Rationale Stimme

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Hallihallo ihr Lieben,

ich belästige euch mal wieder mit einem Kapitel von mir. Also viel Spaß damit :)

P.O.V. Mary

Mit einem Grinsen im Gesicht mache ich mich auf den Weg zurück zu Emily und Sam. Der Nachmittag war echt lustig mit Nessi. Wir haben uns viel unterhalten und sie hat mir von ihrer Familie erzählt. Sie ist einfach ein echter Sonnenschein. Ich habe ihr versprochen sie in der nächsten Zeit mal zu besuchen und dass sie jederzeit gerne zu mir kommen könnte. Daraufhin hat sie so sehr gestrahlt, dass ich nicht anders konnte, als sie zu umarmen. Ja, Nessi ist ein ganz besonderes Kind.

Ruckartig bleibe ich stehen. Mit einem unguten Gefühl im Bauch suche ich die Umgebung ab. Ganz in meiner Nähe knacken Äste unter schweren Schritten. Für einen Menschen hört es sich zu schwer an. Und es sind garantiert vier rhythmisch, aufeinanderfolgende Schritte. Somit muss es ein Tier sein. Noch dazu ein relativ großes. Ich versuche mich so wenig wie möglich zu bewegen. Das Geräusch bricht abrupt ab. Doch dafür bemerke ich, dass der Wald scheinbar den Atem anhält. Es ist so still, dass ich meinen eigenen Herzschlag überdeutlich höre. Ein Bär kann es eigentlich nicht sein dafür waren die Geräusche zu gleichmäßig. Aber welches Tier ist so laut und bewegt sich gleichzeitig so geschmeidig? Sonst bewegen sich nur Raubkatzen so, aber so viel Krach macht doch keine Raubkatze. Und hier in Washington leben, soweit ich weiß, nur Pumas und die sind ganz sicher nicht so groß.

Ich gehe weiter. Gleichzeitig setzt sich das Tier ebenfalls in Bewegung. Ich werde schneller und auch das Tier wird schneller. Verfolgt mich das Tier etwa? Okay, dann würde ich mal behaupten so schnell wie möglich weg von hier. Ich renne los. Meine Beine bewegen sich wie von selbst. Die Schritte des Tiers werden leiser, doch ich renne weiter. Ich werde erst langsamer, als die Hütte von Emily und Sam in meinem Blickfeld erscheint. Tief ein- und ausatmend versuche ich mich zu beruhigen. Was zur Hölle war das? Das ist doch kein normales Verhalten von einem Tier gewesen. Warum sollte mich ein Tier verfolgen? Vor allem, weil ich auch noch auf dem Weg war. Ich bin nicht vom Weg abgewichen. Und Wildtiere meiden normalerweise Menschen. Das ergibt doch alles kein Sinn. Verwirrt gehe ich ins Haus. "Mary bist du das?", ruft Emily aus der Küche. Ich beeile mich meine Schuhe auszuziehen und gehe in die Küche.

"Hey Emily." Sie dreht sich zu mir um und sieht mich an. Ich wende den Blick ab und schaue aus dem Fenster. Es ist mir unangenehm wie Emily mich ansieht. So voller Sorge und Mitgefühl. Ich weiß, dass sie es nur gut meint, aber ich kann damit einfach nicht umgehen. Auf einmal schließt sich ihre warme Hand um meine. "Mary ich möchte, dass du weißt, dass du immer mit mir reden kannst. Oder wenn du gerade nicht alleine sein willst, ich immer für dich da bin. Ich weiß nicht was dir passiert ist, aber du musst wissen, dass du das alles nicht alleine durchstehen musst." Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals und macht mir das Luftholen beinahe unmöglich. In meinem Inneren tobt ein Krieg. Ein Krieg zwischen meinem Herzen und meinem Gehirn. Ein Krieg zwischen emotional und rational. Er reißt mich förmlich auseinander. Die rationale Stimme in mir erinnert mich, nicht gerade sanft, an all meine schlechten Erfahrungen. Sie zerrt die Erinnerungen aus dem hintersten Winkel meines Bewusstseins und hält sie mir wie ein Warnschild vor die Augen. Doch die emotionale Stimme ruft mir ins Gedächtnis, dass nicht alle Menschen schlecht sind. Dass ich mir mit meiner verschlossenen Art auch die Chance auf andere Erfahrungen nehme. Sie holt die Erinnerung an meine beste Freundin Leo hervor, wie wir lachend im Park liegen. Ich hebe meinen Kopf und sehe Emily in die Augen. Ich habe meine Entscheidung getroffen.

P.O.V. Emily

Erschrocken schnappe ich nach Luft, als ich Marys Blick sehe. Ihre eisblauen Augen sind getränkt mit so viel Traurigkeit und Leid. Es sind zwar keine Tränen zu sehen, aber der Blick genügt, um mir einen Schauer über den Rücken zu jagen. Mein Herz zieht sich zusammen. Ohne groß nachzudenken, stelle ich mich auf die Zehenspitzen und ziehe Mary in meine Arme. Erst steht sie nur stocksteif da, aber dann schlingt sie die Arme um mich. Ein Beben geht durch ihren Körper. Es tut weh sie so zu sehen. Mary drückt mich von sich. "Danke.", murmelt sie und geht nach oben.

Erschöpft lasse ich mich auf einen der Barhocker fallen. Ich mache mir solche Sorgen um sie. Ich merke, dass sie stark ist, aber irgendwas macht sie kaputt. So wie es Leah kaputt macht mit niemandem zu reden. Nur kann ich Leah nicht helfen, da ich Teil des Problems bin. Mary kann ich vielleicht helfen. Und bei Leah weiß ich, was los ist. Bei Mary nicht. Mary ist sogar noch verschlossener als Leah. Leah sprudelt manchmal nur so über vor Emotionen. Sie lässt ihren Gefühlen freien Lauf, aber Mary erträgt ihr Leid still vor sich hin. Ich drehe erschrocken den Kopf, als ich Sam neben mir sehe.

"Hey Emily. Was ist denn los?" Er setzt sich neben mich und nimmt meine Hände in seine. Besorgt lässt er den Blick über mich schweifen. Unfreiwillig muss ich schmunzeln. "Mir gehts gut. Ich mache mir nur solche Sorgen um Mary. Gerade hat sie mich das erste Mal wirklich angesehen. Ohne irgendwelche Mauern. Sie hat mir ihre Gefühle gezeigt. Freiwillig. Und es hat mich fast erschlagen. Du hättest sie sehen müssen. So zerbrochen und einsam. Es tat richtig weh." Sam zieht mich auf seinen Schoß und legt seine Arme schützend um mich. "Ich kann mir vorstellen, dass das schwierig für dich ist, aber für Mary ist es wahrscheinlich noch zehntausendmal schwieriger gewesen." Irritiert sehe ich meinen Verlobten an. Ich habe nicht erwartet solch eine Antwort von ihm zu bekommen. "Ja, ob du es glaubst oder nicht, auch mir fällt sowas auf. Und auch mir ist sie wichtig. Auf irgendeine verkorkste Art und Weise." Ich strahle ihn an. "Echt? Das war mir gar nicht bewusst. Was sollen wir denn jetzt machen? Ich habe Angst, dass sie wieder dicht macht. Ich kann es nicht haben sie so leiden zu sehen. Und wie es erst Paul gehen muss. Er tut mir echt leid." "Paul dreht täglich fast durch vor Sorge. Ich glaube nicht, dass ich ihn noch lange von Mary fernhalten kann. Zumindest nicht ohne Gewalt." Ich lasse meinen Kopf an seine Schulter sinken. "Wir werden sehen. Aber jetzt hilfst du mir erst Mal beim Essen kochen." Ich stehe auf, nehme seine Hand und ziehe ihn hinter mir her mit in die Küche.

~Lily

Die Trauer Des Wolfes // Fanfiction Twilight Paul LahoteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt