23. Kapitel

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Narin Arslan POV

„Ich will zu Umut. Ich werde ihn mitnehmen.", sagte ich mit fester Stimme. Ohne auf eine Antwort zu warten ging ich auf die Tür zu und drückte die Klinke runter. Als sich die Tür nicht öffnete, wandte ich mich zu Enes und deutete mit einem Blick auf den Schlüssel, welches er aus seiner Hosentasche rausnahm und mir gab. Ich öffnete die Tür und ging rein. Umuts Gesicht hellte auf. Er stand auf und kam auf mich zu, um mich zu umarmen. Fest nahm ich ihn zwischen meine Arme und schloss meine Augen dabei. Wann hatte ich ihn zuletzt gesehen? Wann hatte ich ihn zuletzt in meinen Armen? Ich wusste es nicht und es machte mich traurig.

„Wie gehts dir?", fragte ich ihn lächelnd als ich mich entfernte. Er erwiderte mein Lächeln.
„Mir gehts ganz gut abla (ältere Schwester).", sagte er während er sich wieder hinsetzte und sich sein Spielzeug in die Hand nahm.
„Enes abi (älterer Bruder) hat mir neue Spielzeuge gekauft.", erzählte er glücklich. Ich setzte mich zu ihm und schaute mir die Sachen an. Nebenbei strich ich ihm durch seine weichen Haare.
„Hast du dich bedankt?", fragte ich nach worauf er nickte. Er war so süß. Ich lächelte. Er spielte mit seinen Autos.
„Habt ihr euch gestritten mit Enes abi?", fragte er plötzlich. Ich hoffte einfach dass er unser Gespräch nicht mitbekommen hatte.
„Alles ist gut. Erwachsene Menschen können ihre Probleme klären.", Das war so gelogen. Wo konnten wir sowas bitte machen? Unsere Probleme wurden immer zu größeren, weil unser Stolz zu groß war, um uns zu entschuldigen und alles wieder gut zu machen. In Gedanken verloren bemerkte ich nicht wie jemand seine Hand auf meine Schulter legte. Zuckend schaute ich hoch nur um Enes zu sehen. Er setzte sich neben mich.

„Deine Schwester hat recht. Egal was passiert, wir klären unsere Probleme.", sagte er leicht lächelnd. Er nahm meine Hand in seine und verschränkte diese. Mein Blick fiel auf unsere Hände. Wann hatten wir uns zuletzt so gehalten? Wann hatte ich zuletzt seine Wärme gespürt?
„Fass meine Schwester aber nicht an. Sie ist meine Schwester.", sagte Umut worauf wir lachen mussten. Enes flüsterte etwas vor sich hin, aber ich hatte es trotzdem gehört.
„Hoff nicht.", meinte ich arrogant und kümmerte mich weiterhin um meinen Bruder.
„Wollen wir gehen?", fragte ich ihn worauf er nickte. Wir standen auf und ich nahm ihn an seiner Hand.
„Danke nochmal wegen den Geschenken.", sagte Umut breit lächelnd. Enes streichelte seine Haare und erwiderte sein Lächeln. Ich konnte mich nicht mal daran erinnern wann er zuletzt gelacht und es gemeint hatte.
„Mache ich gerne.", sagte Enes. Ich schaute ihn nicht an und ging einfach mit Umut raus. Er winkte ihm noch zu. Wir verließen direkt das hässliche Haus und ich rief ein Taxi. Wir mussten etwas warten, bis einer kam. Anschließend stiegen wir ein und fuhren den ganzen Weg wieder zurück. Da ich noch etwas Zeit mit meinem Bruder verbringen wollte, hatte ich dem Fahrer bewusst unsere Adresse gegeben. Zuhause spielten wir irgendwelche Spiele, schauten Kinderserien und machten uns zusammen was zu essen. Ich liebte es mit ihm Sachen zu machen, auch wenn es Kleinigkeiten waren, weil ich immer so glücklich mit ihm bin; als hätte ich kaum Sorgen, als würde ich alles drumherum vergessen, als würde die Zeit stehenbleiben, als wären wir zwei die einzigen Menschen auf dem ganzen Planeten. Bruder und Schwester, auch wenn ich gewisse Menschen aus meiner Familie nicht ausstehen konnte, war er wirklich die einzige Person, die ich über alles liebte. Und leider verbrachte ich zu wenig Zeit mit dieser Person und das tat mir jedes Mal aufs Neue leid. Ich wünschte ich könnte alles besser machen, aber leider war ich dazu nicht mehr in der Lage; ich hatte es versucht, aber es hatte nicht geklappt.

Am Abend fuhr ich Umut nach Hause, davor hatte ich meiner Mutter auch Bescheid gegeben, dass er bei mir war. Gemeinsam gingen wir zum Eingang des Hauses, die Tür wurde von meiner Mutter geöffnet. Schnell umarmte sie ihren kleinen Sohn, schaute mich bemitleidend an, aber konnte nichts sagen. Ich kannte diese Augen voller Reue, aber alles war zu spät. Man kann nicht ständig etwas falsch machen und sich dann viel viel später entschuldigen. Das brachte einfach nichts mehr; was passiert ist, ist passiert. Auch wenn es dein eigenes Blut ist, denn Blut ist nicht dicker als Wasser. Nicht immer.

güzelim. || mero ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt