Der Mondberg

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Nach dem Sieg gegen Lukas waren die beiden Mädchen so schnell wie möglich Richtung Mondberg gegangen. Am Abend fielen sie erschöpft in die Betten des Pokémoncenters, das sich direkt vor dem Eingang des Mondergs befand.

Als die beiden jungen Trainerinnen am nächsten Morgen den Speisesaal des Pokémoncenters betraten, trauten sie ihren Augen nicht. An einem der Tische saß die Rangerin Franzi und winkte sie zu sich. „Habt ihr Lust mit mir zu frühstücken?" Nachdem die zwei Freundinnen sich gesetzt hatten, erzählte Franzi ihnen ein bisschen was über den Mondberg. „Im Mondberg gibt es vier Rastplätze, die von Rangern betreut werden. Von einem Schlafplatz zum anderen braucht man nicht länger als einen Tagesmarsch. Die direkte Route durch den Berg deckt nur zwei der Rastplätze ab. Ich würde euch jedoch empfehlen, alle vier zu besuchen. An allen kann man einen Pokémonkampf gegen einen Ranger bestreiten. Gewinnt man alle, erhält man in Azuria City eine großartige Belohnung." Franzi wollte den beiden jedoch nicht verraten, was es mit der großartigen Belohnung auf sich hatte. So fassten sie den Entschluss, allen vier Raststellen einen Besuch abzustatten und sich ihre Belohnung abzuholen. Franzi erzählte ihnen noch ein wenig was über den Mondberg an sich und die Pokémon, die darin lebten, doch die beiden Mädchen waren in Gedanken bei der Belohnung und hörten deshalb nur mit einem halben Ohr zu.

Während sie auf Schwester Joy warteten, um sich eine Faltkarte für den Mondberg geben zu lassen, kam ein Mann mittleren Alters in einem mit Erde und Staub bedeckten Kittel auf sie zu. „Guten Morgen die Damen. Seid ihr Palma und Hanna?" Die beiden schauten ihn irritiert an. „Ja?", fragte Hanna unsicher. „Der Direktor des Fossilienmuseums in Marmoria City hat mich gebeten, euch die Ausgrabungsstätte zu zeigen.", führte der Mann aus. Palma war noch ein wenig misstrauisch, ob sie dem Mann glauben durften. Das Misstrauen verflog jedoch als Schwester Joy kam, die den Mann gut zu kennen schien und sich mit ihm über die Fortschritte der Ausgrabungen unterhielt.

Justus, so der Name des Mannes, führte sie zu einem Aufzugsschacht. „Wir fahren nun ganz nach unten. Dort finden die aktuellen Ausgrabungen statt. Normale Trainer haben normalerweise keinen Zugang auf die unteren Ebenen. Danach bringe ich euch wieder nach oben oder auf die unterste öffentlich zugängliche Ebene. Ganz wie es euch beliebt." Unten angekommen erhielten die beiden Mädchen eine Sicherheitsunterweisung. Die langweilige Unterweisung hatte sich jedoch gelohnt. Justus brachte die beiden in eine riesige Höhle mit felsigen Wänden. Sie liefen über provisorische Wege und beobachteten Arbeiter, die in Kleinstarbeit jeden Stein vorsichtig lockerten und genaustens untersuchen. Sie durften nicht nur zuschauen, sondern bald auch selbst Hand anlegen, wenn auch unter strengster Aufsicht. Obwohl sie kein Glück hatten und keinen Stein mit Fossilieneinschluss fanden, machte ihnen die Arbeit doch sehr viel Spaß.

Der Spaß wurde durch einen lauten Hilfeschrei jäh beendet. Die Mädchen rannten Justus hinterher, der sofort in die Richtung des Schreis gerannt war. Am Ausgangspunkt des Schreis lag eine Frau in Arbeitskleidung bewusstlos am Boden. Sie hatte eine große Platzwunde am Kopf und blutete stark. Auf ihr hüpfte ein etwa kniehohes Pokémon herum, dessen Körper aus einem runden Gesicht und zwei starken Armen bestand. Im Gesicht hatte es metallene Auswüchse, die wie Haare aussahen. Hanna reagierte sofort und holte ihr Schillok hervor, während Palma ihren Pokédex befragte. „Kleinstein, das Gesteinpokémon. Alola-Form. Verwechselt man es mit einem Felsbrocken und tritt darauf, erwarten einen eine schmerzhafte Kopfnuss gepaart mit einem Stromschlag. Typen: Gestein und Elektro. Level des Exemplars: 12. Mögliche Attacken: Tackle, Walzer, Funkensprung.", las sie vor. Hannas Schillok hatte das Kleinstein schon erheblich geschwächt, bekam nun jedoch einen Funkensprung zu spüren, den es gerade so überstand. Hanna nahm einen Ball von ihrem Gürtel und fing das Kleinstein.
Mittlerweile waren auch andere Arbeiter eingetroffen. „Was ist hier los?", fragte einer. „Wieder ein Kleinstein. Die beiden Mädchen haben es besiegt und gefangen.", antwortete Justus. Er zeigte auf einen der Mitarbeiter. „Hilf mir, Carla nach oben zu bringen. Ben, du informierst Schwester Joy, dass wir eine Verletzte haben. Aziz, du passt auf die Mädchen auf. Gib ihnen ein Fossil zur Belohnung und bring sie dann nach oben! Tut mir leid, dass euer Ausflug hier unten schon beendet ist.", befahl er. „Als hätte ich Zeit, mich um zwei Gören zu kümmern.", grummelte ein Mann, der Aziz sein musste. „Dann kommt mal mit.", sagte er griesgrämig und stapfte schnell davon. Sie erreichten ein kleines Lager und der Mann gab ihnen zwei Steine. „In einem davon befindet sich ein Domfossil, also das Fossil eines Kabuto. In einem davon befindet sich ein Helixfossil, also das Fossil eines Amonitas. Es gibt in Fuchsania City ein Labor, in dem aus den Fossilien Pokémon geklont werden können, wenn ihr das möchtet.", erklärte er deutlich sanfter als die beiden Mädchen es erwartet hätten. Er schaute sich etwas panisch um und drückte Palma einen versiegelten Brief in die Hand. „Fragt bitte nicht. Sucht in Orania City nach einer Frau namens Fatima. Sie hat ein Roselia-Tattoo am Arm. Gebt ihr den Brief und zeigt ihn niemand anderem.", erklärte er hastig. Palma steckte den Brief eingeschüchtert ein. Aziz schaute erleichtert. „Danke." Als sie Schritte hörten, sprach er etwas lauter und schroff: „Ich bring euch auf die nächste Ebene. Von dort müsst ihr dann allein weiter. Ich hab keine Lust, euch bis nach ganz oben zu begleiten."

Schweigend folgten Hanna und Palma dem Weg zum ersten Rastplatz. Sie waren beide noch sehr irritiert von Aziz. Was hatte es mit dem Brief auf sich? Ihr Weg würde sie sowieso noch nach Orania City führen; würden sie dort dann erfahren, was es mit dem Brief auf sich hatte? Und wieso es ein Brief sein musste, wenn es doch unzählige andere Wege gab, jemandem etwas mitzuteilen? Aber das würde noch dauern; Orania City war noch ein gutes Stück weg. Ihr Schweigen wurde jäh von einem lauten Grummeln unterbrochen. Der Boden vor ihnen tat sich auf und eine riesige steinerne Schlange stieg daraus empor – ein Onix. Palma setzte ihr Quapsel ein, Hanna ihr Schillok und gemeinsam besiegten sie das Onix problemlos. „Hey, das hätte ich auch allein geschafft!", beschwerte sich Palma scherzhaft. Diese Bemerkung führte letzten Endes zu einem kleinen Wettbewerb zwischen den beiden, wer von ihnen die meisten Pokémon besiegen konnten.

Erschöpft kamen die beiden am Rastplatz an. Außer ihnen waren nur zwei Ranger und ein schweigsamer, leicht untersetzter Wanderer dort. Nachdem die Ranger ihre Pokémon geheilt hatten, fragte Palma nach dem Kampf, den sie hier absolvieren konnten. Da so wenig los war, boten die beiden Ranger ihnen einen Doppelkampf an.

Palma schickte ihr Dartiri in den Kampf, Hanna ihr neues Pokémon Kleinstein, die beiden Ranger ein Paras und ein Zubat. Die Mädchen checkten ihren Pokédex und signalisierten den Rangern dann, dass der Kampf beginnen konnte. Palma ließ ihr Dartiri Paras mit einem Schnabel angreifen, Hannas Kleinstein schockte das gegnerische Zubat mit einem Funkensprung. Die beiden Ranger setzten noch einmal ein Paras und ein Zubat ein, die genauso schnell K.O. waren wie die beiden davor. Als Belohnung für den Kampf erhielten die Trainerinnen ein kleines Preisgeld sowie jeweils die TM Schaufler.

„Ein interessantes Pokémon hast du da. Hast du das Kleinstein hier gefangen?", sprach einer der Ranger Hanna an. Sie erzählte schüchtern, wie sie es getroffen hatten. Der Ranger nickte und erklärte mit besorgtem Blick: „Diese Kleinstein sind hier nicht heimisch und fühlen sich hier unwohl. Deshalb sind sie ausgesprochen aggressiv und sorgen häufiger für Zwischenfälle."

Am nächsten Morgen beschlossen sie, als nächstes den Rastplatz anzusteuern, der dem Haupteingang des Mondberges am nächsten lag. Danach wollten sie zur Mondbergspitze gehen und schließlich den Mondberg Richtung Azuria City verlassen. Der Weg bis zur Bergspitze war recht ereignislos. Sie entdeckten ein Paras-Nest, das Palma dazu nutze, ihr Dartiri ein wenig zu trainieren, woraufhin es sich entwickelte. Sie war nun stolze Besitzerin eines Dartignis. Den Kampf gegen die Ranger gewannen sie auch hier problemlos und erhielten eine Handvoll Superbälle als Belohnung.

Die Mondbergspitze war in Wahrheit keine Spitze, sondern ein riesiger Krater, in dessen Mitte ein großer Fels steckte. Auf einem Schild stand geschrieben, dass dieser Asteroid vor langer Zeit eingeschlagen war und im Verdacht stand, Piepi auf die Erde gebracht zu haben. Am Rand des Kraters stand ein Gebäude mit angrenzendem Kampfplatz. Auf diesem Kampfplatz standen zwei Trainerinnen. Eine davon trug eine Rangeruniform. Die andere trug ein auffallend gelbes Oberteil. Julia. Auf dem Feld stand ein einsames Pokémon und sah etwas irritiert aus. Palma fragte ihren Pokédex. „Piepi, das Feen-Pokémon. Dieses Pokémon hat durch sein niedliches Aussehen viele Bewunderer." Plötzlich tat sich der Boden unter Piepi auf und ein anderes Pokémon kam, ganz in Erde und Steine gehüllt, aus dem Boden geschossen und rammte Piepi, das daraufhin zu Boden ging, sich in einem roten Licht auflöste und zurück in seinen Pokéball verschwand. Als Steine und Erde von dem Pokémon abfielen, sahen die beiden Mädchen, dass es sich ebenfalls um ein Piepi handelte. Julia grinste, als sie die beiden sah. „Piepi Schaufler beizubringen war eine super Idee von mir." Palma seufzte innerlich; sie konnte Julia nicht wirklich leiden. Nachdem sie ihre Pokémon geheilt hatten, besiegten sie noch schnell die Rangerin und erhielten als Belohnung je einen Mondstein.

Julia erzählte ihnen pausenlos von all den Pokémon, die sie bereits gefangen hatte. Palma musste sich eingestehen, dass sie ein klein wenig neidisch auf das Mädchen war. Andererseits besaß sie selbst wahrscheinlich nicht die Geduld, um sich stundenlang auf die Lauer zu legen und auf ein bestimmtes Pokémon zu warten. Das Mädchen mit dem gelben Shirt beschloss, die beiden bis nach Azuria City zu begleiten. Da den beiden Freundinnen kein Grund einfiel, dies abzuweisen, ließen sie es zu. Am letzten Rastplatz gewannen die Trainerinnen ein Sonderbonbon und erfuhren, dass sie sich für ihre Belohnung bei Schwester Joy in Azuria City melden konnten. Nach ein paar weiteren Tagen Wanderung erreichte das Trio endlich Azuria City. Nach der gemeinsamen Zeit mit Julia hatte Palma ihre Vorbehalte gegen die Sammlerin abgelegt. Ein wenig nervig fand sie Julia zwar immer noch, doch war ihre aufgedrehte und lebensfrohe Art auch ein wenig erheiternd. So war sie dann auch ein wenig traurig darüber, dass sich ihre Wege am nächsten Tag trennen würden.

Der lange Weg zum RuhmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt