22. Kapitel

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Narin Arslan POV

Ein Monat war vergangen; ein Monat, in dem wir gelitten hatten. Doch auch das kam zu einem Ende. Denn Enes Meral hatte sich zusammengefasst und war stärker als zuvor. Das Verlangen nach Rache war so groß, dass er wirklich nichts und niemanden mehr sah. Er war kälter als zuvor, manchmal erkannte ich ihn nicht wieder. Kaltblütig konnte er Menschen umbringen, nur weil sie sich eine Stunde dabei verspätet hatten ihm sein ausgeliehenes Geld zurückzugeben. Jede Nacht kam er mit blutigen Knöcheln wieder; dass er überhaupt kam war für mich ein Wunder. Manchmal wollte ich nicht mal dass er kam. Er war viel aggressiver, alles schien ihn direkt zu reizen. Ich hoffte einfach nur dass es ein Ende haben würde..

„Er vermisst dich..", flüsterte ich vor mich hin. Der Friedhof war so leer, so still. Ich bekam eine Gänsehaut. Es war auch sehr kalt, wir hatten schon Winter. Noch ein letztes Mal schaute ich seinen Grab an, auf den ich Acht gab. Ein letztes Mal las ich mir den Namen durch, der auf dem grauen Stein eingraviert wurde. Mein Herz schmerzte bei diesem Anblick.

Doğan Bayram

Ich wusste, wenn ich länger bleiben würde, würde ich anfangen zu weinen. Ich hatte mich echt zusammengerissen. All meine Emotionen fraß ich in mich hinein, anstatt sie zu zeigen. Ich meine, die person, von der ich wollte, dass er es weiß, war ja auch kaum da. Mit langsamen Schritten ging ich zurück nach Hause. Wir sind in dem vergangenen Monat umgezogen. Die Jungs konnten da nicht noch länger wohnen, was ich auch verstand. Unser jetziges Zuhause war auch groß und schön eingerichtet. Ela hatte uns dabei auch geholfen, sie ließ mich in dem Monat auch nicht alleine. Ich war so dankbar, dass sie auch versucht hatte Ahmet aufzumuntern. Zwischen denen war was unaufgeklärtes. Die Jungs waren ja auch so sehr darauf konzentriert meinem Vater alles zurückzugeben. Und innerlich wusste ich auch dass bald wieder Blut fließen würde, aber diesmal von meiner Familie. Ich war nicht vorbereitet.. Um auf andere Gedanken zu kommen setzte ich mich auf mein Bett und nahm mir ein Buch in die Hand. Ich wurde wieder von meinen Gedanken gerissen, als sich die Tür aus dem nichts öffnete und Enes hereintrat. Ich seufzte als ich seine aufgeplatzte Lippe sah. Er hatte sich wahrscheinlich wieder mit jemandem geprügelt. Das war mittlerweile zur Routine geworden. Er kam auf mich zu und setzte sich hin.

„Was ist los?", fragte ich ihn müde. Er schaute zu mir auf. Er führte seine Hand auf mein Wange, doch zog sie zurück, als er bemerkte, dass sie blutig waren. Er seufzte.
„Yok bir şey güzelim (nix).", meinte er. Ich nickte. Ich hatte schon vor langer Zeit aufgehört ihn auszufragen. Es machte einfach keinen Sinn mehr.
„Ich habe unten mehr Männer aufgestellt. Der Krieg, von dem wir so lange geredet hatten, hat schon längst angefangen. Ich will nicht, dass du das Haus verlässt.", erklärte er kurz.
„Willst du mich jetzt gefangen halten oder was?", fragte ich noch ruhig.
„Das hat nichts damit zu tun und das weißt du auch.", meinte er und schaute mich warnend an.
„Du kannst uns hier nicht einsperren, nur weil du Angst hast, dass uns was passieren kann.", sagte ich ernst. Als hätte ich mich unbewusst auf ihn und seine Welt eingelassen. Als würde ich nicht wissen was alles passieren könnte.
„Ich wiederhole mich nicht Narin. Du wirst hier bleiben, ganz einfach.", sagte er ignorant und stand auf. Ich schaute ihn wütend an.
„Kannst du vergessen.", spuckte ich raus. Er lachte. Wollte er mich provozieren?
„Wenn du willst kann ich dich wirklich einsperren.", sagte er grinsend.
„Stimmt, würdest du machen. Daran habe ich kein Zweifel.", sagte ich mit einem leeren Blick, der davor noch wütend war.
„Du weißt zu was ich alles in der Lage bin.", meinte er und betrachtete seine Hände. Ich stand auf und stellte mich vor ihn hin.
„Zu Lieben anscheinend nicht mehr.", sagte ich lächelnd und ging an ihm vorbei, aus dem Zimmer raus. Ich ging auf die Terrasse und setzte mich auf den Hängesessel. Ich schaute mir die Sterne an und dachte mir wie wir bloß zu dem worden was wir jetzt waren. Es bildeten sich Tränen in meinen Augen, die ich gekonnt ignorierte. Das Leben ermüdete mich mittlerweile, ich hatte kaum Kraft mehr. Seufzend legte ich meinen Kopf nach hinten und schloss für einen Moment meine Augen. Jedoch bemerkte ich nicht wie ich langsam in einen Schlaf fiel..

güzelim. || mero ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt