Der lange Weg zum Ruhm

Top 4 - Erster Kampf

Schwester Joy zeigte Palma, wie diese am Terminal ihre Pokémon-Auswahl gegen die Top 4 festlegen konnte. „Während der Herausforderung dürfen keine Items ausgetauscht sowie keine TMs und TPs verabreicht werden. Übrigen wird das Top 4-Mitglied des Typs Eis heute durch einen Überraschungsgast vertreten", führte Schwester Joy aus.
Nach der Anmeldung wurde Palma in einen Raum geführt, der einen Tresen enthielt, hinter dem eine weitere Schwester Joy stand. Hier konnte Palma zwischen den Kämpfen ihr Team anpassen und ihre Pokémon heilen lassen. Der Raum hatte einen zweiten Ausgang – eine große hölzerne Doppelflügeltür, die durch einen Knopfdruck geöffnet werden konnte. Ein großer Monitor neben der Tür zeigte das, was hinter der Tür lag: Ein riesiges Kampffeld und große, voll besetzte Tribünen.
„Gegen welchen Typen möchtest du zuerst antreten?", wollte Schwester Joy von Palma wissen. Die Blondine überlegte kurz. „Eis. Ich fange mit dem Überraschungsgast an."
„Viel Erfolg. Betätige den Knopf neben der Tür, sobald du bereit bist."

Palma setzte einen Fuß vor den anderen. Ein wenig ängstlich ließ sie ihren Blick über die Ränge schweifen, während aus den Lautsprechern eine angenehme Stimme erklang, die sie – Palma – dem Publikum vorstellte. Im Anschluss wurde bekanntgegeben, dass Palmas erster Kampf gegen den Typ Eis sein würde.
„Begrüßen Sie mit mir Frosina, ehemaliges Top 4-Mitglied aus Hoenn. Frosina wird heute offiziell Feather vertreten und ist somit heute Mitglied der Top 4 des Indigo Plateau. Es ist ihr erster Kampf hier, seien wir also gespannt!"
Am anderen Ende des Kampffeldes öffnete sich eine Tür und eine ältere blonde Frau in einem eleganten hellvioletten Kleid betrat das Stadion. Erschrocken schaute Palma zu einem Monitor hoch, der die Frau in Nahaufnahme zeigte. Nein, das konnte nicht sein. Sie musste sich irren.
Langsam schritt sie auf die Mitte des Kampffeldes zu, da es üblich war, dass sich die Kontrahenten die Hand gaben. Mit jedem Schritt wurde Palma klarer, dass sie sich nicht irrte.
Zögerlich reichte sie Frosina die Hand. Gerade als Palmas Haut den Handschuh ihrer Gegnerin berührte, lächelte diese sanft. „Schön, dich zu sehen."
„Wieso bist du hier?" Mehr bekamt Palma in diesem Moment nicht raus, obwohl in ihrem Kopf tausend Fragen waren.
„Ich habe deinen Werdegang beobachtet. Und nun bin ich hier, um mir selbst ein Bild von deinem Können zu machen. Ich werde mich nicht zurückhalten. Und du dich bitte auch nicht, Tochter."
Palma stand wie gelähmt da. Ihre Mutter, ein ehemaliges Mitglied der Top 4 in Hoenn? Sie wusste wirklich noch viel weniger über ihre Mutter als sie dachte. Plötzlich keimte ein anderes Gefühl in Palma. Wut. Wieso hatte ihr ihre Mutter nie etwas erzählt? Wieso hatte ihre Mutter sie nie kontaktiert? War sie stolz auf ihre Tochter? Oder eher enttäuscht?
Palmas Händedruck wurde fester. Entschlossen schaute sie ihrer Mutter... schaute sie Frosina in die Augen. „Du wirst verlieren."
Frosinas Lächeln wuchs in die Breite. „Selten habe ich Trainer gesehen, denen so ein Feuer in den Augen loderte. Ich freue mich auf unseren Kampf. Zeig mir, ob deine Flamme mein Eis schmelzen kann."

Da Palma erfahren hatte, dass die anderen Top 4-Mitglieder zuschauen konnten, hatte sie sich dafür entschieden, Chaneira und Hundemon nicht mit in den Kampf zu nehmen. Fiaro würde sie nur einsetzen wenn es nicht anders ging.
Angespannt und hoch konzentriert griff die Blondine zu dem Pokéball, in dem sich Tentoxa befand. Sie würde am Anfang Giftspitzen auslegen. Es gab kein Eispokémon mit dem Zweittyp Gift, somit waren die Giftspitzen relativ sicher und würden ziemlich jedes Pokémon ihrer Mutter vergiften. Als der Kampfrichter den Kampf freigab, warfen Palma und ihre Mutter gleichzeitig ihre Pokébälle aus. Palmas Tentoxa stand einem Rexblisar gegenüber, einem Pokémon mit den Typen Eis und Pflanze. Rexblisars Fähigkeit Hagelalarm kühlte die Luft über dem Kampffeld schlagartig ab und schwere Hagelkörner fingen an zu fallen.
Palma und Frosina riefen ihre Befehle, woraufhin sich ihre Pokémon in Bewegung setzten. Das Quallen-Pokémon von Palma verteilte giftige Dornen auf dem Kampffeld. Rexblisar stampfte fest auf den Boden, wodurch ein Erdbeben entstand. Tentoxa überstand die Attacke. Zwar erhielt es auch Schaden durch den Hagelsturm, heilte diesen jedoch mit dem Item Giftschleim, das es trug.
Mit einem Blick auf die Anzeigetafel neben dem Kampffeld stellte Palma fest, dass ihr Tentoxa wahrscheinlich kein zweites Erdbeben überstehen würde. Ihr Blick wanderte zu dem Monitor, der gerade das Gesicht ihrer Mutter zeigte. Die Blondine erkannte den Gesichtsausdruck wieder – ihre Mutter unterschätzte sie.
Die beiden Kontrahentinnen riefen erneut ihre Befehle. Palma holte ihr Tentoxa zurück in seinen Ball und schickte dafür Aerodactyl in den Kampf. Frosina ließ ihr Rexblisar erneut Erdbeben einsetzen. Genau damit hatte Palma gerechnet und freute sich über das überraschte Gesicht ihrer Mutter.
Palma ließ ihr Aerodactyl Feuerzahn einsetzen. Sein getragenes Item Leben-Orb verstärkte zwar seine Attacken deutlich, dafür erlitt es jedoch Schaden, wenn es angriff.

Frosina entschied sich für Firnontor als ihr nächstes Pokémon. Ein Blick auf die Anzeigetafel zeigte Palma, dass Aerodactyl durch Leben-Orb und den Hagel bereits gut Schaden genommen hatte. Also entschied sie sich dazu, Aerodactyl zurückzurufen und Quappo in den Kampf zu schicken. Als sie Firnontors Attacke mitbekam, war sie froh, so entschieden zu haben. Es setzte Eissplitter ein; mit dieser Attacke wäre es schneller als Aerodactyl gewesen und hätte es aufgrund der großen Eisschwäche des Fossil-Pokémon problemlos besiegt. Während Quappo mit dem Item Überreste den durch den Hagel erlittenen Schaden heilte, litt Firnontor an seiner durch die Giftspitzen hinzugefügten Vergiftung.
Mutter und Tochter reifen erneut Befehle. Firnontor bewegte sich erstaunlich flink auf Quappo zu und biss mit einer kräftigen Knirscher-Attacke zu. Quappo verpasste dem gegnerischen Pokémon einen kräftigen Hieb und absorbierte dabei Energie, wodurch es sich ein wenig heilte. Firnontor hatte nach der Attacke nur noch wenige Lebenspunkte übrig und erlag seiner Vergiftung.

Das Top 4-Mitglied schickte Frosdedje in den Kampf, ein Pokémon mit den Typen Eis und Geist, das von den ausliegenden Giftspitzen vergiftet wurde. Der Hagelsturm legte sich so langsam wieder. Palma wusste, dass ihr Quappo keine Chance gegen das Pokémon ihrer Mutter hatte. Ein Wechsel war jedoch zu riskant, also musste sie ihr Pokémon opfern. Nach der ersten Attacke von Frosdedje war Quappo dann auch besiegt.
Die Blondine schickte erneut ihr Aerodactyl in den Kampf. Nachdem die beiden Kontrahentinnen Befehle über das Kampffeld gerufen hatten, schickte Aerodactyl das Frosdedje von Palmas Mutter mit einer starken Feuerzahn-Attacke zurück in seinen Pokéball.

Frosina brauchte einen Moment, um sich für ihr nächstes Pokémon zu entscheiden. Auf dem Monitor, der wieder das Gesicht ihrer Gegnerin zeigte, konnte Palma erkennen, dass die Augenbraue ihrer Mutter ganz leicht zuckte. Sie kannte dieses Zucken noch aus ihrer frühen Kindheit. Ihre Mutter wurde nervös, hatte aber noch nicht aufgegeben.
Schließlich entschied sich die Eispokémontrainerin für Walraisa, ein walrossartiges Pokémon der Typen Wasser und Eis aus der Hoenn-Region. Wieder wurden Befehle gerufen. Aerodactyl ließ eine scharfkantige Steinsäule aus dem Boden schießen, die Walraisa jedoch knapp verfehlte. Dieses erzeugte neben und unter sich eine große Menge Wasser, das sich zu einer Welle auftürmte, über Palmas Aerodactyl hinwegrollte und dieses besiegte.
Palma griff entschlossen zu ihrem nächsten Pokéball und schickte Blitza in den Kampf. Siegessicher schaute sie zu ihrer Mutter und gab ihrem Blitza die Anweisung, die Attacke Donnerblitz einzusetzen. Walraisa hatte keine Chance und wurde von dem heftigen Blitzschlag besiegt.

Ihre Mutter schickte ihr letztes Pokémon in den Kampf: Gelatwino, ein Pokémon, das wie eine große Eistüte aussah. Wieder riefen Mutter und Tochter Befehle. Gelatwino leuchtete auf, bevor es von Blitzas Donnerblitz getroffen wurde. Nach der Attacke erzeugte es eine Energiesalve, die Blitza von den Beinen hob und gegen eine Wand schleuderte. Palma hörte noch den schmerzerfüllten Aufschrei ihres Pokémon, bevor dieses sich in einen roten Energieball verwandelte und in seinem Pokéball verschwand.
Ein Blick auf die Anzeigetafel zeigte Palma, dass sie gewonnen hatte. Gelatwino würde bald an seiner Vergiftung erliegen und sie selbst hatte noch genügend Pokémon zur Verfügung.
„Los Lucario, besiegen wir meine Mutter!", rief die junge Trainerin ihr nächstes Pokémon herbei. „Setz Aurasphäre ein!" Sie hörte das Kommando ihrer Mutter nicht, doch das musste sie auch nicht. Die Eistüte würde in diesem Kampf keinen Schaden mehr austeilen. Ein heftiger Energiestrahl durchstieß das Pokémon ihrer Mutter mühelos.

Während die beiden aufeinander zuschritten, stellte Palma fest, dass es ziemlich laut im Stadion war. Es gab viel Beifall und der Stadionsprecher schwärmte von dem Kampf zwischen den beiden. All dies hatte sie zuvor ausgeblendet, da sie vollständig auf ihren Kampf fokussiert war.
In der Mitte des Kampffeldes angekommen gaben sich Mutter und Tochter die Hand.
„Das Feuer in dir ist stark. Ich bin gespannt, ob du auch die drei anderen Mitglieder der Top 4 besiegen kannst. Enttäusch mich nicht."
„Der Typ Eis passt gut zu dir!", entfuhr es Palma aufgebracht, bevor sie sich umdrehte und zurück zum Wartebereich ging.

Nachdem Palma Schwester Joy ihre Pokémon anvertraut hatte, konnte sie ihre Wut und Enttäuschung nicht mehr zurückhalten. Tränen bahnten sich ihren Weg.
„Was ist los?", legte ihr Schwester Joy beruhigend die Hand auf die Schulter.
„Ich habe keine Mutter. Keine, die mich liebt."
„Sie liebt dich auf ihre eigene Weise. Frosina war nach außen hin schon immer hart und kalt. Du bist ihr ganzer Stolz", erklang plötzlich eine sanfte Stimme. Vor ihr stand eine junge Frau in hellblauen Kleidern. „Ich bin Feather, das eigentliche Top 4-Mitglied für den Typen Eis. Du hast gut gekämpft."
„Kennen Sie meine Mutter überhaupt?", fragte Palma nur.
„Besser als du denkst", ließ die Frau sie verwirrt zurück und verschwand aus der Tür.