehne neben mir. Eine Hand mit langen, schmalen Fingern hält sich daran fest.
Die Bilder aus meinem Traum schießen mir unvermeidbar in meinen Kopf. Ich spüre die Hitze in mir aufsteigen, auch das Ziehen in meinem Unterleib ist zurück. Ich muss mich zusammenreißen. Was ist das nur? Warum fühle ich das beim Anblick dieser weiblichen Händen? Was genau ist das überhaupt was ich fühle? Tausend Fragen kommen mir in den Sinn und ich spüre wie meine Wangen erröten. Sie werden so warm wie der Rest meines Körpers. Neugierig hebe ich meinen Kopf etwas, um den Rest der Frau zu sehen, die sich an dieser Lehne festhält.

Yve Winter ... es ist Yve Winter. Ohne weiter drüber nachzudenken verlässt meine Lippen ein freundliches „Hallo Yve, ehm Winter, Frau Yve Winter, Frau Winter." Oh Gott, warum stottere ich denn plötzlich so? Vielleicht weil ich ohne drüber nachzudenken, mit diesen schemenhaften Bildern im Kopf, anfange loszuplappern. Ihre großen, hellblauen Augen starren mich etwas verdutzt an.

Yve Winter:

Ich spüre die Aufregung in mir hochkochen, als ich die schöne, dunkelhaarige Frau im halbdunklen Bahnwaggon sitzen sehe. „Guten Morgen. Auf dem Weg zur Arbeit?" frage ich sie mit leiser Stimme, um die schlafenden Menschen im Zug nicht zu wecken. Sie klopft mit ihrer linken Hand auf den freien Sitz neben sich und bietet mir somit den Platz an. Ich nehme meine Tasche von der Schulter und lasse mich langsam auf dem blauen Stuhl neben Ihr nieder.
Wir kommen, trotz der Aufregung, schnell ins Gespräch und reden über den gestrigen Tag.
„Ich war echt erschöpft nach dem Tag und bin mit einem Glas Wein direkt in mein Bett gegangen." erzählt Annalena. Ich merke wie sie während sie davon erzählt an ihrem goldenen Ring am Finger spielt. Ist sie etwa nervös? Aber was genau macht sie daran so nervös? Vielleicht weil es etwas privates ist, wovon sie da im Moment erzählt?

Ich kann es einfach nicht glauben, dass ich grade mit ihr hier sitze und mir ihre Geschichten anhöre. Ihre Stimme hat irgendwie etwas beruhigendes und mir fällt direkt auf, dass sie sehr viel gelassener und langsamer spricht, als in ihren Reden.
Schon ertappe ich mich dabei wie ich ihr, auf die roten Lippen starre. Ihr Mund bewegt sich gefühlt in Zeitlupe und die Wörter verlassen sanft ihren Mund.

Falling slowly Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt